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BerufsrechtKeine Belehrung über mangelnde Erfolgsaussicht

Abo-Inhalt12.03.20254 Min. Lesedauer

| Die Versicherungswirtschaft wird hinsichtlich ihrer Deckungsleistungen kritischer und tritt zunehmend in Regressprüfungen ein. Vordergründig wird also zunächst der Anspruch gegen den eigenen Versicherungsnehmer befriedigt, um dann im Rahmen übergegangener Ansprüche die Rückforderung zu prüfen. Diese zunächst im Gesundheitsbereich anzutreffende Tendenz zeigt sich nun auch bei der Rechtsberatung. Es kann mithin auch Rechtsanwälte treffen, wie ein Fall des AG München zeigt. |

Sachverhalt

Der Beklagte war als Rechtsanwalt beauftragt, mögliche Ansprüche des rechtsschutzversicherten Mandanten im Rahmen des Diesel-Abgasskandals geltend zu machen. Die Klägerin ist dessen Rechtsschutzversicherin. Sie machte eine Schadenersatzforderung aus übergegangenem Recht geltend.

Im Jahr 2015 hatte der Mandant ein Dieselfahrzeug erworben. Der Beklagte warb im Internet damit, diesbezüglich Schadenersatzansprüche gegen die Herstellerin erfolgreich durchsetzen zu können. Das veranlasste den Mandanten, den Beklagten hiermit zu beauftragen. Dieser ließ sich eine Deckungszusage für außergerichtliche Tätigkeit erteilen. Die Tätigkeit verlief erfolglos und endete mit der Kostentragungspflicht des Mandanten.

Die Rechtsschutzversicherung stellte den Mandanten durch Zahlung von 992,14 EUR gegenüber dem Rechtsanwalt frei. Nun forderte sie aus übergegangenem Recht die Rückzahlung des Betrags abzüglich des Anteils an einer Beratungsgebühr. Da der Autohersteller auf außergerichtliche Aufforderungsschreiben hin noch niemals eine Zahlung geleistet und immer ablehnend reagiert habe, sei eine außergerichtliche Tätigkeit von vorneherein aussichtslos gewesen. Hierüber habe der Rechtsanwalt den Mandanten belehren müssen. Dieser hätte sich dann beratungskonform verhalten und sofort Klageauftrag erteilt.

Entscheidungsgründe

Das AG München hat den Rechtsanwalt antragsgemäß verurteilt und ist der Argumentation des Rechtsschutzversicherers gefolgt.

Leitsatz: AG München 22.4.24, 213 C 24199/23

Klärt der Rechtsanwalt den Mandanten über die öffentlich geäußerte Zahlungsunwilligkeit des Gegners nicht auf, die eine erfolgreiche vorgerichtliche Anspruchsverfolgung außer jeder Wahrscheinlichkeit erscheinen lässt, macht er sich schadensersatzpflichtig und hat dem Rechtsschutzversicherer die nutzlos aufgewandten vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten zu erstatten (Abruf-Nr. 246437).

Das AG lässt offen, ob vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren überhaupt angefallen sind, da schon der Auftrag nicht hinreichend dargelegt sei. Allerdings stehe dem Mandanten ein Schadenersatzanspruch wegen Falschberatung zu, der nach § 86 VVG auf den Rechtsschutzversicherer übergegangen sei.

Beachten Sie | Steht dem Versicherungsnehmer ein Ersatzanspruch gegen einen Dritten zu, geht dieser Anspruch nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG auf den Versicherer über, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt. Die Zahlung des Rechtsschutzversicherers darf also nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein Regress noch geltend gemacht werden kann. Erst durch die Zahlung.

Das AG folgt der Ansicht des Versicherers, dass ab dem Zeitpunkt der Herausgabe der Pressemitteilung der Volkswagen AG vom 12.9.18, wonach der Konzern keine Grundlage für die Ansprüche sieht, mit einem Erfolg eines außergerichtlichen Tätigwerdens nicht mehr gerechnet werden konnte. Es war daher sinnlos, ein allgemein gehaltenes Schreiben zu versenden, in dem nicht einmal ein konkreter Betrag, sondern das Anerkenntnis einer Schadenersatzpflicht dem Grunde nach gefordert wurde. Dass die Volkswagen AG ein solches Anerkenntnis abgeben würde, lag zu dem Zeitpunkt nach Ansicht des AG außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit. Was der Rechtsanwalt dagegen einwandte, wies das AG zurück, weil in allen zitierten Entscheidungen die mangelnde Zahlungsunwilligkeit von VW nicht thematisiert worden sei.

Der Anwalt hatte nicht bestritten, über die (mangelnden) Erfolgsaussichten nicht beraten zu haben, sodass der Vortrag der Versicherung, die Frage der Erfolgsaussicht sei kein Gegenstand der Beratung gewesen, als unstreitig galt, § 138 Abs. 3 ZPO. Ebenso wenig wurde bestritten, dass der Mandant den Auftrag bei zutreffender Beratung nicht erteilt hätte. Der Beklagte hätte den Mandanten nach Ansicht des AG auf den eingenommenen Standpunkt der Volkswagen AG hinweisen und von der vorgerichtlichen Tätigkeit abraten müssen. Dass der Mandant von einer entsprechenden Auftragserteilung dann abgesehen hätte, ist wahrscheinlich, weil er auch darauf hingewiesen hätte werden müssen, eine trotz Aussichtslosigkeit gewünschte anwaltliche Tätigkeit ggf. selbst finanzieren zu müssen, mangels „Erforderlichkeit“ i. S. d. § 125 VVG. Am notwendigen Verschulden, zumindest in Form einfacher Fahrlässigkeit, hatte das AG keinen Zweifel. Der Anwalt musste um den Standpunkt von VW wissen.

Beachten Sie | Dass der Mandant eine Rechtsschutzversicherung unterhält, damit diese ihm das Risiko wirtschaftlich abnimmt, bleibt unerheblich, weil diese erst auf der sekundären Ebene – der Schadensbeseitigung – zum Zuge kommt und der Mandant dafür Versicherungsbeiträge zahlt. Die Inanspruchnahme der Versicherung trägt nämlich auch das Risiko in sich, dass das Versicherungsverhältnis gekündigt oder der Deckungsschutz verweigert wird, wenn eine Rechtsverfolgung mutwillig und mit mangelnder Erfolgsaussicht erfolgt.

Relevanz für die Praxis

Gerade bei den sog. Massenverfahren, bei denen oft nicht einmal ein persönlicher Kontakt zwischen Rechtsanwalt und Mandant besteht, ist die Gefahr groß, dass vorgerichtliche „Mitnahmeeffekte“ nicht tragen.

Der Höhe nach ist zu berücksichtigen, dass eine denkbare Beratungsgebühr nach § 34 Abs. 2 RVG voll anzurechnen gewesen wäre. Insoweit hätte diese dem Anwalt nicht belassen werden dürfen. Auch die vorgerichtliche Geschäftsgebühr wäre auf die spätere Verfahrensgebühr des gerichtlichen Erkenntnisverfahrens zur Hälfte nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG anzurechnen gewesen, sodass der Schaden nur in Höhe der Hälfte der Geschäftsgebühr besteht. Das muss im Einzelfall mithin präzise geprüft werden.

AUSGABE: FMP 3/2025, S. 47 · ID: 50314174

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