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BetreuungsrechtNicht anwaltlicher Bevollmächtigter darf an der Anhörung des Betroffenen teilnehmen

Abo-Inhalt14.10.2024715 Min. LesedauerVon RA Prof. Dr. Tim Jesgarzewski, FOM Hochschule Bremen

| Einem nicht anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten, der nicht durch Beschluss nach § 10 Abs. 3 S. 1 FamFG zurückgewiesen worden ist, ist Gelegenheit zu geben, an der Anhörung des Betroffenen teilzunehmen. Das hat der BGH entschieden. |

Sachverhalt

Der Betroffene B wendet sich dagegen, dass für ihn eine Betreuung eingerichtet worden ist. Er leidet an einer demenziellen Erkrankung. Seine Angelegenheiten kann er nicht mehr selbst besorgen. Zwar hatte er seinen beiden Töchtern zunächst eine notarielle General- und Vorsorgevollmacht erteilt, diese aber später widerrufen. Sodann hat das AG eine Betreuung eingerichtet und einen Einwilligungsvorbehalt für den Bereich der Vermögenssorge angeordnet. Eine der beiden Töchter wurde als Betreuerin, die andere als Verhinderungsbetreuerin bestimmt. Der B hat gegen diese Entscheidung sowohl persönlich als auch durch einen nicht anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten Beschwerde eingelegt. Das LG hatte, nachdem es den B angehört hat, die Betreuung für erforderlich gehalten und die betreuungsgerichtliche Entscheidung bestätigt. Dem Verfahrensbevollmächtigten des B wurde nicht ermöglicht, an der Anhörung teilzunehmen. Er musste währenddessen vor dem Gerichtssaal warten. Der Bevollmächtigte sei nicht zum Verfahren hinzuzuziehen gewesen, da nicht ersichtlich sei, dass der B zu ihm das gesetzlich notwendige Vertrauensverhältnis hat. Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der B erfolgreich eine Verletzung seiner Verfahrensrechte und begehrt weiterhin, dass seine Betreuung aufgehoben wird (BGH 24.4.24, XII ZB 531/23, Abruf-Nr. 242632).

Entscheidungsgründe

Das LG hat dadurch, dass es den nicht anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten außer Acht gelassen hat, gegen wesentliche Verfahrensgrundsätze verstoßen. Der B ist im Betreuungsverfahren ohne Rücksicht auf seine Geschäftsfähigkeit verfahrensfähig. Die Verfahrensfähigkeit ist umfassend zu verstehen. Sie betrifft das gesamte Verfahren, sodass dem B insoweit alle Befugnisse eines Geschäftsfähigen zur Verfügung stehen. Er hat daher auch die Befugnis, jederzeit einen Verfahrensbevollmächtigten zu bestellen. Dies ist hier erfolgt. Die vom B erteilte und schriftlich zu den Gerichtsakten eingereichte Verfahrensvollmacht ist mithin zu beachten gewesen.

Im Betreuungsverfahren ist eine Vertretung durch Anwälte nicht gesetzlich vorgeschrieben. Gem. § 10 Abs. 2 S. 2 FamFG sind auch Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens, bestimmte Behördenvertreter, volljährige Familienangehörige, Personen mit Befähigung zum Richteramt und andere Beteiligte, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht, sowie Notare vertretungsbefugt. Diese Regelung ist abschließend. Weitere Personen werden zur Vertretung nicht zugelassen, selbst wenn diese unentgeltlich erfolgt.

Insbesondere eine rein nachbarschaftliche oder freundschaftliche Beziehung genügt nicht, um eine Vertretungsbefugnis zu begründen. Bevollmächtigte, die nicht nach diesen gesetzlichen Voraussetzungen vertretungsbefugt sind, muss das Gericht daher durch unanfechtbaren Beschluss zurückweisen. Diese Entscheidung ist konstitutiv und unanfechtbar. Damit wird die bevollmächtigte Person für die Zukunft in dem gegenständlichen Verfahren als Vertreter ausgeschlossen. Verfahrenshandlungen, die der Vertreter vor seiner Zurückweisung vorgenommen hat, sind jedoch ebenso wie Zustellungen und Mitteilungen an ihn wirksam. Erst nach dem Wirksamwerden des Zurückweisungsbeschlusses kann der Vertreter keine wirksamen Verfahrenshandlungen mehr vornehmen. Bis zu seiner Zurückweisung ist der nicht Zugelassene hingegen in verfahrensrechtlicher Hinsicht als Vertreter des Betroffenen zu berücksichtigen.

Das LG hat vorliegend keinen dementsprechenden Zurückweisungsbeschluss getroffen. Die Vertretung hat folglich für die Dauer des gesamten Verfahrens fortbestanden. Das LG musste diese berücksichtigen. Dem Verfahrensbevollmächtigten hätte daher Gelegenheit gegeben werden müssen, an der Anhörung teilzunehmen. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Da noch weitergehende Feststellungen dazu zu treffen sind, ob die Betreuung erforderlich ist sowie zur Betreuerauswahl, wurde der landgerichtliche Beschluss aufgehoben und zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung zurückverwiesen.

Relevanz für die Praxis

Den Ausführungen des Betreuungssenats ist zuzustimmen. Sie folgen vollumfänglich den gesetzlichen Vorgaben, die darauf abzielen, die Betroffenenrechte zu stärken. Der Betroffene kann seine Rechte im Betreuungsverfahren selbst wahrnehmen. Das gilt auch, wenn er nicht (mehr) geschäftsfähig ist. Er kann sich folglich auch eines Verfahrensbevollmächtigten bedienen. Dies ist in der Praxis zwar üblicherweise ein Anwalt. Da vor den Betreuungsgerichten kein Anwaltszwang besteht, ist es indes auch möglich, einen nicht anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten zu bestimmen. Diese Möglichkeit hat der Gesetzgeber sogar ausdrücklich geregelt. Er hat den für eine Vertretung bestimmbaren Personenkreis gesondert festgelegt. Der Betroffene kann daher entsprechend verfahren.

Wird jedoch eine Person bevollmächtigt, die diesen gesetzlichen Vorgaben nicht entspricht, muss das Betreuungsgericht diese Person per Beschluss zurückweisen. Dies erfolgt mit konstitutiver Wirkung, die indes nur in die Zukunft gerichtet ist. Bereits getätigte Verfahrenshandlungen bleiben wirksam. Das folgt bereits aus dem Wortlaut des § 10 Abs. 3 S. 2 FamFG, entspricht darüber hinaus aber auch der gesetzgeberischen Intention. Dies dient zum einen der Rechtssicherheit und zum anderen dem Schutz des Beteiligten, dem erst durch den Zurückweisungsbeschluss verdeutlicht wird, dass sein Bevollmächtigter die ihm zugedachte Vertreterrolle nicht (mehr) in dem Verfahren einnehmen kann. Damit wird dem Betroffenen ermöglicht, sich um einen neuen, zulassungsfähigen Bevollmächtigten zu bemühen. Betreuungsgerichte müssen diese Vorgaben umfassend beachten und damit dem Schutz des Betroffenen entsprechend Rechnung tragen.

AUSGABE: FK 11/2024, S. 190 · ID: 50114537

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