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Bauen im BestandBestandsschutz: So reagieren Sie auf aktuelle Rechtsprechung und gestiegene Haftungsrisiken
| Beim Bauen im Bestand stellt sich des Öfteren folgendes – auch von der Rechtsprechung aufgegriffenes – Szenario: Der Vorentwurfs- und Entwurfsplanung ist die bestehende Bausubstanz (so wie vorgefunden) zugrunde gelegt worden. Im Zuge der Bauantragsbearbeitung oder des Planfeststellungsverfahrens stellt sich aber heraus, dass der Bestandsschutz gar nicht so umfassend war wie angenommen. Nicht nur kosten- und zeitintensive Nachplanungen sind die Folge, sondern auch die Frage, wer dafür aufkommen muss. Reagieren Sie auf solche Fälle proaktiv und richtig. |
Typischer Fall vor dem OVG Nordrhein-Westfalen
In einem Fall, der dem OVG Nordrhein-Westfalen zur Entscheidung vorlag, ging es um einen Rohbau, der aufgrund einer Baugenehmigung von 2002 bis 2005 errichtet war und bis 2019 wegen fehlender Finanzierung unbearbeitet stand. Dann sollte das Projekt weitergeführt und realisiert werden. Das OVG entschied jedoch, dass der Rohbau keinen Bestandsschutz genießt. Es untersagte den Weiterbau.
Diese Frage nach der Rechtmäßigkeit bzw. des Bestandsschutzes war zu klären, weil die Gültigkeit der Baugenehmigung von 2002 bereits abgelaufen war. Ein weiterer Grund, die Genehmigung zum Weiterbau nicht zu erteilen, war, dass der Rohbau abweichend von der im Jahr 2002 erteilten Baugenehmigung errichtet worden war. Die Bauausführung des Rohbaus entsprach also nicht der damaligen Baugenehmigung und konnte insoweit auch keinen Bestandsschutz bewirken. Daher war auch an eine Verlängerung der im Jahre 2002 erteilten Baugenehmigung nicht zu denken (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30.11.2021, Az. 10 A 3273/20, Abruf-Nr. 229777).
Die Folgen für Ihre (Umbau-Planungen)
Die Entscheidung hat auch große Relevanz für Ihre Planungsleistungen. Bauen Sie mit Ihrer Umbauplanung auf einem ungenehmigten oder nach der Genehmigung nachträglich ohne Genehmigung veränderten Bauzustand auf, laufen Sie Gefahr, dass Ihre Planungslösung im Ergebnis nicht genehmigungsfähig ist, wenn Sie (zu Unrecht) eine vollständig genehmigte Altbausubstanz zugrunde gelegt haben. Die Folgen können sein, dass insoweit mit hoher Wahrscheinlichkeit eine mangelhafte Planung vorliegt und der gesamte Änderungsaufwand beim Planer liegt.
Fachliche Hinweise zum Bestandsschutz
Bestandsschutz genießen nur solche Bauwerke oder Teile davon, die der ursprünglichen Baugenehmigung (bei älteren Bestandsbauten kommen oft noch weitere Genehmigungen bei zwischenzeitlichen Umbauten hinzu) und dem öffentlichen Baurecht zum damaligen Zeitpunkt entsprechen. Genau darauf kommt es an. Da das damalige Baurecht in vielen Punkten großzügiger war, kann der Bestandsschutz hilfreich sein, weil die bestehende Bausubstanz dann aktuelle Neubaustandards nicht in allen Einzelheiten erreichen muss.
Alle Leistungsbilder sind von der Frage des Bestandsschutzes betroffen
Grundsätzlich treffen die Hinweise zum Bestandsschutz alle Leistungsbilder. Am häufigsten ist der Objektplaner gefragt. Er kann als fachtechnischer Koordinator der weiteren Planungsbeteiligten agieren. Daher sollte dieses Thema auch Bestandteil der Beratung zum gesamten Leistungsbedarf sein.
Beispiel |
Ein alter Aufzug in einem Gründerzeitdenkmal kann Bestandsschutz genießen. Dann muss er nicht ausgetauscht werden. Den Anforderungen der Behörde kann Genüge getan sein, wenn er in bestimmten Teilen modernisiert wird. |
Wichtig | Immer dann, wenn Sie Ihren Planungslösungen vorhandene Bausubstanz zugrunde legen und diese in die neue Planungslösung (auch teilweise) integrieren, müssen Sie wissen, ob die zu integrierende Bausubstanz (egal ob Rohbauskelett oder kompletter Bestandsbau) Bestandsschutz genießt. Auch zwischenzeitliche Veränderungen am Altbau (ohne Genehmigung) können den Bestandsschutz zunichte machen. Beachten Sie, dass in den zurückliegenden Jahrzehnten die Regelungen zu genehmigungsfreien Maßnahmen an Bestandsbauten inhaltlich erheblich verschärft worden sind.
Sich das Projekt- und Haftungsrisiko bewusst machen
Stellt sich allerdings später (etwa im Rahmen der Erteilung der Baugenehmigung) heraus, dass für bestimmte Teile kein Bestandsschutz besteht, und deshalb Planungsänderungen einschl. Neueinreichung des Bauantrags anstehen (oder einige „illegale“ Bauteile entfernt werden müssen), kann es Ärger geben und Mangelvorwürfe hageln. Hier geht es dann nicht nur um Verzögerungen des Projekts. Es geht auch um die Frage, warum die damit zusammenhängenden – teils nicht unerheblichen – Mehrkosten nicht bereits in der Lph 2 erkannt und in der Kostenschätzung gewürdigt worden waren. Denn die Kostenschätzung soll dem Auftraggeber als Entscheidung über die weitere Planungsvertiefung dienen.
Mit diesen Maßnahmen mindern Sie das Haftungsrisiko
Lassen Sie es nicht so weit kommen. Erklären Sie Ihrem Auftraggeber schon in der Lph 1, dass Sie von ihm alle, die vorhandene Gebäudesubstanz betreffenden Baugenehmigungen bekommen müssen. Und zwar auch solche, die weit zurückliegende Umbauten bzw. Nutzungsänderungen betreffen – inkl. der Anlagen dazu (z. B. genehmigte Zeichnungen). Nur auf dieser Grundlage können Sie beurteilen, welche Altbausubstanz genehmigt ist und von Ihnen bei der jetzigen Planung als verlässliche Planungsbasis gewürdigt werden kann – und wo Rückfragen bei der Genehmigungsbehörde erforderlich sind.
Beharrlichkeit ist wichtig – es geht um Planungsgrundlagen
Oft ist es so, dass dem Bauherrn diese Genehmigungsunterlagen selbst nicht vorliegen. D. h. aber nicht, dass man sich den Rechercheaufwand dann sparen kann. Fehlen also Unterlagen, können diese in den meisten Fällen bei den Bauordnungsämtern angefragt werden. Im Regelfall kostet das Heraussuchen zwar Geld und Aufwand. An dieser Investition geht aber kein Weg vorbei.
Lph 1 und Besondere Leistungen sind entscheidend
Die Klärung dieser wichtigen Planungsgrundlage, nämlich der Legalität der vorhandenen Altbausubstanz, gehört terminlich in die Lph 1. Fast immer sind damit erforderliche Leistungen verbunden, die nicht in den Grundleistungen enthalten sind. Im Leistungsbild Gebäude sind das z. B. das Beschaffen von Unterlagen, die für das Vorhaben erheblich sind (Lph 1) und die Bestandsaufnahme oder technische Substanzerkundung.
Praxistipp | Weisen Sie den Auftraggeber im Rahmen der Grundleistung „Beratung zum gesamten Leistungs- und Untersuchungsbedarf“ auf diese Besondere Leistung hin. Entweder Sie treffen mit dem Bauherrn dazu eine gesonderte Leistungs- und Vergütungsvereinbarung. Oder Sie vereinbaren, dass er diese Unterlagen selbst besorgt. Die gesetzliche Grundlage für diese Beratungsleistung ist § 650p BGB zu entnehmen. Das Honorar für diese Besondere Leistung ist sehr gut angelegt. Nutzen Sie dazu auch folgendes Beratungsschreiben. |
Musterschreiben / Ermittlung des Bestandsschutzes der Altbausubstanz |
Betreff: Um- und Erweiterungsbau der Schule in ... Sehr geehrte Damen und Herren, vielen Dank für den erteilten Planungsauftrag. Im Zuge der Vorbereitungen der Vorentwurfsplanung ist uns aufgefallen, dass aus den uns übergebenen Unterlagen des bestehenden Bauwerks nicht mit hinreichender Sicherheit ersichtlich ist, ob das Objekt in all seinen Einzelheiten Bestandsschutz genießt. Ob es also so wie bestehend, genehmigt ist. Aus den übergebenen Unterlagen ist auch nicht ersichtlich, ob und inwieweit teilweise lange zurückliegende Nutzungsänderungen in Teilbereichen und Teilumbauten damals von der Bauordnungsbehörde genehmigt worden sind. War das nicht der Fall, müssten wir das im Zuge unserer Vorentwurfsplanung wissen und entsprechende Maßnahmen ergreifen, damit keine Genehmigungsfragen offenbleiben. Sollte sich ergeben, dass einzelne Bauteile nicht genehmigt sind oder nicht genehmigungskonform genutzt werden, ist vor Beginn der Vorentwurfsplanung eine Abstimmung mit der Genehmigungsbehörde erforderlich. Denn es muss geklärt werden, ob diese Bestandsbausubstanz als Planungsgrundlage geeignet ist und – wenn nein – mit welchen Maßnahmen eine Eignung erreicht werden kann. Die Klärung dieser offenen Fragen zum Bestandsschutz bzw. zur Rechtmäßigkeit der vorhandenen Altbausubstanz ist nicht als Leistung in unserem Planungsvertrag vereinbart. Es handelt sich nicht um eine Grundleistung. Wir können Ihnen anbieten, die entsprechenden Rechercheleistungen zu erbringen. Die Erbringung wäre in Form eines Zeithonorars möglich (siehe z. B. Anlage 10 zur HOAI, Leistungsphase 1, Besondere Leistungen). Denkbar ist es aber auch, dass Sie diese Unterlagen insgesamt besorgen oder beim zuständigen Bauamt anfragen. Ihrer Antwort sehen wir gern entgegen. Wollen Sie, dass wir die Rechercheleistungen erbringen, bitten wir bereits jetzt um kurzfristige Beauftragung. Wir würden Ihnen umgehend ein entsprechendes Angebot unterbreiten. Da es sich um eine zentrale Grundlage für die Planungstätigkeit handelt, halten wir eine kurzfristige Entscheidung bis zum ... für erforderlich, damit die vereinbarten Planungs- und anschließenden Ausführungstermine eingehalten werden können. Mit freundlichen Grüßen |
- Das Musterschreiben finden Sie zum Download und individuellem Zuschnitt auf pbp.iww.de → Abruf-Nr. 48426602
- Beitrag „Baugenehmigung: Kein Bestandsschutz für Planungsinhalte“ PBP 4/2021, Seite 3 → Abruf-Nr. 47280327
AUSGABE: PBP 7/2022, S. 13 · ID: 48418683