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Öffentliche AufträgeBetreuung öffentlicher Vergabeverfahren: Rechtsprechung und eigene Leistungsgrenzen kennen
| Der Personalmangel in Behörden und die Änderung der VgV (= mehr EU-Ausschreibungen) werden tendenziell dazu führen, dass Planungsbüros öfter als Vergabebetreuer angefragt werden. Wer sich in dem Marktsegment engagieren will, sollte vor allem die rechtlichen Grenzen und haftungsrechtlichen Risiken kennen, um im Falle eines Falles nicht hohe (und nicht versicherte) Schadenersatzforderungen zu riskieren. PBP gibt anhand der neuesten Rechtsprechung einen Einblick in die Materie. |
Fachliche Betreuung ist keine Rechtsdienstleistung
Wenn Ihr Planungsbüro einen öffentlichen Auftraggeber bei Vergabeverfahren betreut und sich dabei auf fachliche und technische Leistungen beschränkt, handelt es sich um keine unerlaubte Rechtsdienstleistung. Diese Leistungen dürfen Sie erbringen, so die VK Bund (Beschluss vom 02.06.2021, Az. VK 2-47/21, Abruf-Nr. 223503).
VK Bund: Technische Unterstützung ist keine Rechtsberatung
Im konkreten Fall hatte ein öffentlicher Auftraggeber zwei Leistungen parallel ausgeschrieben:
- 1. Leistungen für die selbstständige Vorbereitung und Durchführung eines Vergabeverfahrens. Die Vergabeentscheidung über die Angebote („nichtdelegierbare Leistung“) oblag dabei dem öffentlichen Auftraggeber.
- 2. Die Erbringung anwaltlicher Beratungs- und Unterstützungsleistungen.
Eine Rechtsanwaltsgesellschaft reichte zu dem erstgenannten Vergabeverfahren kein Angebot ein, aber einen Nachprüfungsantrag. Sie war der Auffassung, dass es sich auch bei dem erstgenannten Verfahren um Rechtsdienstleistungen handele. Diese stünden Planungsbüros daher nicht offen. Die Vergabekammer hielt den Nachprüfungsantrag für unbegründet. Denn der öffentliche Auftraggeber hatte klar zum Ausdruck gebracht, dass er keine Rechtsberatungsleistungen in Anspruch nehmen will, sondern technisch fachliche Unterstützungsleistungen. Das ist nach Ansicht der VK Bund nachvollziehbar, weil er ja zeitlich parallel die Rechtsdienstleistungen für das gleiche Vergabeverfahren ausgeschrieben hatte).
Übernahme von Bauherrenaufgaben ist risikobehaftet
Auch wenn Sie manches dürfen, sollten Sie sich überlegen, ob Sie solche Leistungen tatsächlich übernehmen, um den Auftraggeber zu entlasten. Das gilt vor allem, wenn des Projekt mit öffentlichen Mitteln gefördert wird. Zwei Entscheidungen des VG Cottbus und des OLG Naumburg lehren nämlich, dass sich für Planungsbüros gravierende haftungsrechtliche Fallstricke auftun.
Der Fall vor dem VG Cottbus
Wer Fördermittel bewilligt bekommen will, muss eine ganze Reihe an Voraussetzungen und Auflagen erfüllen. Üblicherweise ist es Angelegenheit des Auftraggebers, die Förderbestimmungen einzuhalten. Weil das aber viel Aufwand macht, gehen immer mehr Auftraggeber dazu über, diese Leistungen im Vergabeverfahren als Vertragspflicht an die Planungsbüros zu delegieren. Diese Auflagen sind, wenn sie Vertragsbestandteil werden, auch vom Planer zwingend einzuhalten. Ansonsten droht der Verlust von Fördermitteln. So war es in einem Fall vor dem VG Cottbus, wo Fördermittel für die Schaffung eines Gemeindezentrums zurückgezahlt werden mussten und dafür ein Schuldiger gesucht und gefunden wurde, der Planer (VG Cottbus, Urteil vom 03.02.2023, Az. 3 K 1618/19, Abruf-Nr. 234745).
Der Fall vor dem OLG Naumburg
Genauso war es in dem Fall vor dem OLG Naumburg. Dort hatte eine Kommune ein Planungsbüro mit Ausschreibung, Vergabe und örtlichen Bauüberwachung für die Errichtung eines Bauwerks beauftragt. Im Ingenieurvertrag wurden als Grundleistungen insbesondere die „Vorbereitung der Vergabe“ (Lph 6) und „Mitwirkung bei der Vergabe“ (Lph 7) vereinbart. Nach Prüfung des Zuwendungsgebers rügte dieser Vergabeverstöße und widerrief den Zuwendungsbescheid.
Die Gemeinde verklagte das Ingenieurbüro wegen der Rückforderung von Zuwendungen aufgrund fehlerhafter Durchführung des Vergabeverfahrens. Das OLG Naumburg gab der Gemeinde Recht. Nach Ansicht des OLG hatte das Ingenieurbüro mit der Übernahme der Lph 6 und 7 nicht nur die technische Mitwirkung am Vergabeverfahren, sondern auch die Organisation, Vorbereitung und Durchführung übernommen. Das OLG begründet dies damit, dass alle Grundleistungen der Lph 6 und 7 der HOAI beauftragt gewesen seien. Der HOAI seien keine Einschränkung der Leistungspflichten dahingehend zu entnehmen, dass lediglich eine partielle oder zuarbeitende Tätigkeit des Planers geschuldet sei, die sich auf technische Aspekte beschränke. Folglich hafte das Ingenieurbüro werkvertraglich für sämtliche Fehler bei der Zusammenstellung der Vergabeunterlagen, der formellen Prüfung der Angebote und der zeitnahen Dokumentation des Verlaufs des Vergabeverfahrens, insbesondere bezüglich der Angebotsaufklärung und der Einhaltung des Nachverhandlungsverbots.
Sehe der Planer sich außer Stande, eine rechtliche Prüfung vorzunehmen, entbinde ihn dies nicht von seiner Leistungspflicht. Vielmehr liege es an ihm, auf die Grenzen seiner Kompetenz hinzuweisen und auf die zusätzliche Inanspruchnahme von Rechtsdienstleistern hinzuwirken (OLG Naumburg, Urteil vom 16.12.2022, Az. 7 U 40/22, Abruf-Nr. 235555).
Fazit | Wägen Sie Chancen und Risiken der Vergabebetreuung öffentlicher Auftraggeber sorgfältig ab. Honorar und Aufwand sowie Haftungsrisiken stehen nur selten im Lot. Bilden Sie sich fort, wenn Sie sich als Betreuer etablieren und bei diesen Aufgaben Routine und Sicherheit gewinnen wollen. Die Ingenieurkammer Sachsen bietet (federführend für andere Kammern) einen Lehrgang zum qualifizierten Vergabeberater an. Mehr Informationen finden Sie hier www.iww.de/s8181. |
AUSGABE: PBP 7/2023, S. 17 · ID: 49522974