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WerkvertragsrechtMissverständnisse vermeiden: Der feine Unterschied zwischen Bauleiter und -überwachung

Abo-Inhalt25.07.20227404 Min. Lesedauer

| Viele Auftraggeber glauben, mit der Beauftragung der Grundleistungen der Lph 8 alle Fragen der Organisation der Bauabwicklung und Qualitätssicherung an den Objektplaner übertragen zu haben. Hinzu kommt, dass die Bauüberwachung gern als „Bauleitung“ benannt und damit missverstanden wird. Anlass für PBP, die Begrifflichkeiten zu definieren und aufzuklären. |

Der „Bauleiter“ in der HOAI

Zwischen der Bauüberwachung und der Bauleitung ist nicht nur fachlich, sondern auch honorartechnisch zu unterscheiden.

Der oft unzutreffend als „Bauleiter“ bezeichnete Bauüberwacher soll sich nach diesem Verständnis um die komplette Leitung und Organisationstätigkeiten auf der Baustelle kümmern und darüberhinaus praktisch als verlängerter Arm des Bauherrn agieren. Die Grundleistungen der HOAI sehen eine solche Aufgabenverteilung aber nicht vor.

Die HOAI kennt in ihren Grundleistungen den Begriff des Bauleiters nicht. Das gilt auch für das Leistungsbild Ingenieurbauwerke und Verkehrsanlagen. Auch wenn hier von der Bauoberleitung in der Lph 8 geschrieben wird, trifft das oben genannte sinngemäß in gleicher Weise für die Ingenieurbauwerke und Verkehrsanlagen zu.

Der „Bauleiter“ in der VOB/B

Der Begriff „Bauleiter“ wurde langjährig in der VOB verwendet und betrifft die Leitung der Bauarbeiten, die die ausführende Firma erbringt. Die VOB/B (DIN 1961) regelt den Begriff der Bauleitung seit einiger Zeit ebenfalls nicht mehr. In § 4 Abs. 1 Nr. 3 VOB/B ist geregelt, dass der Auftraggeber (= Bauherr) befugt ist, dem Leiter des ausführenden Unternehmens Anordnungen zu erteilen.

Der Auftragnehmer muss nach gleicher VOB Regelung seinem Auftraggeber (= Bauherr) mitteilen, wer jeweils als Vertreter des ausführenden Unternehmens für die Leitung der Ausführung bestellt ist. Der Begriff „Bauleiter“ ist insoweit auch in der VOB/B nicht mehr zu finden.

Praxistipp | Die Begriffe „Bauleitung“ oder „Bauleiter“ können missverständlich ausgelegt werden. Sie sollten deshalb besser durch die präzisen sog. „Legalbegriffe“ ersetzt werden. Damit wird dann ein eindeutiges Verständnis erzeugt. Planer sollten diesen bei Beauftragung der HOAI-Leistungen konsequent auch in der HOAI zitierten Begriffe verwenden.

„Bauleiter nach Landesbauordnung“ als weitere Position

Es gibt noch eine dritte ähnliche Bezeichnung, nämlich die des „Bauleiters nach Landesbauordnung“. Der Begriff wird in verschiedenen Landesbauordnungen verwendet. Hier ist eine klare Abgrenzung zu den HOAI-Leistungen der Bauüberwachung/örtlichen Bauüberwachung, Bauoberleitung und zu den Leistungen der Leitung der Bauausführung nach VOB/B vorhanden.

Ein Blick, z. B. in die Landesbauordnung NRW, zeigt den Unterschied. Dort und in vielen weiteren Landesbauordnungen ist der Bauleiter nach Landesbauordnung insbesondere für die Einhaltung des öffentlichen Baurechts zuständig. Demgegenüber sind die o. g. HOAI- und VOB/B-Leistungen anders definiert. Das öffentliche Baurecht dient in erster Linie dem Schutz von Mensch und Natur und bezieht sich daher insbesondere auf die entsprechenden Schutzvorschriften des öffentlichen Interesses.

Hier drohen Missverständnisse zum Thema „Bauleiter“

Die folgenden Beispiele zeigen, wo Missverständnisse drohen. Viele Auftraggeber gehen z. B. davon aus, dass die Lph 8 (z. B. mit den Grundleistungen im Leistungsbild Gebäude) auch folgende Tätigkeiten abdeckt:

  • Übernahme der gesamten Organisation des Baustellenbetriebs (z. B. Festsetzung Betriebsflächen für Zwischenlagerungen bei mittleren und größeren Projekten auf öffentlichen Flächen, weil das innerstädtische Baugrundstück zu klein ist).
  • Bearbeitung der Fragen der rein arbeitsplatzbezogenen Arbeitsschutzmaßnahmen auf der Baustelle. Hier ist zu unterscheiden zwischen Arbeitsschutz des Bauunternehmers (z. B. im Zusammenhang mit der Bedienung der Baumaschinen) und Arbeitsschutz übergeordnet auf der Baustelle (z. B. Absturzsicherungen).
  • Organisationsplanung/Baulogistik von Baustelleneinrichtungen und die ständige Kontrolle (z. B. Baustellenbeleuchtung, Winterdienst, Verkehrsorganisation auf der Baustelle).
  • Planung von Baubüros, Sanitäreinrichtungen, provisorischen Stellplätzen sowie Diebstahlschutz beim Bauen im Bestand).
  • Arbeitsanleitung der Handwerker, soweit nicht qualitätsrelevante Arbeiten unmittelbar betroffen sind.
  • Ansprechpartner für alle Behörden (z. B. bei Inanspruchnahme von öffentlichen Verkehrsflächen für Baustelleneinrichtung oder Abstimmungen mit Anliegern).
  • Kontrolle hinsichtlich der Einhaltung tarif- und arbeitsrechtlicher Standards.

Diese beispielhaft aufgeführten Leistungen gehören in dieser Ausprägung nicht zu den Grundleistungen. Zum Thema Allgemeine Ordnung auf der Baustelle gibt es aber keine allgemeingültige Definition. Hier wird im Falle eines Falles einzelfallbezogen von den Gerichten entschieden.

Statt „Bauleiter“ präzisere Begriffe verwenden

Auch damit ist klargestellt, dass der klassische Begriff des Bauleiters für das Tagesgeschäfts keine brauchbare Definition darstellt. Es ist damit nicht vom Bauherrn evtl. erwartete – intensivere - Baustellenbetreuung verbunden. Sollte der Bauherr diese dennoch von Ihnen erwarten, können Sie ihm die Gemengelage erklären und ein entsprechendes Nachtragsangebot vorlegen. Nutzen Sie dazu das folgende Musterschreiben:

Musterschreiben / Angebot ergänzender Leistungen der Bauüberwachung

Betreff: Projekt ...

Leistungsphase 8: Ergänzende Leistungen der Bauüberwachung

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Planungsvertiefung und Vorbereitung der Bauausführung ist derzeit in vollem Gange. Sie haben uns mit den Grundleistungen der Bauüberwachung beauftragt. Diese Grundleistungen sind wie folgt beschrieben:

... (hier Auflistung der beauftragten Grundleistungen)

Diese Leistungen liegen unserer Honorarvereinbarung ordnungsgemäß zugrunde. Weil bei Projektbeginn naturgemäß nicht alle Einzelheiten der noch erforderlichen Leistungen genau erfassbar waren, sind zunächst nur die Grundleistungen der Gebäudeplanung beauftragt worden. Vorsorglich haben wir im Planungsvertrag aus diesem Grunde eine Klausel vereinbart, nach der ergänzende Leistungen auf der Grundlage eines Zeithonorars vereinbart werden können. Auf Basis dieser Regelung und der Regelung in § 650p BGB bieten wir Ihnen die Erbringung nachfolgend beschriebener weiterer Leistungen bei der Bauüberwachung, im Einzelnen

(hier: Auflistung der vom Bauherrn erwarteten ergänzenden Leistungen, siehe z. B. obige Auflistung).

Wir gehen davon aus, dass bei ansonsten sachgemäßer Organisation der ausführenden Unternehmen mit einem Aufwand von ca. … Std. je Arbeitstag zu rechnen ist. Daraus ergibt sich ein ergänzendes Honorar in Höhe von ca. ... Euro je Woche der Bauüberwachung. Alternativ können wir die ergänzenden Leistungen auch in Form einer festen Wochen- oder Monatspauschale anbieten.

Wir empfehlen, die Beauftragung bis zum … vorzunehmen, damit eine terminsichere weitere Bearbeitung ermöglicht wird. Mit dieser Beauftragung wird der vorgesehene Fertigstellungstermin planerisch und organisatorisch in erforderlichem Maße unterstützt.

Davon unberührt ist die Sicherheitskoordination gemäß Baustellenverordnung, für die Sie bereits das Planungsbüro ... beauftragt haben. Für Ihre Rückfragen stehen wir gern zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Fazit | Der Begriff „Bauleiter“ ist veraltet. Daher sollten Sie in jeglicher Korrespondenz und allen Gesprächen die Begriffe verwenden, die die fachliche und rechtliche Bedeutung richtig widerspiegeln und den o. g. Regelwerken auch tatsächlich entsprechen. Damit werden Missverständnisse von vornherein vermieden.

AUSGABE: PBP 8/2022, S. 15 · ID: 48481567

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