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BeschlagnahmeIst eine Beschlagnahme nach einer rechtswidrigen Durchsuchung zulässig?
| Ist die Durchsuchungsanordnung rechtswidrig, da sie nicht ausreichend begründet wurde, hindert das die spätere Beschlagnahme der bei der Durchsuchung sichergestellten Unterlagen nicht. Voraussetzung dafür ist, dass die Ermittlungsakte einen hinreichenden Tatverdacht belegte, als die Durchsuchungsanordnung erlassen wurde. Insoweit besteht kein Beweisverwertungsverbot. Das hat das LG Nürnberg-Fürth entschieden. |
Sachverhalt
Die Steuerfahndung führte beim Beschwerdeführer (B) eine Durchsuchung durch und stellte Unterlagen sicher. Grundlage hierfür war ein auf § 103 StPO gestützter Durchsuchungsbeschluss. Diesen hob die Kammer auf die Beschwerde des B auf und ordnete an, dass die sichergestellten Asservate herausgegeben werden mussten (4.8.23, 12 Qs 57/23). Dagegen legte die Bußgeld- und Strafsachenstelle beim FA (BuStra) dem Ermittlungsrichter beim AG eine Aufstellung einzelner Asservate vor, die bei der Durchsuchung sichergestellt worden waren, und beantragte deren Beschlagnahme. Der Ermittlungsrichter gewährte der Rechtsanwältin des B hierzu rechtliches Gehör und erließ einen antragsgemäßen Beschluss. Hiergegen wendet sich erfolglos die Beschwerde.
Entscheidungsgründe
. 238658
Die zulässige Beschwerde ist erfolglos (LG Nürnberg-Fürth 13.11.23, 12 Qs 72/23, Abruf-Nr. 238658). Gegen die – isoliert betrachtete – Rechtmäßigkeit des unmittelbar angegriffenen Beschlagnahmebeschlusses bestehen keine Bedenken. Dessen Begründung legt hinreichend ausführlich dar, worin die mutmaßlichen Straftaten liegen und worauf sich der Tatverdacht stützt; ebenso sind die beschlagnahmten Asservate potenziell als Beweis bedeutsam. Soweit B moniert, die Steufa habe entgegen der Anordnung der Kammer fast drei Monate die sichergestellten Asservate einbehalten, anstatt sie umgehend zurückzugeben, begründet dies nicht die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Beschlusses.
Relevanz für die Praxis
Die Verfahrenshistorie liest sich durchaus eigenwillig. Gleichwohl führt es nicht grundsätzlich zu einem Beweisverwertungsverbot, wenn die Beweiserhebung rechtswidrig ist. Dies gilt auch für Fälle einer fehlerhaften Durchsuchung.
Merke | Ein Verwertungsverbot ist aber bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen worden sind, geboten. Das kommt in Betracht, wenn der Richtervorbehalt bewusst missachtet oder seine Voraussetzungen in gleichgewichtig grober Weise verkannt wurden (BVerfG 2.7.09, 2 BvR 2225/08). |
Regelmäßig wird es hiernach auf die individuellen Umstände des Einzelfalls ankommen, weshalb in defizitären Fällen durchaus gestritten werden kann. Dies gilt umso mehr, als in der Literatur durchaus ein Verwertungsverbot angenommen wird, wenn der Mangel des Durchsuchungsbeschlusses – wie hier – darin liegt, dass er unzureichend begründet worden ist. Maßgeblich hierfür ist Folgendes: Es fehlt an einer eigenverantwortlichen Prüfung des Ermittlungsrichters, was sich der Umgehung des Richtervorbehalts annähert (Schmidt, StraFo 09, 448, 451; ähnlich Krekeler, NStZ 93, 263, 265). Auch in der Rechtsprechung wird vereinzelt ein Verwertungsverbot bejaht, wenn feststehe, dass der Ermittlungsrichter keine objektiv hinreichende Prüfung der Maßnahme vorgenommen habe (LG Paderborn 12.7.21, 02 KLs 3/19).
Demgegenüber plädiert die hiesige Strafkammer für eine Einzelfallprüfung aufgrund einer Abwägung des Interesses der Allgemeinheit an der wirksamen Strafverfolgung einerseits und dem Interesse des Betroffenen an der Einhaltung der Verfahrensvorschriften andererseits. Es sei zu beurteilen, ob der festgestellte Verfahrensmangel dazu nötige, ein Verwertungsverbot anzunehmen (vgl. Menges in: Löwe/Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 98 Rn. 77a m. w. N.).
Diese Abwägung ergebe vorliegend, dass das Interesse daran, die sichergestellten Unterlagen zu verwerten, überwiegt. Zu berücksichtigen sei dabei, dass der Ermittlungsrichter hier ohne Weiteres einen ordnungsgemäßen Durchsuchungsbeschluss hätte erlassen können. Die Möglichkeit der hypothetisch rechtmäßigen Beweiserlangung sei im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen (vgl. BVerfG 12.2.04, 2 BvR 2009/03), solange – wie hier – kein besonders schwerwiegender oder willkürlicher Verstoß vorliegt (vgl. Henrichs/Weingast in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 9. Aufl., § 105 Rdnr. 21).
Merke | Ist der Verdacht erheblicher Steuerhinterziehungen (z. B. ESt, USt und GewSt) hinreichend belegt, ist das öffentliche Interesse daran, die mutmaßliche Steuerhinterziehungen aufzuklären, hoch. |
Es ist ein in der Praxis immer wieder anzutreffendes Dilemma, dass Ermittlungsrichter nicht selbst „texten“ oder Umstände referieren, sondern einfach nur die ihnen vorgedruckten Beschlussexemplare (inklusive Logo) unterzeichnen, wobei in der Praxis immer wieder – schon zeitlich - der Eindruck entsteht, dass nicht alles gelesen worden ist, was für eine selbstbewusste und rechtsstaatliche Entscheidung erforderlich wäre.
Die Einordnung des LG: „Das war fehlerhaft, aber nach Auffassung der Kammer nicht willkürlich“, bzw.: „Eine bewusste Umgehung des Richtervorbehalts lag darin nicht, ebenso wenig ist dieser Fehler einer bewussten Umgehung wertungsmäßig gleichzusetzen“, hinterlässt einen schalen Beigeschmack. Aktive Verteidigung wird diese Punkte immer wieder rügen müssen.
AUSGABE: PStR 2/2024, S. 30 · ID: 49832550