FeedbackAbschluss-Umfrage

EhegattenunterhaltEheliche Solidarität: Das sind Konsequenzen bei Verstößen, wenn ein neuer Partner im Spiel ist

Abo-Inhalt18.11.20241986 Min. LesedauerVon RAin Thurid Neumann, FAin Familienrecht, Mediatorin, Neumann & Neumann, Konstanz

| Die eheliche Solidarität spielt eine zentrale Rolle im Unterhaltsrecht. Bei Verstößen dagegen ermöglicht § 1579 BGB, grob widersprechende Ergebnisse im Unterhaltsrecht zu vermeiden. Der Beitrag zeigt die Verwirkungsgründe auf und erläutert, in welchem Verhältnis § 1579 Nr. 2 und 7 BGB zueinander stehen. |

1. Billigkeitsabwägung gem. § 1579 BGB

Die Ehegatten tragen füreinander Verantwortung, § 1353 Abs. 1 S. 2, 2. Hs. BGB. Die im Unterhalts- und Güterrecht geregelten Ansprüche sind Folgen der eherechtlich einforderbaren Solidarität unter Eheleuten (Grüneberg/Siede, BGB, 83. Aufl., § 1353 Rn. 3). Wenn ein Ehegatte Trennungs- bzw. Nachscheidungsunterhalt fordert, kann der andere verlangen, dass dieser versagt, gekürzt oder befristet wird, wenn der Fordernde selbst unsolidarisch ist, § 1579 BGB (sog. Gegenseitigkeitsprinzip). Nrn. 1 bis 7 BGB enthalten Härtegründe, die es grob unbillig erscheinen lassen, den Unterhaltsschuldner in Anspruch zu nehmen. § 1579 Nr. 8 BGB ist ein verschuldensunabhängiger Auffangtatbestand, unter den alle ebenso schwerwiegende Gründe wie in den Nr. 1 bis 7 fallen.

Ehe

eheliche Solidarität

Unterhaltsansprüche / Unterhaltspflichten

Recht auf Trennung:

Zerrüttungsprinzip statt Verschuldensprinzip

Gegenseitigkeit

Härtefälle:

§ 1579 BGB

Nr. 1

Nr. 2

Nr. 3

Nr. 4

Nr. 5

Nr. 6

Nr. 7

Nr. 8

kurze Ehe

verfestigte Lebens-gemeinschaft

Verbrechen schweres vorsätzliches Vergehen

mutwillige Herbeiführung der Bedürftigkeit

mutwillige Hinwegsetzung über schwerwiegende Vermögensinteressen des Verpflichteten

Verletzung der Verpflichtung zur Zahlung von Familienunterhalt

offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten gegen den Verpflichteten

sonstiger Grund

§ 1579 Nr. 2 bis 8 BGB gilt gem. § 1361 Abs. 3 BGB beim Trennungsunterhalt entsprechend.

2. Verwirkungsgründe des § 1579 BGB

§ 1579 BGB enthält folgende Verwirkungsgründe (außer Nr. 2 und Nr. 7):

a) Kurze Ehe (Nr. 1)

Die Ehedauer ist die Zeit ab Eheschließung bis zur Rechtshängigkeit des Ehescheidungsantrags (BGH FamRZ 11, 791). Eine kurze Ehe liegt i. d. R. bei einer Ehedauer von zwei bis drei Jahren vor (BGH FamRZ 99, 710). Entscheidend ist die wirtschaftliche Verflechtung und somit Abhängigkeit des unterhaltsberechtigten Ehegatten, sodass auch bei einer Ehedauer von bis zu fünf Jahren noch eine kurze Ehe vorliegen kann (BGH FamRZ 95, 1405).

Betreut der unterhaltsberechtige Ehegatte Kinder, ist eine umfassende Billigkeitsabwägung vorzunehmen, ob es auch unter Wahrung der Kindesbelange grob unbillig wäre, wenn der Unterhaltsverpflichtete Unterhalt zahlt (OLG Celle FamRZ 06, 553).

Merke | Die Zeit der Kinderbetreuung ist dabei nicht der Ehedauer hinzuzurechnen (Grüneberg/von Pückler, a. a. O., § 1579 Rn. 8). Künftige Betreuungszeiten sind aber im Rahmen der Billigkeitsabwägung zu berücksichtigen.

b) Schwere Straftat (Verbrechen und schwere vorsätzliche Vergehen, Nr. 3)

Der Tatbestand setzt schuldhaftes Verhalten voraus, wobei verminderte Schuldfähigkeit reicht. Beispiele:

Merke | Beleidigungen erfüllen den Tatbestand grundsätzlich nicht (Grüneberg/von Pückler, BGB, 83. Aufl., § 1579 Rn. 18); vgl. bei erheblichen Folgen (BGH NJW 82, 100).

  • Betrugsfälle
    • Verfahrensbetrug: bewusstes Verschweigen oder Leugnen von Einkünften (OLG Oldenburg FamRZ 18, 680)
    • Verschweigen des Ausbildungsabbruchs (BGH FamRZ 90, 1095)
    • Verschweigen des Beginns der Rente (OLG Schleswig FamRZ 00, 1367)
    • falsche Darstellung der eigenen Einkunftshöhe (BGH FamRZ 07, 1532)
    • Leugnen einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft (OLG Koblenz FamRZ 00, 605)
  • Verleumdung: Vorwurf des sexuellen Kindesmissbrauchs
  • Nötigung (KG FamRZ 92, 571)
  • Diebstahl (OLG Hamm FamRZ 94, 168).

c) Mutwillig herbeigeführte Bedürftigkeit (Nr. 4)

Voraussetzung für eine mutwillig herbeigeführte Bedürftigkeit ist eine unterhaltsbezogene Mutwilligkeit (BGH FamRZ 88, 375): Mutwillig ist ein vorsätzliches oder bewusst fahrlässiges Verhalten im Bewusstsein, sich dadurch bedürftig zu machen (sog. leichtfertiges Herbeiführen). Beispiele:

  • Unterlassen einer gebotenen Heilbehandlung, sofern die Unterlassung der Behandlung nicht auf der Krankheit selbst beruht (OLG Bamberg FamRZ 98, 370);
  • Unterlassen einer als notwendig anerkannten, Erfolg versprechenden Ausbildungsmaßnahme für eine angemessene Erwerbstätigkeit (BGH FamRZ 91, 445);
  • zweckwidrige Verwendung des Vorsorgeunterhalts (Teilverwirkung i. H. d. niedrigeren Rente) oder
  • Verschleudern des Zugewinns zwischen Scheidungs- und Zugewinnausgleichsverfahren und Entscheidung darüber (Hamm FamRZ 07, 1889).

d) Verletzung der Vermögensinteressen des Verpflichteten (Nr. 5)

Nr. 5 setzt erhebliche Verstöße gegen die eheliche Loyalität voraus, indem der eine Ehegatte

  • den anderen z. B. beim Arbeitgeber anschwärzt und dadurch dessen Arbeitsplatz gefährdet,
  • unberechtigt eine Anzeige gegenüber (Strafverfolgungs-)Behörden erstattet oder
  • Vermögensstraftaten gegen den Verpflichteten verübt.

e) Gröbliche Verletzung der Unterhaltspflicht vor der Trennung (Nr. 6)

Ein Ehegatte verletzt seine Obliegenheit, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich, wenn er für eine längere Zeit (d. h. nicht nur gelegentlich, so Grüneberg/von Pückler, a. a. O., Rn. 27)

  • die Haushaltsführung und Kindeserziehung vernachlässigt oder
  • eine Erwerbstätigkeit bei fehlender Beteiligung an Haushaltsführung und Kindererziehung unterlässt (OLG Düsseldorf FamRZ 19, 1134).

f) Ebenso schwerer anderer Grund (Nr. 8)

Bei Nr. 8 handelt es sich um einen verschuldensunabhängigen Auffangtatbestand, der aber dem Gewicht der Nrn. 1 bis 7 entspricht (Grüneberg/von Pückler, a. a. O., Rn. 37). Die Grenze des Zumutbaren für den Unterhaltspflichtigen muss in unerträglicher Weise überschritten sein (Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls), z. B.

  • Nr. 3 schied nur mangels Schuldfähigkeit aus oder
  • Ehegatten haben nur wenige Monate zusammengelebt, obwohl die Ehe nicht von kurzer Dauer war (BGH FamRZ 88, 930).

3. Verhältnis von § 1579 Nr. 2 und Nr. 7 BGB

a) Verwirkungsgrund der verfestigten Lebensgemeinschaft

Gem. § 1579 Nr. 2 BGB ist der Unterhaltsanspruch zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, wenn der Berechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt. Hierfür reicht es nicht aus, dass er sich einem neuen Partner zugewandt hat. Es müssen vielmehr objektive Umstände vorliegen, die eine fortwirkende Unterhaltslast des Verpflichteten als unzumutbar erscheinen lassen, auch wenn die Belange des Berechtigten gewahrt sind. Solche objektiven Umstände können sein

  • ein über einen längeren Zeitraum hinweg geführter gemeinsamer Haushalt
  • das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit oder
  • die Dauer der Verbindung.

Unter solchen Umständen liegt es nahe, dass sich der Unterhaltsberechtigte endgültig aus der ehelichen Solidarität herausgelöst hat (OLG Düsseldorf FamRZ 22, 1611). Es wird nicht ein vorwerfbares Fehlverhalten von ihm sanktioniert. Vielmehr sollen die Gegebenheiten bzw. Veränderungen in dessen Lebensverhältnissen angemessen erfasst werden, die eine dauerhafte Unterhaltsleistung unzumutbar erscheinen lassen (OLG Düsseldorf, a. a. O.).

Eine verfestigte Lebensgemeinschaft liegt i. d. R. erst nach zwei bis drei Jahren vor (BGH FamRZ 11, 1498). Sie kann aber schon früher angenommen werden, wenn es eine gemeinsame Lebensplanung gibt, z. B. durch den Erwerb eines gemeinsamen Familienheims (BGH FamRZ 11, 1498), gemeinsam eine Wohnung angemietet oder ein gemeinsames Kind geboren wird (Grüneberg/von Pückler, a. a. O., § 1579 Rn. 12).

Bei der Dauer der Lebensgemeinschaft kommt es nicht darauf an, ob und seit wann der Berechtigte und sein Partner zusammenleben. Entscheidend ist vielmehr deren Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit (BGH FamRZ 11, 1498; 02, 810; KG FamRZ 17, 202). Hierfür gibt es folgende Kriterien: Auftreten als Paar in der Öffentlichkeit, gemeinsame Freizeitgestaltung, gemeinsame Urlaube, gemeinsame Besuche von Familienfeiern, gemeinsames Verbringen von Fest- und Geburtstagen (Grüneberg/von Pückler a. a. O., § 1579 Rn. 12). Keine Verfestigung liegt vor, wenn der Berechtigte und sein neuer Partner bewusst auf Distanz leben und sich lediglich wechselseitig besuchen (BGH FamRZ 02, 23).

Verfestigte Lebensgemeinschaft

2-3 Jahre Beziehung

oder

besondere Umstände

räumliches Zusammenleben

oder

Erscheinungsbild in Öffentlichkeit

b) Verwirkungsgrund des schwerwiegenden Fehlverhaltens

§ 1579 Nr. 7 BGB erfordert einen Verstoß gegen die eheliche Solidarität und den Grundsatz der Gegenseitigkeit. Hierzu zählen vor allem Verstöße gegen die Treuepflicht. Da die Treuepflicht spätestens mit der Ehescheidung endet, spielt dieser Härtegrund somit nur beim Trennungsunterhalt eine Rolle. Hat der Unterhaltsschuldner nach der Trennung noch keine Scheidungsabsichten geäußert und sich selbst noch keinem neuen Partner zugewandt, besteht die Treuepflicht auch nach der Trennung noch fort.

Treuepflicht

bis zur Trennung

zwischen Trennung

und Ehescheidung

ab Ehescheidung

ja

ja, solange Unterhaltsschuldner selbst keinen neuen Partner hat und auch keine Scheidungs- absicht geäußert hat

nein

Der Unterhaltsanspruch richtet sich allein nach den Lebens-, Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten, ohne dass es auf die Gründe der Trennung ankommt. Ein Härtegrund gem. § 1579 Nr. 7 BGB ist jedoch anzunehmen, wenn sich der Unterhaltsberechtigte widersprüchlich verhält, er sich von der ehelichen Bindung löst, aber die eheliche Solidarität durch ein Unterhaltsbegehren einfordert. Der Unterhaltsberechtigte muss eine eheähnliche Gemeinschaft mit einem anderen Partner bilden oder mit diesem ein nachhaltiges, auf längere Dauer angelegtes intimes Verhältnis führen (BGH FamRZ 11, 791).

Merke | Dabei kommt es nicht auf die Dauer der Beziehung und/oder deren Verfestigung wie bei § 1579 Nr. 2 BGB an (Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Aufl., § 4 Rn. 1347).

§ 1579 Nr. 2 BGB

§ 1579 Nr. 7 BGB

verfestigte Beziehung

Verstoß gegen Treuepflicht

auch ohne Treueverstoß

auch ohne verfestigte Beziehung

Hat der Berechtigte die Beziehung jedoch erst aufgenommen, nachdem der Verpflichtete sich seinerseits von ihm abgewandt hatte, ist § 1579 Nr. 7 BGB nicht gegeben. Handelt es sich beim Treuebruch um einen einmaligen Vorfall, liegen die Voraussetzungen des § 1579 Nr. 7 BGB i. d. R. auch nicht vor. Entscheidend ist in diesem Fall, ob das Verhalten des Berechtigten für das Scheitern der Ehe ursächlich war. Aber auch bei Aufnahme von intimen Beziehungen zu wechselnden Partnern während der Ehe liegt ein einseitiges schwerwiegendes Verhalten des Berechtigten vor, da auch hierin die Abkehr von der ehelichen Solidarität zu sehen ist, die im Widerspruch zur Forderung von Unterhalt aufgrund ehelicher Solidarität beruht (Wendl/Dose, Das Familienrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Auflage, § 4, Rn. 1349).

Verstoß gegen Treuepflicht

Aufnahme einer eheähnlichen Gemeinschaft

Aufnahme eines auf Dauer angelegten intimen Verhältnisses

wechselnde Partner

einmaliger Treuebruch: Ursache für das Scheitern der Ehe

Praxistipp | Oft wird Verwirkung erst angenommen, wenn der Unterhaltsberechtigte seit zwei bis drei Jahren mit seinem Partner zusammenlebt. Der Anwalt des Unterhaltspflichtigen sollte daher das Auftreten des Berechtigten mit seinem Partner in der Öffentlichkeit und besondere Umstände, die auf eine frühere Verflechtung der wirtschaftlichen und/oder familiären Verhältnisse hindeuten, hinterfragen.

Bei einem Verstoß gegen die Treuepflicht ist zu ermitteln, ob überhaupt gegen die Treuepflicht verstoßen wird. War dieser Verstoß ursächlich dafür, dass die Ehe gescheitert ist oder ist die Beziehung auf Dauer angelegt oder ist bei wechselnden Partnern der Tatbestand des § 1579 Nr. 7 BGB erfüllt.

AUSGABE: FK 12/2024, S. 210 · ID: 50147613

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2024

Bildrechte