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Liebe Kolleginnen und Kollegen,
mit dem Beschluss des BGH vom 31.7.24 (XII ZB 147/24) legt der XII. Zivilsenat erneut wichtige Wegweiser zum Adoptionsrecht und den Beteiligungsrechten potenzieller leiblicher Väter fest. Diese Entscheidung stärkt die verfassungsrechtlichen Interessen möglicher leiblicher Väter und schärft die Anforderungen an die Verfahrensführung durch das Familiengericht.
Die Ehefrau einer Kindsmutter wollte deren vierjähriges Kind adoptieren. Das Kind war mithilfe einer „privaten“ Samenspende gezeugt worden. Zwar bestand Kontakt zum leiblichen Vater V. Dessen Zustimmung zur Adoption wurde nicht vorgelegt, nur ein Chatverlauf. Die Ehefrauen beriefen sich darauf, dass der V nicht benannt werden wolle und man dies respektieren würde, insbesondere um eine spätere Kontaktaufnahme zum Kind nicht zu gefährden.
Der BGH bestätigt das grundrechtlich geschützte Interesse eines möglichen leiblichen Vaters, am Adoptionsverfahren beteiligt zu werden. Dieses Beteiligungsrecht soll ihm ermöglichen, seine rechtliche Vaterstellung einzunehmen. Das Familiengericht muss daher den möglichen leiblichen Vater über das Adoptionsverfahren informieren und ihm die Chance zur Beteiligung geben – ein Schutzmechanismus, der eine umfassendere Prüfung der familiären Bindungen sicherstellt. Eine Benachrichtigungspflicht entfällt nur in klar definierten Ausnahmefällen, insbesondere wenn der Vater sein Interesse an einer rechtlichen Vaterschaft ausdrücklich und glaubhaft aufgibt oder unter den speziellen Voraussetzungen des § 1747 Abs. 4 BGB, wenn er dauerhaft außerstande ist, eine Erklärung abzugeben, oder sein Aufenthalt unbekannt ist.
Der Beschluss setzt Maßstäbe dafür, Erklärungen und Indizien über die Einwilligung des biologischen Vaters zu handhaben. Die Erklärung der Annehmenden oder der Kindsmutter, dass der leibliche Vater kein Interesse an der Vaterschaft habe und der Adoption zustimme, entbindet das Gericht nicht von der Benachrichtigungspflicht. Es muss die Authentizität und Zuverlässigkeit solcher Angaben sorgfältig prüfen, um sicherzustellen, dass der potenzielle Vater von seinen Rechten weiß und ggf. auf eine Beteiligung verzichten kann. Die Vorlage eines nicht authentifizierbaren Chatverlaufs reicht dafür nicht aus.
Diese Entscheidung betont das Kindeswohl und sorgt dafür, dass die Rechte aller Beteiligten gewahrt bleiben. Vor dem Hintergrund des wachsenden Interesses an der Aufklärung familiärer Bindungen durch private Samenspenden leistet der Beschluss des BGH einen wertvollen Beitrag zu einer umfassenden rechtlichen Absicherung und stärkt das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung. Das nun vermutlich nicht mehr in Kraft tretende Reformvorhaben zum Abstammungsrecht hatte eine vergleichbare Tendenz: Auch hier sollte der Schutz der sozialen Familie mehr hinter dem Interesse des leiblichen Vaters zurücktreten. Man darf auf die zukünftige Entwicklung gespannt sein.
Zutreffend gilt auch hier:
„Man sollte nicht nur den Baum sehen, sondern den ganzen Wald.“
Ihre
Judith Krämer
AUSGABE: FK 12/2024, S. 2 · ID: 50229835