FeedbackAbschluss-Umfrage

WerkvertragsrechtGründungsarbeiten und das Nachbargrundstück: So beraten Sie Auftraggeber optimal

Abo-Inhalt30.06.20226619 Min. Lesedauer

| Bei Gründungsarbeiten werden oft auch Belange der Nachbarschaft tangiert. Damit es nicht im laufenden Projekt plötzlich Probleme gibt, gilt es, proaktiv an die Sache heranzugehen und mögliche Beeinträchtigungen von vorneherein zu erkennen und mit den Nachbarn zu erörtern. Nur, was müssen Sie in dem Kontext an Beratungsleistungen erbringen? Mit diesen Fragen hat sich das OLG Braunschweig befasst. |

Die Entscheidung des OLG Braunschweig

Die Braunschweiger Richter haben sich stufenweise an die endgültige Entscheidung herangearbeitet, um letztlich folgende Dinge klarzustellen (OLG Braunschweig, Beschluss vom 03.02.2021, Az. 8 U 67/20, Abruf-Nr. 229731).

  • Die Untersuchung des Baugrunds und die insoweit erforderlichen statischen Berechnungen stellen üblicherweise Planungsleistungen dar und müssen der Bauausführung zugrunde gelegt werden. Sie fallen nicht in die Zuständigkeit des ausführenden Bauunternehmens.
  • Es ist nicht Sache des Bauunternehmens, die ihm vorgelegte Planung im Hinblick auf eine mögliche Gefährdung der Standsicherheit etwa über Nachbargebäude zu prüfen. Auch das muss vorher erfolgen.
  • Ein ausführender Unternehmer, der Arbeiten auf dem Grundstück des Nachbarn durchführt, ist nicht dafür zuständig, dem Nachbarn direkt etwaige Schäden an seinem Grundstück auszugleichen. Denn ein Werkvertrag über Gründungsarbeiten zwischen dem Grundstückseigentümer und den Bauunternehmer ist kein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten des betroffenen Nachbarn.

Folgen für das Tagesgeschäft im Planungsbüro

Diese Entscheidung hat weitreichende Folgen für Ihr Tagesgeschäft. Denn wenn schon das ausführende Unternehmen keine Zuständigkeiten und Haftungsrisiken gegenüber der Nachbarschaft hat, dann muss auch für das Planungsbüro eine entsprechende (vergleichbare) Sicherheit gelten. Weder das Bauunternehmen noch der Planer haben ohne ausdrückliche Beauftragung nachbarrechtliche Zuständigkeiten. Es macht auch wenig Sinn, nachbarrechtliche Zuständigkeiten (wie z. B. das Klären der Zulässigkeit solcher, die Nachbargrundstücke betreffenden Baukonstruktionen) per Ausschreibungsunterlagen einem Bauunternehmer zu übertragen.

Auch wenn der Auftraggeber nachbarrechtliche Fragen selbst (etwa mithilfe einer Rechtsberatung) klären und Entscheidungen hierüber rechtzeitig herbeiführen muss, treffen Sie Beratungspflichten. Haben Sie erste Erkenntnisse (in der Lph 2), dass durch vorgesehene Planungslösungen (wie z. B. die Rückverankerung einer an der Grenze angeordneten Bohrpfahlwand) nachbarrechtliche Belange betroffen sind, sollten Sie den Bauherrn sofort darauf hinweisen. Obwohl Sie die damit zusammenhängenden Rechtsfragen nicht bearbeiten können, ist es erforderlich, spätestens im Zuge der Lph 2 oder Lph 3 eine hinreichende Planungssicherheit zu erreichen. Es muss klar sein, welche Konstruktionen zulässig und möglich sind. Denn diese Erkenntnisse fließen auch (in entsprechender Tiefenschärfe) in die Kostenschätzung bzw. Kostenberechnung ein. Insoweit ist hier einerseits Ihre Beratungspflicht und andererseits die Mitwirkungspflicht des Auftraggebers gefragt.

Werden also nachbarrechtlich relevante Konstruktionen geplant, unberührt von der Frage, ob dies der Tragwerksplanung obliegt oder vom Objektplaner koordiniert und integriert wird, sollte vorher eine eindeutige nachbarrechtliche Klärung erfolgt sein. Nutzen Sie das folgende Musterberatungsschreiben und passen es an Ihren Fall an.

Musterschreiben / Auftraggeber-Beratung zur Klärung nachbarrechtlicher Belange

Betreff: Erweiterungsbau in ... hier: Nachbarrechtliche Belange

Sehr geehrte Damen und Herren,

im Zuge der Vorentwurfsplanung (Leistungsphase 2) ergibt sich die Frage, wie die Baugrube konstruktiv gesichert werden muss. Eine solche Konstruktion kann Auswirkungen auf die Nachbargrundstücke haben oder in das Nachbargrundstück hineinragen (mit Rückverankerungen unterhalb der Geländeoberfläche). Eine solche Rückverankerung (z. B. zur Sicherung einer Bohrpfahlwand) würde dauerhaft in das Nachbargrundstück eingreifen – und könnte die Rechte Ihres Nachbarn tangieren. Damit das Projekt reibungslos weitergeführt werden kann, bitten wir Sie, jetzt zu klären, ob der Nachbar die (dauerhaften oder nur temporären) Eingriffe dulden muss oder unter welchen Umständen er bereit ist, die Maßnahmen zu dulden.

In der Anlage erhalten Sie eine Skizze, die die derzeit erkennbaren Eingriffe in die Nachbargrundstücke (mit Höhenlage etwaiger Rückverankerungen) darstellt. Um Rechtssicherheit bei der weiteren Planungsvertiefung zu erhalten, ist es erforderlich, mit den Nachbarn die Sachen jetzt rechtlich zu klären. Auf die Beantwortung bzw. Klärung dieser Rechtsfragen sind wir als Planungsbüro nicht eingerichtet. Wir empfehlen Ihnen deshalb, entweder Ihre Rechtsabteilung oder eine externe Rechtsberatung damit zu beauftragen.

Zur weiteren technischen Beratung stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Sollten Sie weitere beratende Hinweise benötigen, sprechen Sie uns bitte an. Wir bitten Sie, Ihre Entscheidungen möglichst kurzfristig bis zum ... zu treffen, damit wir die vereinbarten Arbeitsschritte und damit zusammenhängenden Termine der Planungsvertiefung einhalten können. Denn eine Änderung aufgrund fehlender rechtlicher Klärungen könnte sowohl Terminverschiebungen (wegen erforderlicher Planungsänderungen) als auch – daraus folgend – Mehrkosten zur Folge haben.

Mit freundlichen Grüßen

Weiterführende Hinweise
  • Das Musterschreiben finden Sie zum Download auf pbp.iww.de → Abruf-Nr. 48420570
  • Beitrag „Nachbarrechtliche Fragen: So gehen Sie mit diesem sensiblen Thema optimal um“, PBP 3/2021, Seite 18 → Abruf-Nr. 47135300

AUSGABE: PBP 7/2022, S. 16 · ID: 48417346

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2022

Bildrechte