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NachtragsmanagementZusätzliches Honorar bei Koordinations- und Integrationsleistungen (Teil 1 - Grundlagen)

Top-BeitragAbo-Inhalt07.06.20234379 Min. LesedauerVon Dipl.-Ing. M.-Eng. Architektin Andrea Stahl, von der AK Hessen ö.b.u.v. Sachverständige für Honorare für Leistungen der Architekten, Darmstadt

| In der Regel wird in Verträgen nach wie vor auf die Grundleistungen der HOAI Bezug genommen, die in der Folge auch Ihr Honorar definieren. Die unterschiedliche Berücksichtigung einzelner Kostengruppen bei den anrechenbaren Kosten spiegelt dabei verschiedene Leistungsintensitäten wider. Integrations- und Koordinationsleistungen, die von den Objektplanenden zu erbringen sind, stehen dabei besonders im Blick. Denn nicht immer gehören sie zu den geschuldeten Grundleistungen. Hier ist also Nachtragspotenzial, das Sie ausschöpfen sollten. |

Bei welchen Kostengruppen sind die Leistungen inklusiv?

Die Nachtragsberechtigung von Integrations- und Koordinationsleistungen ist abhängig von den Kostengruppen der HOAI. Zum Verständnis helfen Kenntnisse über die grundsätzliche Anrechenbarkeit verschiedener Kosten.

Voll, beschränkt und nicht anrechenbare Kosten

Die Anrechenbarkeit verschiedener Kosten ist für die Objektplanung Gebäude und Innenräume in § 33 HOAI geregelt:

  • Die Kosten der Baukonstruktion (KG 300) sind voll anrechenbar (§ 33 Abs. 1 HOAI). Dies betrifft den Vertragsgegenstand und setzt eine planende und/oder überwachende Tätigkeit im Rahmen der Grundleistungen voraus. Dabei sind die sich auf die Baukonstruktion beziehenden Fachplanungen, z. B. Tragwerk, TA oder Bauphysik, zu koordinieren und zu integrieren. Das bedeutet, dass die Koordination und Integration der Fachplaner eine in jedem Fall zu erbringende Grundleistung ist, soweit sie dem inhaltlichen Vertragsumfang entspricht.
  • Kosten der Technischen Anlagen (KG 400) sind beschränkt anrechenbar (§ 33 Abs. 2 HOAI) Dafür sind weder Planungs- noch Überwachungsleistungen Voraussetzung. Hier werden die Koordinations- und Integrationsleistungen aus dem Grundleistungskatalog der Anlage 10 HOAI erfasst, die sich auf die Fachplanungsleistungen der TA zur vereinbarten Objektplanung beziehen. Auch hier sind also Koordinations- und Integrationsleistungen mit dem Grundleistungshonorar abgegolten.
  • In § 33 Abs. 3 HOAI ist dann die Nicht-Anrechenbarkeit der Kosten für das Herrichten (KG 210), die nicht-öffentliche Erschließung (KG 230) und für Ausstattung und Kunstwerke (KG 600) geregelt. Für die Nicht-Anrechenbarkeit sind die Voraussetzungen klar definiert:
    • Keine Planung oder
    • keine Mitwirkung bei der Beschaffung oder
    • keine fachliche Überwachung des Einbaus oder der Herstellung.

Nachtragspotenzial bei nicht anrechenbaren Kostengruppen

Im Umkehrschluss heißt das, dass die unter § 33 Abs. 3 HOAI aufgelisteten Kostengruppen voll anrechenbar sind, soweit mindestens eines der ausgeschlossenen Kriterien doch zutrifft. Werden Sie bezüglich eines dieser ausgeschlossenen Kriterien vereinbarungsgemäß tätig, sind Sie berechtigt, diese Kosten bei den anrechenbaren Kosten zu berücksichtigen.

Koordination und Integration bei Kostengruppen nach § 33 Abs. 3 HOAI

Zu Koordinations- und Integrationsleistungen für die unter Abs. 3 aufgelisteten Kostengruppen bietet die HOAI hingegen keine Berechnungsregel. Dies hat auch der BGH bereits 2004 festgestellt (BGH, Urteil vom 30.09.2004, Az. VII ZR 192/03, Abruf-Nr. 042799). Die Folge: Aufgrund des Regelungsdefizits sind Sie – im Gegensatz zu den anrechenbaren Kosten nach § 33 Abs. 1 und 2 HOAI – auch nachtragsberechtigt, falls Sie bei den in § 33 Abs. 3 HOAI aufgelisteten Kostengruppen solche Leistungen vereinbarungsgemäß erbringen.

Weitere Nachtragsberechtigungen

Für Abstimmungen, Koordinationen und Integrationen anderer, nicht im Leistungsumfang der Objektplanung Gebäude enthaltenen Planungen, bietet die HOAI ebenfalls keine Honorarberechnungsregel. Diese sind z. B.

  • öffentliche Erschließung (KG 220),
  • Ausgleichsmaßnahmen (KG 240),
  • Objektplanung der Innenräume (KG 300+600),
  • Objektplanung der Ingenieurbauwerke (z. B. Verbau, KG 300),
  • Objektplanung der Verkehrsanlagen (KG 300),
  • Objektplanung der Freianlagen (KG 500) sowie
  • Flächenplanungen (z. B. Bebauungsplan).

Entstehen Koordinations- und Integrationsleistungen für Elemente oder Planungen, deren Kosten nicht in Ihre anrechenbaren Kosten eingehen und die über ein übliches Maß hinausgehen, so können Sie für Koordinations- und Integrationsleistungen ebenfalls einen zusätzlichen Honoraranspruch geltend machen. Dabei sind folgende Beispielsleistungen als üblich anzusehen:

Beispiel 1: Innenräume (KG 300+600)

Die Abstimmung von Raumabmessungen und funktionalen Abläufen auf allgemeine oder auch besondere Möblierungen (OLG Schleswig, Urteil vom 18.04.2006, Az. 3 U 14/05, Abruf-Nr. 071058).

Beispiel 2: Freianlagen (KG 500)

Die Koordination der Anschlüsse zu den Freianlagen (OLG Celle, Urteil vom 22.12.2016, Az. 16 U 59/13, Abruf-Nr. 234489, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen).

Darüberhinausgehende – einen Nachtragsanspruch auslösende – Leistung kann dagegen in den folgenden Fällen vorliegen:

Beispiel: Innenräume (KG 300+600) – Möblierung

  • Im Sinne eines ganzheitlichen Gestaltungs- und Materialkonzepts sind umfangreiche Materialabstimmungen erforderlich.
  • Es sind Nischen für loses Mobiliar oder Einbaumobiliar vorzusehen.
  • Technische Anlagen beziehen sich auf die Möblierung (z. B. akustische oder visuelle Systeme, technische Anschlüsse) und sind dahingehend abzustimmen.

Beispiel: Freianlagen (KG 500) – Dachlandschaft

Auf einem Verwaltungsgebäude wird eine differenzierte und zum Aufenthalt geeignete Dachlandschaft durch ein Garten- und Landschaftsarchitekturbüro geplant. Im Planungsverlauf müssen Lasten, haustechnische Aufbauten, Aufbauhöhen, Dichtungsebenen, Leistungsgrenzen, Zugänge etc. leistungsbildübergreifend (Gebäude/Freianlagen) abgestimmt werden. Der Aufwand geht hier deutlich über eine Schnittstellenkoordination, wie sie z. B. bei der Abstimmung von Anschlusshöhen neben dem Gebäude liegender Freiflächen entstehen kann, hinaus.

Beispiel: Verbau (KG 300)

Der Verbau soll von der Tragwerksplanung geplant werden und ist aus dem Auftragsumfang des Architekturbüros über alle Lph herausgenommen worden. Im Verlauf der Objektüberwachung werden allerdings erhebliche Koordinationsleistungen (z. B. zum Bauablauf, zu Lagerflächen oder zu technischen Fragen) erforderlich.

Für solch einen erhöhten Aufwand kann jeweils ein zusätzliches Honorar beansprucht werden.

PRAXISTIPPS |

  • Um den vertraglichen Leistungsumfang zu einem zusätzlich entstehenden Koordinations- und Integrationsaufwand abgrenzen zu können, sollten Sie zunächst prüfen, ob die zu koordinierenden und integrierenden Elemente laut Vertrag in die anrechenbaren Kosten eingehen.
  • Sofern einzelne Kostengruppen und Planungen nicht voll oder beschränkt in die anrechenbaren Kosten eingehen und deren Koordination und Integration über ein übliches Maß hinausgehen, können Sie ggf. ein zusätzliches Honorar beanspruchen.
  • Da der Aufwand, der Objektplanung Gebäude mit den Technischen Anlagen entsteht, und über § 33 Abs. 2 HOAI standardmäßig vergütet wird, kann ein zusätzliches Honorar für vergleichbare Koordinations- und Integrationsleistungen gut begründet werden.
  • Je nach entstehendem Aufwand kann dieser mittels Zeithonorar, Pauschale oder über eine Anlehnung an § 33 Abs. 2 angemessen vergütet werden.
  • Eine Differenzierung der vertraglichen Pflichten bzgl. Koordinations- und Integrationsleistungen ist im Übrigen auch in der DIN 276 enthalten. Darüber wird Sie PBP in Teil 2 des Beitrags informieren.

AUSGABE: PBP 7/2023, S. 3 · ID: 49314836

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