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ErbrechtErbschleicherei: So nehmen Sie den Erbschleicher ins Visier

Abo-Inhalt28.10.202490 Min. LesedauerVon Prof. Dr. Wolfgang Böh, FA Erbrecht und FA Steuerrecht, München

| In der Praxis kochen die Emotionen hoch, wenn Erbschleicher erfolgreich waren. In Teil 1 der Beitragsreihe haben wir daher betreuungs- und vorsorgerechtliche Maßnahmen aufgezeigt, um Erbschleicherei zu verhindern. Teil 2 informiert Sie über entsprechende lebzeitige rechtsgeschäftliche Maßnahmen. Teil 3 befasst sich mit flankierenden Möglichkeiten, um einer Erbschleicherei vorzubeugen. Teil 4 erläutert prozessuale Wege gegen den Erbschleicher. Teil 5 gibt Tipps, wie Sie gegen den Erbschleicher persönlich vorgehen können: |

1. Strafrechtliche Schritte gegen Erbschleicher

In drastischen Erbschleicher-Fällen drängt sich eine Strafanzeige auf.

Beispiele für Straftatbestände

  • Der Erbschleicher verschafft sich Zutritt zum Haus des Opfers, um dessen Unterlagen nach Informationen und Vermögenswerten durchzusehen (Hausfriedensbruch gem. § 123 StGB).
  • Der Erbschleicher liest die Briefe des Opfers, auch dessen Anwaltskorrespondenz und nimmt wichtige Schreiben mit (Verletzung des Briefgeheimnisses gem. § 202, § 242 oder 246 StGB).
  • Der Erbschleicher verweigert dem Opfer Medikamente und schlägt es, um es gefügig zu machen (Körperverletzung und Nötigung, §§ 223 ff., 240 StGB).
  • Der Erbschleicher stiehlt Bargeld etc. (Diebstahl gem. § 242 StGB).
  • Das Opfer wird durch den Erbschleicher getäuscht und im Vermögen geschädigt, z. B. indem durch falsche Pflegeversprechen zu einer Schenkung überredet wird (Betrug gemäß § 263 StGB).
  • Der vorsorgebevollmächtigte Erbschleicher hebt unter Ausnutzung einer Vollmacht im Innenverhältnis zum Opfer rechtswidrig Geld vom Konto des Opfers für sich ab (Untreue gem. § 266 StGB).
  • Der Erbschleicher fälscht Unterschriften auf wichtigen Dokumenten oder zerstört ein für ihn nachteiliges Testament (Urkundenfälschung und Urkundenunterdrückung gem. §§ 267 ff., 274 StGB).

Diese Maßnahme ist aber mit Vor- und Nachteilen verknüpft.

  • Vorteil: Der Staat greift ein und eine strafrechtliche Verurteilung bietet die größte Sanktionsmöglichkeit gegenüber dem Erbschleicher und verschafft bei zivilrechtlichen Schritten erhebliche Vorteile.
  • Nachteil: Bei selbst vordergründig „eindeutiger“ Strafbarkeit scheuen sich Ermittlungsbehörden davor, ausreichend vorzugehen. Sie verlagern den Streit zurück auf die zivilrechtliche Ebene oder stellen aufgrund der Komplexität oder problematischen Beweislage das Strafverfahren ein. Der Erbschleicher ist gewarnt und kann die Verfahrenseinstellung als Argument für sich nutzen (Stichwort „Persilschein“).

2. Angriff auf die Person des Erbschleichers

Auch Erbschleicher bieten Angriffspunkte, insbesondere, wenn sie sich im Rechtsverkehr fehlerhaft verhalten. Manchmal gelingt es, diese dadurch zu attackieren, indem deren wirtschaftlich schlechte Situation genutzt wird, z. B. wenn ein Insolvenzverfahren läuft oder gegen ihn vollstreckt wird. Es kann z. B. ein vertragliches Rückforderungsrecht bei Schenkungen entstehen. Der Erbschleicher kann als Vorsorgebevollmächtigter ungeeignet sein. Dem Erbschleicher ist die Geltendmachung von Ansprüchen verwehrt. Diese Maßnahme ist aber mit Vor- und Nachteilen verknüpft.

  • Vorteil: Die Maßnahme kann weitreichende Konsequenzen haben und den Erbschleicher in eine passive Rolle drängen. Im Einzelfall gelingt es der Familie, das Opfer zu informieren, das sich vom Erbschleicher abwendet.
  • Nachteil: Für Außenstehende ist es schwierig, Informationen in diesem Bereich zu erheben. In der Gesamtschau handelt es sich um eng begrenzte Sonderfälle, bei denen sich diese Möglichkeit ergibt.

3. Anzeige einer Steuerhinterziehung

Bei lebzeitigen Schenkungen an den Erbschleicher versucht er in bestimmten Fällen, einer Schenkungsteuer durch ein fingiertes Darlehen, eine nicht deklarierte Bargeldschenkung oder dem Kauf von werthaltigen Vermögensgegenständen durch das Opfer aber auf den Namen des Erbschleichers zu entgehen. In diesen Konstellationen kann eine entsprechende Anzeige zu einer behördlichen Ermittlung führen und den Erbschleicher unter Druck setzen. Diese Maßnahme ist aber mit Vor- und Nachteilen verknüpft.

  • Vorteil: Der Erbschleicher wird ggf. strafrechtlich verfolgt, jedenfalls aber finanziell belastet und der Vorgang behördlich dokumentiert.
  • Nachteil: Der Vorwurf der Steuerhinterziehung trifft Erbschleicher und schenkendes Opfer gleichermaßen, da beide Steuerschuldner der Schenkungssteuer sind (§§ 2, 20 ErbStG). Die Familie schädigt auch das Opfer und verschlechtert hierdurch die Beziehung zu dem Opfer.
Weiterführende Hinweise
  • Böh, Erbschleicherei durch betreuungs- und vorsorgerechtliche Maßnahmen vermeiden, FK 24, 125 ff.
  • derselbe, Erbschleicherei durch lebzeitige Maßnahmen vermeiden, FK 24, 143 f.
  • derselbe, Erbschleicherei durch flankierende Maßnahmen vermeiden, FK 24, 178 ff.
  • Böh, Erbschleicherei: Diese prozessualen Wege gibt es, FK 24, 195 ff.

AUSGABE: FK 12/2024, S. 215 · ID: 50029661

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