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HonorarmanagementNachtragsabwehrklauseln: So erkennen Sie sie und gehen richtig damit um

Top-BeitragAbo-Inhalt20.09.20228606 Min. LesedauerVon Thomas Ryll, Syndikusrechtsanwalt, Prokurist und Geschäftsleiter Vertragsmanagement bei a|sh sander.hofrichter architekten GmbH, Ludwigshafen

| Zahlreiche Planerverträge sehen Regelungen vor, die Mehrvergütungsansprüche für Änderungs- und Zusatzleistungen unter besondere Bedingungen stellen und die Anspruchsdurchsetzung erschweren sollen („Nachtragsabwehrklauseln“). PBP stellt Ihnen typische Vertragsklauseln vor und zeigt Ihnen Lösungen auf, wie Sie Ihre Ansprüche sichern können. |

Typische Nachtragsabwehrklauseln aus der Vertragspraxis

Folgende Klauseltypen sind in der Vertragspraxis häufig anzutreffen und sollen daher im Folgenden genauer beleuchtet werden:

Beispiele für Nachtragsabwehrklauseln

  • Wesentlichkeitsklauseln: „Geringfügige Änderungen, die nur einen unwesentlichen Arbeits- und Zeitaufwand verursachen, führen nicht zu einem zusätzlichen Vergütungsanspruch.“
  • Leistungsphasenabschlussklauseln: „Änderungen vor Abschluss einer Leistungsphase gehören zum normalen Planungsoptimierungsprozess und sind mit dem Honorar abgegolten.“
  • Ankündigungsklauseln: „Ein Anspruch auf zusätzliche Vergütung besteht nur dann, wenn der Auftragnehmer den Auftraggeber vor dem Beginn der Ausführung auf die zusätzliche Vergütungspflicht hinweist.“

Der Umgang mit Wesentlichkeitsklauseln

Wesentlichkeitsklauseln sind ein Relikt aus der HOAI 1996. Diese sah in § 5 Abs. 4 vor, dass ein Honorar für hinzutretende Besondere Leistungen nur dann berechnet werden darf, wenn diese im Verhältnis zu den Grundleistungen „einen nicht unwesentlichen Arbeits- und Zeitaufwand verursachen“.

Diese Regelung ist aus guten Gründen ersatzlos gestrichen worden: „Wesentlich“ ist ein unbestimmter, völlig konturloser Rechtsbegriff, der enormes Streitpotenzial bietet. Es wäre auch nicht sachgerecht, wenn Auftraggeber sukzessive eine Vielzahl von unterschwelligen und damit nicht mehr vergütungsfähigen Kleinständerungen anordnen könnten, die in der Gesamtschau eine wesentliche Änderung darstellen würden. Die damit verbundenen Risiken sind im Voraus nicht kalkulierbar, weshalb derartige Regelungen Planern im Ergebnis ein unzumutbares Wagnis aufbürden.

Weder dem Vertragsrecht des BGB noch dem Preisrecht der HOAI – jedenfalls seit der Fassung 2009 – können Wesentlichkeitsgrenzen entnommen werden.

Wichtig | Lassen Sie sich von – auf den ersten Blick gegenteiliger – Rechtsprechung nicht irritieren (zuletzt etwa OLG Oldenburg, Beschluss vom 26.10.2021, Az. 12 U 120/18, Abruf-Nr. 231269). Unabhängig davon, dass dieser Entscheidung die HOAI 1996 zugrunde lag, sind die dortigen rechtlichen Ausführungen zur Mehrvergütungsfähigkeit von Änderungen zweifelhaft und nicht verallgemeinerungsfähig.

Praxistipp | Wesentlichkeitsgrenzen sind nur dann praktikabel und kalkulierbar, wenn sie quantifiziert werden. Bspw. in Form eines Stundenkontingents, das dem Auftraggeber (honorarneutral) für Planungsänderungen zur Verfügung steht. Alternativ kann vereinbart werden, dass eine Änderung erst dann als wesentlich anzusehen ist, wenn der damit verbundene Zeitaufwand eine bestimmte Stundenanzahl überschreitet.

Der Umgang mit Leistungsphasenabschlussklauseln

Dem BGB und der HOAI kann ebenso wenig entnommen werden, dass Änderungen erst nach dem Abschluss einer Lph vergütungsfähig sind. Letztlich ist auch diese Regelung nicht sachgerecht und einseitig übervorteilend, weil sie dazu führen würde, dass der Auftraggeber bis zum Abschluss einer Lph willkürlich und honorarneutral Änderungen anordnen könnte.

Praxistipps |

  • Achten Sie auf einen formalen Abschluss der Lph. Dies ist als elementare Grundlage für ein effektives Änderungs- und Nachtragsmanagement nicht nur zweckmäßig, sondern nach Anlage 10.1 HOAI als jeweils letzte Grundleistung der Lph 1 bis 3 auch geschuldet, wenn zur Beschreibung der geschuldeten Leistungen auf die HOAI-Leistungsbilder rekurriert wird.
  • Erwirken Sie idealerweise Freigabeerklärungen des Auftraggebers nicht nur in Bezug auf gesamte Lph, sondern auch für Teilbereiche oder Zwischenergebnisse der Planung (z. B. ein „design freeze“ vor Zurverfügungstellung der Grundrisse an die Fachplaner). Planungsfreigaben sollten zu diesem Zweck in Planungsterminplänen als auftraggeberseitige Mitwirkungshandlungen vorgesehen werden.
  • Dokumentieren Sie nach Abschluss der Lph 1 bis 3 die Planungsergebnisse und stellen Sie diese dem Auftraggeber nachweisbar zur Verfügung. Verbinden Sie dies mit der Bitte, die Planung (z. B.) innerhalb der im Terminplan ausgewiesenen Frist freizugeben. Erklären Sie vorsorglich, dass Sie die Planung entsprechend dem Terminplan auf der übermittelten Planungsgrundlage fortsetzen werden, sofern keine fristgemäße Freigabeerklärung oder anderslautende Mitteilung erfolgt.

Wichtig | Erfahrungsgemäß haben Auftraggeber Vorbehalte gegen Planungsfreigaben. Räumen Sie diese Bedenken frühzeitig aus, indem Sie erklären, dass mit einer Planungsfreigabe

  • lediglich die Erklärung verbunden ist, dass der zur Freigabe vorgelegte Planungsstand den Leistungszielen (Planungsvorgaben des Auftraggebers) entspricht, also die Wünsche des Auftraggebers abbildet,
  • keine Einschränkungen der Planerhaftung zulasten des Auftraggebers verbunden sind,
  • der Planungsprozess optimiert wird: Sie verhindern aufwands- und kostenauslösende, terminverzögernde Umplanungen, die infolge mangelhafter Abstimmung entstehen können.

Bedenken Sie: Sofern im Planungsvertrag nicht ausnahmsweise etwas anderes geregelt ist, haben Sie nach herrschender Rechtsauffassung grundsätzlich keinen Rechtsanspruch auf die Erteilung einer Planungsfreigabe. Es kann sich im Einzelfall allenfalls um die Verletzung einer Mitwirkungsobliegenheit des Auftraggebers handeln, die Sie in Ihrer ordnungsgemäßen Leistungserbringung behindert und zu Ansprüchen nach §§ 642, 643 BGB führt.

Der Umgang mit Ankündigungsklauseln

Ankündigungsklauseln liegt im Ausgangspunkt ein berechtigtes Informationsinteresse des Auftraggebers zugrunde, der nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden will. Indem die Ankündigung – wie in der Beispielsklausel – zur formalen Anspruchsvoraussetzung erhoben wird, geht die Klausel jedoch über die allgemeinen Voraussetzungen für zusätzliche Vergütungsansprüche hinaus. Nach dieser Lesart wäre bei unterbliebener Anzeige ein totaler Anspruchsverlust die schwerwiegende Folge.

Praxistipp | Nehmen Sie die Klausel beim Wort und zum Anlass, um ein systematisches Änderungsmanagement zu etablieren. Andernfalls laufen Sie Gefahr, sich später dem Einwand Ihres Auftraggebers ausgesetzt zu sehen, Sie hätten in vertragswidriger Weise die Ankündigung unterlassen. Auf jedes Änderungsverlangen sollte in einem ersten Schritt unverzüglich mit einer entsprechenden Ankündigung von Mehrvergütungsansprüchen und einem Hinweis auf mögliche Termin- und Kostenauswirkungen reagiert werden. Dies kann auch pauschal gehalten sein und daher in einem Musterschreiben standardisiert werden. Sollte Ihr Auftraggeber die Vielzahl der „Änderungsanzeigen“ beklagen, können Sie sich darauf berufen, dass Sie lediglich Ihre Vertragspflichten erfüllen.

Weitere Empfehlungen für das Tagesgeschäft

Die Empfehlungen für das Tagesgeschäft beziehen sich auf zwei Situationen. Einmal befinden Sie sich schon in einem Vertrag mit solch ungünstigen Klauseln. Im zweiten Fall sind Sie gerade in der Vertragsanbahnungs- und -verhandlungsphase.

Bestehender Vertrag mit ungünstigen Klauseln

Sind Sie bereits an einen Vertrag gebunden, der derartige Klauseln enthält, gibt es möglicherweise einen Ausweg:

  • Mit der Feststellung, dass die Vertragsbedingungen von den Regelungen der anwendbaren HOAI und/oder des BGB abweichen, liegt ein erstes Indiz dafür vor, dass die Klauseln möglicherweise unter AGB-rechtlichen Gesichtspunkten angreifbar sind. Dies setzt zunächst voraus, dass es sich bei den Klauseln tatsächlich um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 BGB handelt (dazu demnächst mehr in PBP).
  • Unter Umständen kann auch eine Mindestsatzunterschreitung vorliegen, wenn der Vertrag dem zwingenden Preisrecht unterliegt und sich infolge der Änderungen der Preisrahmen (§ 10 HOAI) „nach oben“ verschoben hat und das Vertragshonorar folglich hinter den Mindestsätzen zurückbleibt.

Auftraggeber will Klauseln in Vertrag hinein verhandeln

Befinden Sie sich noch im Verhandlungsstadium und sehen sich einem Vertragsentwurf gegenüber, der obige Klauseln enthält, gilt: Versuchen Sie, Ihren potenziellen Auftraggeber mit den oben dargestellten Argumenten davon zu überzeugen, dass die Klauseln einseitig übervorteilend sind und zu unangemessenen, nicht sachgerechten Rechtsfolgen führen.

Führen Sie aus, dass insbesondere mit Wesentlichkeits- und Leistungsphasenabschlussklauseln kalkulatorische Wagnisse verbunden sind, die Sie bei der gebotenen kaufmännischen Sorgfalt mit entsprechenden Risikozuschlägen einpreisen müssen.

Scheuen Sie sich nicht davor, diese Risikozuschläge konkret zu beziffern und herzuleiten, damit Ihrem Geschäftspartner die mögliche Honorarersparnis bei Streichung der streitigen Klauseln offenbar wird. Denn wenn sich Ihr Geschäftspartner nicht mit Sachargumenten überzeugen lässt, dann möglicherweise mit Geld.

Fazit | Achten Sie auf „das Kleingedruckte“! Bisweilen harmlos anmutende und als üblich abgetane Vertragsbedingungen können zu fatalen Rechtsfolgen führen, indem sie Ihnen Mehrvergütungsansprüche vorenthalten, die nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen berechtigt wären. Versuchen Sie daher, derartige Klauseln mit den dargestellten Argumenten „rauszuverhandeln“. Sollte dies nicht gelingen, müssen die teilweise unkalkulierbaren Risiken in das Honorar eingepreist werden, um die Auskömmlichkeit zu gewährleisten.

Weiterführende Hinweise
  • Beitrag „Arbeitshilfen für die Praxis: Nachträge durchsetzen und parallel Haftungsrisiken reduzieren“, PBP 11/2021, Seite 6 → Abruf-Nr. 47723836
  • Sonderausgabe „Nachtragsmanagement für Planer am Bau: Schöpfen Sie alle Honorarpotenziale aus“, pbp.iww.de → Abruf-Nr. 46698491

AUSGABE: PBP 10/2022, S. 4 · ID: 48555133

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