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HonorargestaltungUnverschuldete Bauzeitverzögerung: So leiten Sie Lph 8-Zusatzhonorar her und setzen es durch

Abo-Inhalt30.06.20226635 Min. Lesedauer

| Sie können ein Zusatzhonorar für bauzeitverzögernden Mehraufwand in der Lph 8 auch durchsetzen, ohne sich vorher mit dem Bauherrn auf einen Abrechnungsmodus verständigt zu haben. Das ist seit der SiGeKo-Entscheidung des OLG Brandenburg (PBP 9/2021, Seite 4) leichter als bisher. PBP stellt Ihnen nachfolgend ein Ermittlungsverfahren vor, das für alle Parteien verständlich und nachvollziehbar ist. |

Der fachliche Hintergrund

Das Besondere an der Entscheidung des OLG war, dass der SiGeKo im konkreten Fall den Aufwand nicht anhand tatsächlich angefallener Kosten nachweisen musste, den er im Verzögerungszeitraum hatte. Das OLG hatte es akzeptiert, dass die ursprünglich vereinbarten Monatspauschalen auch als Basis für das Zusatzhonorar dienten, weil den Pauschalen schon grob geschätzte Personalaufwände (abhängig von Baufortschritt und Nähe zum Fertigstellungstermin) zugrunde lagen. Damit hat das OLG einer kalkulatorischen Herleitung zugestimmt. Eine solche Herangehensweise ist einfacher als der konkrete Nachweis zusätzlichen Aufwands (OLG Brandenburg, Urteil vom 16.06.2021, Az. 11 U 16/18, Abruf-Nr. 224122).

So gelingt die Anwendung im konkreten Fall

In der Bauüberwachung (und den 16 Teilleistungen der Grundleistung der Lph 8) ist der Aufwand nicht durchgehend der gleiche. Wollen Sie das kalkulatorische Rechnungsprinzip des OLG Brandenburg anwenden, sollten Sie deshalb zuvor zwischen Leistungen differenzieren, die

  • über die Lph 8 hinweg gleichbleibend anfallen und einen ähnlichen Aufwand erfordern, und
  • punktuellen Leistungen.

1. Schritt: Punktuell zu erbringende Leistungen herausnehmen

Leistungen, die in der Lph 8 nur punktuell zu erbringen sind, rechnen Sie also in einem ersten Schritt heraus. Die Tabelle zeigt das am Beispiel des Leistungsbilds Gebäude. Von den 16 Teilleistungen in der Lph 8 werden häufig acht nur punktuell erbracht. Bei ihnen fällt also kein verzögerungsbedingter Mehraufwand an.

Lph 8: Erfassung zeitabhängiger Leistungsanteile

Wert

gestreckt

  • a) Überwachen der Ausführung des Objektes auf Übereinstimmung mit der öffentlich-rechtlichen Genehmigung von ...

18,00 %

18,00 %

  • b) Überwachen der Ausführung von Tragwerken mit sehr geringen und geringen Planungsanforderungen auf Übereinstimmung mit ...

0,10 %

0,10 %

  • c) Koordinieren der an der Objektüberwachung fachlichen Beteiligten

1,50 %

1,50 %

  • d) Aufstellen, Fortschreiben und Überwachen eines Terminplans (Balkendiagramm)

1,60 %

1,60 %

  • e) Dokumentation des Bauablaufs (z. B. Bautagebuch)

0,75 %

0,75 %

  • f) Gemeinsames Aufmaß mit den ausführenden Unternehmen

1,00 %

  • d) Rechnungsprüfung einschl. Prüfen der Aufmaße der bauausführenden Unternehmen

3,75 %

  • h) Vergleich der Ergebnisse der Rechnungsprüfungen mit den Auftragssummen einschl. Nachträgen

0,25 %

0,25 %

  • i) Kostenkontrolle durch Überprüfen der Leistungsabrechnung der bauausführenden Unternehmen im Vergleich zu den Vertragspreisen

0,85 %

0,85 %

  • j) Kostenfeststellung z. B. nach DIN 276

1,0 %

  • k) Organisation der Abnahme der Bauleistungen unter Mitwirkung anderer an der Planung und Objektüberwachung fachlich Beteiligter, Feststellung von Mängeln, Abnahmeempfehlung für den Auftraggeber

1,5 %

  • l) Antrag auf öffentlich rechtliche Abnahmen und Teilnahme daran

0,10 %

  • m) Systematische Zusammenstellung der Dokumentation, zeichnerischen Darstellungen und rechnerischen Ergebnisse des Objekts

0,25 %

  • n) Übergabe des Objekts

0,25 %

  • o) Auflisten der Verjährungsfristen für Mängelansprüche

0,10 %

  • p) Überwachen der Beseitigung der bei der Abnahme festgestellten Mängel

1,00 %

1,00 %

Gesamt

32,00 %

24,05 %

Anteil verzögerter Leistungen

0,75

Unterm Strich ergibt sich Folgendes: Die Lph 8 wird im Leistungsbild Gebäude mit 32 Prozent am Gesamthonorar bewertet. Punktuelle Leistungen machen dort 7,95 Prozentpunkte aus. Für die Betrachtung der Verzögerung und die Berechnung der Verzögerungshonorars wird somit lediglich der mit 24,05 Prozent bewertete Leistungsanteil zugrunde gelegt (32,00 Prozent ./. 7,95 Prozent). Der Anteil verzögerter Leistungen am gesamten Leistungsbild der Lph 8 beträgt 75 Prozent.

Wichtig | Die dargestellte Differenzierung ist einzelfallbezogen vorzunehmen. Naturgemäß ist nicht bei allen Teilleistungen eine eindeutige Differenzierung zwischen punktuell und gleichbleibend durchlaufend möglich.

2. Schritt: Herleitung des verzögerungsbedingten Honorars

Im zweiten Schritt werden die verzögert erbrachten Leistungsanteile mittels der Verhältnisrechnung kalkuliert, die das OLG Brandenburg akzeptiert hat. Nehmen Sie in Begründung und Herleitung immer auf die OLG-Entscheidung Bezug; auch auf die fachlichen Grundlagen der Herleitung. Denn es ist wichtig, dem Auftraggeber die fachliche und rechtliche Basis der Herleitung und auch die jeweiligen Arbeitsschritte zu erläutern. Wichtig ist, dass mit der Differenzierung zwischen gestreckten Leistungen (annähernd gleichbleibender Aufwand) und lediglich verzögerten Leistungen differenziert wird.

Beispiel

Ein Projekt befindet sich im Leistungsbild Gebäude. Es hat anrechenbare Kosten von acht Mio. Euro und ist in die Honorarzone IV eingestuft. Ursprünglich war eine Bauzeit von 24 Monaten vereinbart. Bei sieben Monaten Verzögerung (abzüglich zwei Monate vereinbarter Karenzzeit) ergibt sich das in blau abgebildete Zusatzhonorar.

Soweit eine Zusatzbelastung durch hohe Kleinteiligkeit besteht, kann in Anlehnung an § 8 Abs. 3 HOAI ein entsprechender Zuschlag vereinbart werden. Dieser Zuschlag wird oft mit drei bis fünf Prozent des Zusatzhonorars bemessen und wäre ebenfalls Verhandlungsgegenstand.

Die fachlichen Abrechnungsvoraussetzungen schaffen

Um ein verzögerungsbedingtes Zusatzhonorar zu bewirken, müssen mindestens die folgende fachlichen Grundlagen erfüllt sein:

  • 1. Es muss ein zwischen Ihrem Planungsbüro und dem Auftraggeber vereinbarter Termin oder Terminplan für die Leistungserbringung vereinbart sein. Denn nur eine vorhandene terminliche Ausgangslage kann als Basis für eine (zu ermittelnde) Verzögerung der Leistungserbringung dienen.
  • 2. Die Verzögerung muss von Ihnen als Planer unverschuldet sein.
  • 3. Es sollte keine Vermengungen zwischen Verzögerungen und anderen Einflüssen (z. B. Planungsänderungen) vorliegen.
  • 4. Andere Leistungen – zusätzliche – Leistungen wie z. B. Interimsplanungen oder wiederholte Grundleistungen sollten gesondert vereinbart werden. Denn solche Sachnachträge sollten nicht auch noch (anteilig) in die Verzögerungszeiträume hineingerechnet werden. Nach der herrschenden Auffassung wären Sachnachträge und die damit zusammenhängenden zeitlichen Erfordernisse mit dem Honorar für den Sachnachtrag abgegolten.

Zu Voraussetzung 1: Terminplan

Erfahrungsgemäß stellt vor allem die Voraussetzung Eins eine hohe Hürde dar. Dabei können Sie die Terminpläne, die Sie im Rahmen der einzelnen Lph ohnehin erstellen, sehr effektiv als Basis für die Ausgangstermine (einvernehmliche Terminvereinbarung) heranziehen, und um einige Details ergänzen. Um eine Relationsrechnung nach OLG Brandenburg erstellen zu können, sollten sie deshalb mindestens die folgenden Punkte enthalten:

  • Fertigstellungstermine für die Lph 2, Lph 3 und Lph 4
  • Termine für die Beauftragung aller weiteren erforderlichen Planungs- und Beratungsleistungen durch den Auftraggeber
  • Termin für Einreichung der Genehmigungsanträge
  • Termine für Beginn der Lph 5, Lph 6 und Lph 7
  • Termin des Beginns der Bauarbeiten (mit Definition, welches Gewerk konkret gemeint ist)
  • Termine für Fertigstellung Tragwerk, Beginn Gebäudehülle (Fassade/Dach), Beginn Technische Anlagen
  • Termin für Beginn Endausbau/Oberflächen
  • Termin der bestimmungsgemäßen Inbetriebnahme

Kompletter Stillstand ist kalkulatorisch anders zu würdigen

Steht das Projekt ganz still, gelten andere kalkulatorischen Prinzipien. Dann sind Sie, im Gegensatz zur gestreckten Abwicklung, praktisch zum „Nichtstun“ gezwungen. In dieser Lage wird erwartet, dass Sie zunächst versuchen, das eigene Personal anderweitig zu beschäftigen, um den Schaden zu minimieren. Anderweitige Ersatzbeschäftigung gilt in der Regel nicht als schadenersatzfähig. Haben Sie keine Ersatzbeschäftigung, müssen Sie dem Auftraggeber das erzwungene „Nichtstun“ belegen.

So überzeugen Sie Auftraggeber

Vielfach wird die Frage gestellt, warum sich ein Auftraggeber auf dieses Modell einlassen sollte.

Diese Nachteile stehen im Raum

Die Antwort ergibt sich, indem Sie ihm erklären, was passiert, wenn er keine Vereinbarungen zum Umgang mit Verzögerungen trifft:

  • 1. Es droht eine ungeordnete Restabwicklung des Projekts. Der Auftraggeber kann das Projekt nicht mehr proaktiv steuern.
  • 2. Ursprüngliche Terminvereinbarungen sind nicht mehr relevant. Der Bauherr droht, eigene verzögerungsbedingte Anspruchsgrundlagen gegenüber Planern oder ausführenden Firmen zu verlieren, um steuernd einzugreifen.
  • 3. Ohne neue Terminvereinbarungen gibt es auch für die beteiligten Planer und ausführenden Firmen keine neuen Termine, die sie einhalten müssen.
  • 4. Planungsbüros wie ausführende Firmen verlegen ihre Aktivitäten in andere Projekte, bei denen konkrete Termin- und Vergütungsvereinbarungen zu den Verzögerungen getroffen worden sind. Der Bauherr wird nur noch nach dem vertraglichen bzw. gesetzlich geregelten Mindestmaß bedient.

Wichtig | Die Gesamtschau zeigt also, dass es auch für den Bauherrn sehr wichtig ist, die entsprechenden neuen Termin- und Vergütungsvereinbarungen möglichst zeitnah zu treffen. Achten Sie darauf, dass es mit einer reinen Terminvereinbarung nicht getan ist, sondern auch eine Vergütungsvereinbarung erfolgt. Hier ist Verhandlungsgeschick gefragt. Der Gesetzgeber stützt Sie bei projektbegleitenden Vereinbarungen mit der Regelung in § 650b: Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen sollen zusammen getroffen werden.

Auch Dienstvorschriften lassen Auftraggebern Handlungsspielraum

Öffentliche Auftraggeber beklagen gern, dass ihnen bei aktuellen Vertragsanpassungen (vor allem wegen Baustoffkosten und Terminverzögerungen) die Hände gebunden sind. Das trifft aber so nicht zu. Das Haushaltsrecht bietet solche Regelungen sehr wohl. Sie müssen nur angewendet werden.

Obwohl für Bundesbehörden, Landesbehörden und Kommunen unterschiedliches Haushaltsrecht gilt, gibt es in punkto Vertragsanpassung einen erstaunlichen Gleichklang. In der Bundeshaushaltsordnung (BHO), den jeweiligen Landehaushaltsordnungen (LHO) in § 58 und den zugehörigen Verwaltungsvorschriften (VV) zu § 58 ist jeweils Folgendes geregelt:

  • Verträge können auch dann geändert werden, wenn der Auftragnehmer (Sie) keinen verbindlichen Rechtsanspruch auf Änderung hat. Das ist bei den aktuellen Gemengelagen und hohen Kostenrisiken oft der Fall.
  • Die Vertragsanpassung steht nur unter dem Vorbehalt, dass sich die Situation für den Auftraggeber (im Verhältnis zur Nicht-Anpassung) nicht verschlechtert. Er soll keinen Nachteil erleiden. Das muss man unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls bewerten.

Der „Nachteil“-Begriff erlaubt es, nicht allein auf die wirtschaftliche Situation des Auftraggebers abstellen zu müssen, sondern in eine Abwägung der Vor- und Nachteile für die gesamte Baumaßnahme eintreten zu können. Ergibt diese Gesamtabwägung, dass eine Anpassung von Preisen

  • den termingerechten Fortgang der Baumaßnahme fördert,
  • Auseinandersetzungen an anderer Stelle vermeidet oder
  • Aufwand und Folgekosten (z. B. längere Interimsmaßnahmen) spart,

ist ggf. kein wirtschaftlicher Nachteil zu sehen. Eine Vertragsanpassung ist dann selbst dann möglich, ohne auf die Anspruchsgrundlage „Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB“ zurückgreifen zu müssen.

Fazit | Das Honorar bei verzögerter Baudurchführung kann nach der aktuellen Rechtsprechung kalkulatorisch hergeleitet werden, wenn o. g. Maßgaben eingehalten werden. Dazu gehört mindestens ein zwischen Planer und Auftraggeber vereinbarter Terminplan. Genauso wichtig ist es, dass Sie sofort die Initiative ergreifen, wenn sich Terminverzüge anbahnen. Erklären Sie dem Auftraggeber, welche Nachteile er haben kann, wenn er sich einer sachgerechten kurzfristigen Leistungs- und Vergütungsvereinbarung verschließt.

Weiterführender Hinweis
  • Beitrag „Paukenschlag: OLG Brandenburg bejaht Nachtrag wegen verlängerter Bauzeit ohne Förmelei“, PBP 9/2021, Seite 4 → Abruf-Nr. 47580739

AUSGABE: PBP 7/2022, S. 4 · ID: 48417573

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