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Lph 8Das WDVS in der Lph 8 oder was die Gerichte unter „stichprobenhafter Kontrolle“ verstehen

Abo-Inhalt09.09.20228344 Min. Lesedauer

| Der mit der Bauüberwachung beauftragte Architekt ist verpflichtet, bei der Herstellung eines Wärmedämmverbundsystems darauf zu achten, dass das nach der allgemeinen bauaufsichtsrechtlichen Zulassung einzuhaltende Vorgehen strikt eingehalten wird. Das hat das OLG Naumburg festgestellt. Für das OLG bedeutet das, dass eine jedenfalls stichprobenhafte Kontrolle der Ausführung der Arbeiten bezüglich des eingesetzten Materials, der ausreichenden Materialmengen, des Einsatzes geschulten Personals und der sachgerechten Verwendung des richtigen Werkzeugs geschuldet ist. |

WDVS ist technisch anspruchsvolles Gewerk

Das OLG begründet das wie folgt: Bei der Herstellung eines WDVS geht es nicht um bauliche Leistungen einfacher Art, sondern um ein technisch anspruchsvolles, kompliziertes und sensibles Gewerk, das neben Windkräften auch thermischen Faktoren ausgesetzt ist und das deshalb zur Vermeidung von Rissen und insbesondere zur Gewährleistung der Standsicherheit einer besonderen Fixierung bedarf. In der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung wird das einzuhaltende Vorgehen detailliert beschrieben; deshalb ist darauf zu achten, dass die Zulassungsvorgaben strikt eingehalten werden (OLG Naumburg, Urteil vom 13.10.2021, Az. 2 U 29/20, Abruf-Nr. 230286).

Die Kontrollthemen bei WDVS

Wie erwähnt, hat das OLG vier „Kontrollaspekte“ definiert: Material, Materialmenge, Personal und sachgerechte Verwendung des richtigen Werkzeugs.

Waren Material und Materialeinsatz korrekt?

Der Architekt wollte sich damit entlasten, dass er die Stärke des aufgebrachten Putzes während der Ausführung der Arbeiten nicht überprüfen habe können, weil

  • der Putz eine breiige Konsistenz habe,
  • deshalb an einem Messinstrument nach dem Herausziehen aus einer Putzschicht nichts Genaues abzulesen sei und
  • zudem durch das Eindrücken eines Messinstruments das in der Putzschicht eingebettete Gewebe in Richtung der Dämmplatten verschieben und dadurch einen Mangel verursachen würde.

Das OLG hat das zwar anerkannt. Daraus ergibt sich für die Richter aber nur, dass eine Kontrolle der konkreten Putzstärken während der Ausführung möglicherweise schwierig oder sogar unmöglich ist. Eine – jedenfalls stichprobenartige – Kontrolle vor und auch während der Ausführung der Putzarbeiten sei dennoch möglich und geboten gewesen. Denn der Architekt kann zunächst kontrollieren, ob das ausführende Unternehmen das richtige Material einsetzt und auch ausreichende Mengen der jeweiligen Putzmasse für die zu verputzenden Flächen vorgesehen hat.

Arbeitet geeignetes Personal mit den richtigen Werkzeugen?

Damit ist es für das OLG aber nicht getan. Der Architekt muss – wegen der einzuhaltenden Mindeststärken – auch kontrollieren, ob der Unternehmer geschultes Personal einsetzt, das mit den richtigen Werkzeugen arbeitet.

„Gerade wenn es auch des Geschicks und der Erfahrung eines gut ausgebildeten Handwerkers, ggf. eines Handwerksmeisters bedarf, um den Putzauftrag fachgerecht auszuführen, muss der Architekt im Rahmen der Bauausführung kontrollieren, ob sach- und fachgerecht nach den Regeln der Technik gearbeitet wird.“ Von Bedeutung ist, welche Länge die „Zähne“ des Spachtels hatten und ob der Spachtel beim Aufbringen des Putzes richtig gehalten wurde. Solche Kontrollen hatte der Architekt nach den Recherchen des OLG nicht durchgeführt und damit seine Überwachungspflichten verletzt.

42 Baustellenbesuche sind kein entlastendes Argument

Das OLG ließ sich auch von der Angabe des Architekten nicht erweichen, er habe doch 42 Baustellenbesuche durchgeführt (und das bei einem Einfamilienhausbau). Dem OLG fehlten konkrete Angaben, wie und wann er die Putzarbeiten kontrolliert hatte. Es kam zum Ergebnis, dass der Architekt offenbar davon ausgegangen sei, diese Ausführung nicht weiter kontrollieren zu müssen, weil eine konkrete Überprüfung der Putzstärke nach Aufbringen des Putzes nicht zerstörungsfrei möglich war. Mindestens hätte er aber – so das OLG – kontrollieren können, ob der Putz in der erforderlichen Mindeststärke aufgetragen worden sei. Diese Mängel hätten durch eine ordnungsgemäße Überwachung auf jeden Fall verhindert werden können.

Es gibt auch andere OLG-Rechtsprechung

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es auch andere Rechtsprechung gibt. Vom OLG Karlsruhe kommt z. B. folgende Aussage: Sind Fliesen in einem Saunabetrieb mangelhaft verlegt worden, weil der Fliesenleger an einigen Stellen zu wenig Abdichtungsmaterial verwendet hat, handelt es sich nicht um einen Mangel, der typischerweise bei Erfüllung der Bauüberwachungsverpflichtung entdeckt werden muss (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 20.09.2021, Az. 4 U 199/20, Abruf-Nr, 230595; rechtskräftig durch Zurückweisung der NZB, BGH, Beschluss vom 29.06.2022, Az. VII ZR 63/22).

Hier erkannte das Gericht an, dass die Fliesen in der gesamten Sauna sowohl an Wand als auch Boden verlegt wurden; es sich also um eine große Fläche handelte. Selbst bei dauernder Anwesenheit auf der Baustelle während der Verlegung wäre er nicht in der Lage gewesen, bei mehreren gleichzeitig arbeitenden Handwerkern jeden Einzelnen ständig zu kontrollieren. Die geschuldeten Kontrollen seien daher per se nicht geeignet, Verlegefehler vollständig zu vermeiden bzw. typischerweise zu entdecken.

Fazit | In der Objektüberwachung kommt es darauf an, die richtigen Tätigkeiten zur richtigen Zeit zu entfalten und diese sorgfältig zu dokumentieren. Moderne – digitale – Hilfsmittel erleichtern auch „alten Hasen“ die Arbeit, gerade was das Führen des unbeliebten Bautagebuchs anbelangt.

AUSGABE: PBP 10/2022, S. 22 · ID: 48541645

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