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VersorgungsanrechteSo werden Anrechte ehrenamtlicher Bürgermeister ausgeglichen
| Ob ein sog. Ehrensold, den ehrenamtliche Gemeindebürgermeister nach Ableistung einer bestimmten Amtszeit erhalten, in den VA einzubeziehen ist, hängt davon ab, ob die Leistung nach den geltenden landesrechtlichen Vorschriften den Charakter einer Versorgungsleistung hat oder als bloße Treueprämie anzusehen ist. Dies hat der BGH entschieden. |
Sachverhalt
M und F hatten 1979 geheiratet und wurden auf einen am 8.8.12 zugestellten Antrag der F geschieden. M war seit Mai 02 ehrenamtlicher Bürgermeister einer bayerischen Gemeinde und wurde 2008 und 2014 jeweils für weitere sechs Jahre wiedergewählt. Im Scheidungstermin am 14.6.17 schlossen sie einen Scheidungsfolgenvergleich, in dem sie u. a. Folgendes vereinbarten: M verzichtete mit Zustimmung der F einseitig auf den VA; beide waren darüber einig, dass der Ehrensold des M im Rahmen des schuldrechtlichen VA ausgeglichen werden sollte. Demgemäß hat das AG in die Verbundentscheidung nur zwei weitere Anrechte des M einbezogen, den VA im Übrigen ausgeschlossen und ausgesprochen, dass eventuelle Ausgleichsansprüche der F bezüglich des Ehrensolds dem schuldrechtlichen VA vorbehalten bleiben. Die Amtszeit des M als Bürgermeister endete mit April 20. Seit Mai 21 bezieht er einen Ehrensold. Die F ist erwerbsunfähig. Sie begehrt im Hinblick auf den Ehrensold des M die Zahlung einer schuldrechtlichen Ausgleichsrente und die Abtretung seiner künftigen Ansprüche auf Ehrensold i. H. d. Ausgleichsrente. Das OLG hat dem Antrag entsprochen. Die Rechtsbeschwerde des M blieb erfolglos.
Leitsatz: BGH 15.5.24, XII ZB 122/22 |
Der Pflichtehrensold nach dem bayerischen Kommunalwahlbeamtengesetz dient den Versorgungszwecken nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG und ist deshalb im Versorgungsausgleich auszugleichen (Abgrenzung zu BGH FK 11, 199; Abruf-Nr. 242282). |
Entscheidungsgründe
Zwar können Eheleute nicht vereinbaren, dass ein Anrecht, das nicht die Voraussetzungen des § 2 VersAusglG erfüllt, in den (hier: schuldrechtlichen) VA einbezogen wird. Das Anrecht des M, das sie dem schuldrechtlichen VA vorbehalten haben, fällt jedoch unter § 2 VersAusglG. Bei der von M bezogenen Geldleistung handelt es sich um einen Pflichtehrensold nach dem bayerischen Kommunalwahlbeamtengesetz und nicht nur um einen freiwilligen Ehrensold. Dem steht nicht entgegen, dass M auf die während seiner Amtszeit erhaltene Entschädigung Sozialabgaben entrichtet und in diesem Umfang entsprechende Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben hat. Zwar setzt der Anspruch auf Pflichtehrensold voraus, dass der ausgeschiedene Amtsträger aus seiner Bürgermeistertätigkeit außer einem Übergangsgeld „keine Versorgung“ enthält. Damit ist aber eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen gemeint, die M nicht bezieht.
Das Anrecht wurde durch die Arbeit des M geschaffen, § 2 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG. Insoweit genügt ein Kausalitäts- und Zurechnungszusammenhang zwischen der Arbeitsleistung und seinem Rentenanspruch. Ob die Höhe des Rentenanspruchs mit der Höhe erbrachter Beitragszahlungen korrespondiert, ist unerheblich. Ausgleichspflichtig ist daher auch ein Rentenanspruch, der sich allein aus Arbeitgeberbeiträgen oder aus Steuermitteln finanziert, sofern nur das erworbene Anrecht auf Arbeit als Teil der gemeinsamen Lebensleistung beruht. Der Anspruch auf einen Pflichtehrensold setzt u. a. voraus, dass zuvor für die Dauer von mindestens 12 Jahren das Bürgermeisteramt in derselben Gemeinde ausgeübt wurde. Mit dem Amt sind nicht nur Repräsentations-, sondern auch Verwaltungsaufgaben wahrzunehmen.
Das Anrecht des M erfüllt auch die Voraussetzungen einer Versorgung wegen Alter oder Invalidität, § 2 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG. Der Anspruch auf den Pflichtehrensold entsteht mit der Vollendung des 60. Lebensjahres, also zu einem Zeitpunkt, der nahe an den Altersgrenzen der primären Versorgungssysteme liegt. Auch die Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung spricht dafür, dass die Leistung den Versorgungszwecken dienen soll, auf die sich der VA bezieht. Zudem erlischt dieser Anspruch, wenn dem Berechtigten aus einem anderen Amt eine Versorgung nach dem Kommunalwahlbeamtengesetz zusteht und dabei Zeiten aus dem Bürgermeisteramt als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt werden. Damit wird diese Dienstzeit in eine beamtenrechtliche Versorgung umgewertet, die dem VA unterliegt.
Merke | Zwar hat der BGH entschieden, dass der Ehrensold, den ehrenamtliche Bürgermeister in Rheinland-Pfalz erhalten, nicht in den VA fällt (FK 11, 199). Nach dem dortigen Landesgesetz konnte jedoch der Versorgungscharakter der zugesagten Leistung nicht bejaht werden. Es enthielt keine ausdrückliche Zweckbestimmung für den Ehrensold und machte die Leistung auch nicht davon abhängig, dass eine bestimmte Altersgrenze erreicht wurde. Auch die deutlich geringere Höhe des rheinland-pfälzischen Ehrensolds spricht dafür, dass dieser eine Art Treueprämie für Bürgermeister mit besonders langer Amtszeit darstellt, während in Bayern auch etwaige Erwerbsnachteile und damit korrespondierende Nachteile beim Aufbau einer (zusätzlichen) Altersversorgung ausgeglichen werden sollen. |
Nach der BGH-Rechtsprechung kann die Versorgungsaussicht eines kommunalen Wahlbeamten aber nur in den VA einbezogen werden, wenn die persönlichen Voraussetzungen, die nötig sind, um die Versorgungsaussicht zu realisieren, schon während der Ehezeit erfüllt worden sind. Dafür genügt es, wenn die Dienstzeit, die für einen beamtenrechtlichen Versorgungsanspruch erforderlich ist, schon innerhalb der Ehezeit angetreten wurde und erst nach Ende der Ehezeit vollendet wird (BGH FK 07, 64). Hier hatte M zwar zum Ende der Ehezeit am 31.7.12 noch nicht die erforderliche Dienstzeit von 12 Jahren absolviert. Nach seiner ersten Wiederwahl hing das Erreichen dieser Dienstzeit aber nur noch vom Zeitablauf der zweiten Wahlperiode ab. Damit war sein Anrecht auf den Pflichtehrensold bereits am Ende der Ehezeit hinreichend verfestigt.
Das OLG hat den Ehezeitanteil des Anrechts zutreffend nach der zeitratierlichen Methode bewertet, § 41 Abs. 2 i. V. m. § 40 Abs. 1 bis 3 VersAusglG. Zwar hat die nach Ehezeitende erfolgte Wiederwahl des M keinen Bezug zur Ehezeit. Sie wirkt jedoch auf den Ehezeitanteil zurück, und zwar ebenso wie z. B. der nachehezeitliche Entschluss eines Beamten auf Lebenszeit, seine Dienstzeit zu verlängern (BGH FK 19, 159). Damit ändert sich rückwirkend die Höhe, aber auch der auf die Ehezeit entfallende Anteil des Anrechts.
Relevanz für die Praxis
Es ist in jedem Einzelfall sorgfältig zu prüfen, ob das von einem ehrenamt-lichen Bürgermeister erworbene Anrecht auf Ehrensold in den VA einzubeziehen ist. Dies hängt von den landesrechtlichen Vorschriften ab. Der BGH entwickelt einen Prüfungsmaßstab, der aber ungenau und deshalb für die anwaltliche Beratungspraxis nur eingeschränkt brauchbar ist. Anhaltspunkte für die Einbeziehung in den VA ergeben sich aus Folgendem:
Merke | Ist das Anrecht auf Ehrensold nicht dem VA zuzuordnen, dürfte es im Fall gesetzlichen Güterstands im Zugewinnausgleich zu berücksichtigen sein. Deshalb sind Vereinbarungen, die – wie hier – über die Berücksichtigung des Ehrensolds im VA geschlossen werden, gefährlich und möglichst zu vermeiden. |
- Der Anspruch auf Ehrensold setzt voraus, dass eine bestimmte Altersgrenze erreicht wird. Es reicht nicht, wenn der Anspruch – wie z. B. in Rheinland-Pfalz – nur bis zur Vollendung eines bestimmten Lebensjahres ruht. Die feste Altersgrenze muss nicht so spät liegen wie in den primären Versorgungssystemen (z. B. in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung jetzt Vollendung des 67. Lebensjahres). Für die Qualifizierung als Altersversorgung genügt es vielmehr, dass das Anrecht der Versorgung im Anschluss an die Beendigung des aktiven Arbeitslebens dienen soll. Bei einer vor Vollendung des 60. Lebensjahres liegenden Altersgrenze sollte m. E. aber ein berufsbezogener Grund vorliegen (vgl. z. B. die besonderen Altersgrenzen für Berufssoldaten der Bundeswehr, § 45 Abs. 2 SoldG).
- Einbeziehung einer Hinterbliebenenversorgung. Das Fehlen einer solchen wird dem Versorgungscharakter allerdings – wie bei anderen Versorgungssystemen auch – nicht unbedingt entgegenstehen.
- Der Ehrensold muss so hoch sein, dass damit nicht nur eine besonders lange Amtszeit anerkannt wird, sondern dass damit auch Nachteile beim Aufbau einer Altersversorgung ausgeglichen werden sollen, die infolge der zeitlichen Beanspruchung durch die Amtstätigkeit ausgelöst wurden. Die Fixierung auf einen genauen Betrag ist m. E. insoweit aber kaum möglich.Höhe des Ehrensolds
- Der Anspruch auf den Ehrensold erlischt, sobald dem Berechtigten aus einem anderen Amt eine beamtenrechtliche Versorgung zusteht und dabei Zeiten aus der ehrenamtlichen Tätigkeit als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt werden.
AUSGABE: FK 11/2024, S. 192 · ID: 50161230