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Honoraranpassung Statt Kostenberechnung besser Kostenanschlag: Anrechenbare Kosten sind nachträglich änderbar

Abo-Inhalt29.09.20228992 Min. Lesedauer

| Dass sich die anrechenbaren Kosten – wie in der HOAI 2013 und 2021 geregelt – allein nach der Kostenberechnung zum Entwurf bemessen, ist nicht in Stein gemeißelt. Sie können mit Ihrem Auftraggeber einvernehmlich auch eine andere Honorarbemessungsbasis wählen, z. B. den Kostenanschlag. Das gilt auch für laufende Verträge und Projekte, bei denen Ihnen wegen der dynamischen Kostenentwicklung und längeren Projektlaufzeiten Honorardefizite drohen. PBP weist Ihnen und Ihren Auftraggebern den Weg zu gangbaren Lösungen. |

Die Schwächen der aktuellen Honorarermittlung nach HOAI

Die Schwächen der aktuellen Honorarermittlung nach der Kostenberechnung liegen auf der Hand. Zwischen dem Zeitpunkt der Kostenberechnung und dem Baubeginn liegen bereits bei mittleren Projekten oft zwei Jahre und mehr. Und bis zur Baufertigstellung vergehen dann nochmal viele Monate. In dieser Zeit ändern sich die kalkulatorischen Grundlagen für Planungsbüros rasant, unberührt von technischen Veränderungen oder Planungsänderungen. Die HOAI regelt solche terminliche Streckungen aber nicht.

Einvernehmlich zu besseren Lösungen kommen

Das alte Argument der Auftraggeber, dass sich durch zwischenzeitliche Kos-tenentwicklungen der Aufwand des Planers und/oder Bauüberwachers nicht ändert, ist nicht korrekt. Denn es geht hier in erster Linie um Kosten- und Aufwandsänderungen, die im Planungsbüro direkt wegen der schwierigen Umstände der Auftragsabwicklung anfallen. Die Anpassung der anrechenbaren Kosten an die aktuellen Verhältnisse ist einer von mehreren Schritten. Er kommt beiden Vertragsparteien zugute, vermeidet langwierige juristische Auseinandersetzungen, ist einfach umsetzbar und lässt sich von anderen honorarrelevanten Dingen (wie z. B. wiederholte Ausschreibungen, Entschädigung bei Projektstillstand) gut trennen.

Auch die HOAI 2025 geht bei anrechenbaren Kosten neue Wege

Die engere zeitliche Verknüpfung von anrechenbaren Kosten und ortsüblichen Kosten wird übrigens auf allen Ebenen diskutiert. Auch die Vorschläge der Architekten- und Ingenieurkammern für die HOAI 2025, die beim Bundeswirtschaftsminister auf dem Tisch liegen, sehen eine Neuregelung der anrechenbaren Kosten vor, die in diese Richtung geht. Und zwar

  • für die Lph 1 bis 5 nach einer „fortgeschriebenen Kostenberechnung“ und
  • für die Lph 6 bis 9 nach der Kostenfeststellung.

Wie das am Ende in der neuen HOAI geregelt wird, bleibt abzuwarten. So viel Zeit bleibt den Projektbeteiligten derzeit aber nicht. Sie müssen jetzt Lösungen finden. Die rechtlichen Möglichkeiten und Instrumente dazu gibt es.

Haushaltsrecht erlaubt Anpassung ohne Rechtsgrundlage

In den Rechtsvorschriften (Haushaltsrecht) des Bundes, der Länder und der Kommunen gibt es Regelungen, die es ermöglichen, das Honorar auch ohne einzelfallbezogene Anspruchsgrundlage verhältnisgerecht anzupassen.

§ 58 VV-BHO als Türöffner

Die für Sie relevante Verwaltungsvorschrift sind die „Allgemeine Verwaltungsvorschriften zur Bundeshaushaltsordnung (VV-BHO)“ und hier § 58 mit dem Titel „Änderung von Verträgen, Vergleiche“. Diese Regelung findet sich auch in entsprechenden Länderschriften sowie kommunalen Regelungen. Dort ist (leider etwas länderunterschiedlich) geregelt, dass es möglich ist, einen Vertrag bzw. die Honorarbemessung auch ohne Anspruchsgrundlage zu verändern. Das setzt folgende Dinge voraus:

Originalauszug aus § 58 VV zur BHO

„Die Frage, ob ein Nachteil des Bundes vorliegt, ist unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu entscheiden. Danach liegt kein Nachteil des Bundes vor, wenn der Bund durch eine Vertragsänderung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles wirtschaftlich nicht schlechter gestellt ist als bei einem Festhalten an der Rechtsstellung aus dem ungeänderten Vertrag.“

Praxistipp | Das, was § 58 so attraktiv macht, ist, dass Sie die „Gesamtwirtschaftlichkeit“ abwägen dürfen; also alle Einflüsse, die das Projekt beeinflussen können. Es muss im Gesamtergebnis herauskommen, dass dem Auftraggeber insgesamt durch die Anpassungen kein Nachteil entsteht. Das bedeutet, dass der Anpassung der anrechenbaren Kosten auch ein entsprechender Vorteil an anderer Stelle gegenübersteht. Der Auftraggeber muss anhand der Gesamtabwägung erkennen, dass weitere Kostenerhöhungen oder Verzögerungen durch eine neue Geschäftsbasis eingedämmt werden können. Zu den einzelnen Abwägungskriterien hat die Verwaltung nachstehende Hilfestellung gegeben.

  • Eine Gesamtwirtschaftlichkeitsbetrachtung der möglichen Vor- und Nachteile, die mit der konkreten Vertragsänderung verbunden sind.
  • Der Auftraggeber darf mit der Vertragsanpassung nicht schlechter gestellt sein als ursprünglich; es darf für ihn also kein Nachteil entstehen.
  • Die „Gesamtwirtschaftlichkeitsbetrachtung“ ist nicht als Berechnung sondern als Abwägung zu treffen. Das erleichtert Ihnen die Herleitung.

An Erlass des Bundesbauministeriums zu § 58 VV orientieren

Das Bundesbauministerium hat diese Verwaltungsvorschrift zum Anlass genommen, am 25.03.2022 einen Erlass zu § 58 VV zur BHO zu veröffentlichen. Er wird nicht nur vom Bund, sondern auch von den Bundesländern und Kommunen nahezu flächendeckend angewendet.

Sie finden den Erlass im Wortlaut auf pbp.iww.de → Abruf-Nr. 228324. Darin heißt es sinngemäß, dass die Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen sind. Ergibt diese Gesamtabwägung, dass eine Anpassung von Vergütungen (z. B. in Verbindung mit aktuellen Festlegungen)

  • den termingerechten Fortgang der Baumaßnahme fördert,
  • weitere Kostenerhöhungen (z. B. aus nicht steuerbaren weiteren Termin-verschiebungen resultierend) eindämmt,

mag bereits kein Nachteil im Sinne der Gesamtabwägung vorliegen. In dem Fall wäre eine vorschriftenkonforme Vertragsanpassung möglich.

Praxistipp | In diese Gesamtabwägung sind auch zu erwartende Zusatzaufwendungen beim Auftraggeber z. B. wegen

  • verlängerter provisorischer Maßnahmen (Baustelleneinrichtungskosten, provisorische Container, Anmietung von Flächen),
  • Personalbereitstellungsprobleme (Stop and Go) beim Planungsteam,
  • jahrelanger Gerichtsverfahren (z. B. Kosten fürs Verfahren, Personalbindung für Schriftsätze) oder
  • der Verhinderung der anderweitigen Beschäftigung des eigenen Personals

einzupreisen.

Die Gesamtabwägung ist die Aufgabe des Auftraggebers, denn er selbst muss das entscheiden. Die baufachlichen Kriterien und Hilfestellung (z. B. durch Zusammentragen der baufachlichen und kalkulatorischen Einzelpunkte) können als Unterstützung auch vom Planer kommen. Innerbetriebliche Vorteile (z. B. Personalaufwand, Vermeidung von Nachfolgeaufträgen etc.) für sich muss der Auftraggeber ohnehin selbst einschätzen.

Auftraggeber-Entscheidung ist durch Vorschriften abgesichert

Ergibt die Gesamtabwägung, dass eine Vergütungsanpassung (mittels Nachtrag zum Planungsvertrag) im Interesse des Gesamtprojekts ist, steht dem nichts mehr entgegen. Die Vorschriften lassen das zu. Auch viele Bauunternehmen gehen derzeit diesen Weg.

Praxistipp | Selbstverständlich betrifft dies nicht nur die Anpassung der an-rechenbaren Kosten. Aber wie erwähnt ist die Anpassung der anrechenbaren Kosten der erste – und schnellste – Schritt auf dem Weg zur weiteren fairen Zusammenarbeit. Es versteht sich von selbst, dass bei der Herleitung fachliches Können gefragt ist. Es geht schließlich um Steuergeld.

Anrechenbare Kosten: Darum eignet sich der Kostenanschlag

Schließlich stellt sich die Frage, warum der Kostenanschlag sinnvoll ist. Dazu kann folgendes festgehalten werden.

  • Es wird vermieden, dass die Kosten der Kostenberechnung und die der ortsübliche Marktkosten (Aufträge) an sehr sehr weit auseinanderliegenden Zeiträumen erfasst werden.
  • Die Entkopplung der Honorare von späteren tatsächlichen Baukosten wird nach wie vor vermieden. So werden z. B. Massenveränderungen ohne Nachtragsvereinbarung die anrechenbaren Kosten nicht ändern.
  • Die Kostenfeststellung hat noch einen weiteren Nachteil für alle Beteiligten. Denn sie steht teilweise erst sehr lang nach Fertigstellung des Bauwerks zur Verfügung. Jede ungeklärte Abrechnungsfrage mit einem ausführenden Unternehmen sorgt dafür, dass die Kostenfeststellung noch nicht erstellt werden kann. Die Gewährleistungsfristen für Planer wären in erheblichem Maße betroffen.
  • Bei der Anwendung des Kostenanschlags kann auf Ermittlungen zurückgegriffen werden, für die bereits in der DIN 276/2018 genormte Begriffe (Kostenanschlag) vorliegen. Vorsorglich sollte dies in der Vereinbarung geregelt werden.

Wichtig | Da der Kostenanschlag auch in der Fachwelt teilweise unterschiedlich verstanden wird, sollten folgende Punkte fachlich geklärt sein:

  • Der Kostenanschlag besteht aus den Kosten der Aufträge und der Nachtragsaufträge zu den Aufträgen. Hinsichtlich der Kostengliederung und der Anrechenbarkeit nach Kostengruppen gelten ansonsten die vertraglich vereinbarten Regelungen (z. B. HOAI).
  • Der Kostenanschlag wird stufenweise erstellt. Er ist vollständig, wenn alle Hauptaufträge und Nachträge beauftragt sind.
  • Soweit der Kostenanschlag noch nicht vollständig vorliegt, ist die Kostenberechnung (Lph 3) bzw. die Kostenschätzung (Lph 2) zugrunde zu legen. Liegen für mehr als 50 Prozent der Kostenberechnungskostenanteile als Auftragskosten bereits vor, ersetzen diese Auftragskosten die entsprechenden Kostenanteile aus der Kostenberechnung. So wird der stufenweise Kostenanschlag kontinuierlich vertieft – bis er final erstellt wird.

Wichtig | Es macht keinen Sinn, Nachträge außen vor zu lassen. Das würde z. B. die Gefahr bergen, dass geänderte Leistungen mit höheren anrechenbaren Kosten nicht angemessen berücksichtigt werden. Da Nachträge fast immer mit geänderten oder vergessenen Planungsinhalten zusammenhängen, wäre ohnehin (auch nach herkömmlicher Systematik) eine Aktualisierung der Kostenberechnung (anrechenbare Kosten) erforderlich. Das Prinzip der Entkopplung von tatsächlichen Baukosten von den Honoraren bleibt insoweit weitgehend erhalten. Für Massenänderungen, die nicht im Nachtrag, sondern nur in der Abrechnung auftauchen, würde insoweit keine Anpassung erfolgen. Das stärkt die Planungsdisziplin.

Sonderfall: Kein Vorteil für Auftraggeber – aber Existenzrisiko für Planer

In der Praxis kann es vorkommen, dass die Gesamtabwägung ergibt, dass die Vertragsanpassung dem Auftraggeber einen geringen Nachteil bringt, der Planer ohne die Vertragsanpassung aber in wirtschaftliche Existenznot geraten würde. Die Folgen wären z. B.

  • Neuvergabe der Planungsleistungen/Bauüberwachungsleistungen,
  • erhebliche Zeitverlängerungen (nicht nur durch Auftragsverfahren bei Nachfolgeplaner),
  • Vertragsänderungen mit den ausführenden Auftragnehmer in Bezug auf dortige verzögerungsbedingte Zusatzkosten (z. B. Projektstillstand) und
  • höhere Honorare beim Nachfolgeplaner.

Weil der Verordnungsgeber diese Risiken gesehen hat, hat er sie in den Verwaltungsvorschriften und im Erlass vom 25.03.2022 berücksichtigt. Eine Vertragsanspassung bleibt also auch in diesen Fällen möglich.

Mustervertragsklausel fürs Tagesgeschäft

Die PBP schlägt für die Praxis die folgende Musterklausel zur Ermittlung der anrechenbaren Kosten vor. Diese Klausel kann sowohl im Ursprungsvertrag als auch im Nachtrag zum Planungsvertrag eingesetzt werden. Sie finden sie auch auf pbp.iww.de → Downloads → Abruf-Nr. 48607499.

§ ... Ermittlung der anrechenbaren Kosten

„Die anrechenbaren Kosten als Basis für die Honorarermittlung des Honorars für die Grundleistungen der Leistungsphasen (z. B. Lph 1 bis 9) werden auf der Grundlage der Kosten des Kostenanschlags ermittelt. Der Kostenanschlag versteht sich insoweit bestehend aus Auftragskosten einschließlich der geprüften und beauftragten Nachträge zu Aufträgen. Dabei sind die Kosten gemäß DIN 276/2008 zu gliedern und ergeben insoweit die anrechenbaren Kosten. Soweit der (stufenweise zu erstellende) Kostenanschlag noch nicht vollständig vorliegt, ist die Kostenberechnung (Lph 3) bzw. die Kostenschätzung (Lph 2) zugrunde zu legen. Liegen für mehr als 50 Prozent der Kostenberechnungskostenanteile bereits entsprechende Auftragskosten (anteiliger Kostenanschlag) vor, ersetzen diese Kosten die entsprechenden Kostenanteile aus der Kostenberechnung, sodass der stufenweise Kostenanschlag kontinuierlich vertieft wird, bis zur finalen Erstellung.“

Nach HOAI 2021 kann eine solche Vereinbarung als Anpassung der anrechenbaren Kosten zu jeder Zeit getroffen werden. Bei VGV-Verfahren kann die Klausel als Bieteranfrage für alternative Honorarermittlung formuliert werden. Dann kann der Auftraggeber entscheiden, ob er das für alle Bieter (Gleichbehandlungsgrundsatz) aktuell im Rahmen seiner Anpassungsmöglichkeiten festlegt.

Fazit | Man muss nicht immer einen Rechtsanspruch haben, um Probleme gut lösen zu können. Selbst das öffentliche Haushaltsrecht akzeptiert Verhandlungslösungen, wenn sie denn der Sache dienen. Für Sie als Planer kommt es darauf an, mit Überzeugungskraft und angemessenen Argumenten zu agieren. Erfreulich ist, dass (nur) eine Abwägung und keine strenge Kalkulation mit Klärung der Anspruchsgrundlage (ähnlich einer Nachtragsprüfung) erforderlich ist. Sinngemäß das Gleiche gilt natürlich, wenn Sie sich bei privaten oder gewerblichen Projekten in vergleichbaren Situationen befinden. Soll eine sinnvolle wirtschaftlich ausgewogene Lösung der aktuellen Probleme angestrebt werden, können sie in ähnlicher Weise bei privaten Projekten das Gespräch suchen. Dem Autorenteam sind erste Fälle bekannt.

Weiterführender Hinweis
  • Damit Sie exemplarisch sehen, wie eine „Gesamtwirtschaftlichkeitsbetrachtung“ im konkreten Fall aussehen kann, unterstützt Sie PBP in der November-Ausgabe mit einem Beispiel.

AUSGABE: PBP 10/2022, S. 12 · ID: 48583414

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