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ErbrechtErbschleicherei: Diese prozessualen Wege gibt es
| Erbschleicher richten in der Praxis großen Schaden an. In Teil 1 der Beitragsreihe haben wir daher betreuungs- und vorsorgerechtliche Maßnahmen aufgezeigt, um Erbschleicherei zu verhindern. Teil 2 informiert Sie über entsprechende lebzeitige rechtsgeschäftliche Maßnahmen. Teil 3 befasst sich mit flankierenden Möglichkeiten, um einer Erbschleicherei vorzubeugen. Haben Erbschleicher sich erfolgreich das Vermögen eines Opfers angeeignet, ist fraglich, ob die Angehörigen des Opfers prozessual dagegen vorgehen können. Dazu nun im Einzelnen in Teil 4: |
Inhaltsverzeichnis
- 1. Suche nach dem besten Rechtsweg
- 2. Ärztliche Dokumente und medizinische Informationen
- 3. Privatgutachten zur Testierunfähigkeit
- 4. Auskunfts- und Hilfsansprüche als Eintrittskarte
- 5. Vergleichsgespräche und Mediation
- 6. Nachlasspflegschaft und Immobiliensicherung
- 7. Pflichtteilsansprüche als Mindestanspruch
1. Suche nach dem besten Rechtsweg
Im Erbfall muss die geschädigte Familie prüfen, ob gegen den Erbschleicher vorgegangen werden kann. Dies wird erschwert, wenn der Erbschleicher selbst per Testament oder Erbvertrag Erbe geworden ist. Dies muss bei Gericht angegriffen werden. Dafür gibt es zwei zentrale Rechtswege:
- Erbscheinverfahren vor dem Nachlassgericht
- Erbrechtliche Feststellungsklage vor dem Zivilgericht
Beide Rechtswege sind mit Vor- und Nachteilen verknüpft, sodass immer im Einzelfall abzuwägen ist. Grundsätzlich ist dem nachlassgerichtlichen Verfahren der Vorzug zu geben.
- Vorteil: Vielfach entstehen durch das nachlassgerichtliche Verfahren geringere Kosten. Wesentlich ist, dass in diesem Verfahren das zuständige AG von Amts wegen alle Anknüpfungstatsachen ermitteln muss, um das Testament / den Erbvertrag zu prüfen. Die Familie erhält dadurch Einblick in Unterlagen, die sie selbst nicht beschaffen kann. Hierdurch ist eine qualitativ bessere Informationslage geschaffen.
- Nachteil: Das Erbrecht wird im nachlassgerichtlichen Verfahren nicht bindend festgestellt, sodass es für den Erbschleicher möglich bleibt, nach dem Erbscheinverfahren mittels Erbenfeststellungsklage einen zweiten, neuen Rechtsstreit zu eröffnen.
2. Ärztliche Dokumente und medizinische Informationen
Bei der Frage der Geschäfts- und Testierunfähigkeit ist ein Angriff gegen den Erbschleicher meist nur sinnvoll, wenn der Gesundheitszustand des Opfers im Streitfall nachvollziehbar dargestellt werden kann. Bedeutsam ist, dass die ärztlichen Informationen nicht unkritisch als wahr unterstellt werden. Vielleicht muss bei jeder einzelnen Information untersucht werden, wie die ärztlichen Befunde und Ergebnisse zustande gekommen sind, beispielsweise durch fremdanamnestische Angaben oder verfälschte Testergebnisse.
Übersicht / Notwendige Unterlagen |
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Diese Maßnahme ist aber mit Vor- und Nachteilen verknüpft:
- Vorteil: Jede einzelne Information ist hilfreich.
- Nachteil: In der Praxis erweist sich aber das Ausermitteln dieser Informationen als z. T. schwierig, wenn sich die Adressaten auf die ärztliche Schweigepflicht berufen oder bei einem mehrjährigen Rechtsstreit die Unterlagen nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist vernichtet worden sind.Hemmnisse u. a. aufgrund von Schweigepflichten
3. Privatgutachten zur Testierunfähigkeit
Im Rechtsstreit ist die Zielvorgabe, dass ein Gerichtsgutachten zur Geschäfts- bzw. Testierunfähigkeit erstellt wird. Gründe für ein vorgelagertes zusätzliches Privatgutachten können sein:
- Das Prozessrisiko lässt sich besser einschätzen.
- Die medizinischen Informationen werden für das Gericht besser verwertbar zusammengestellt.
- Der Gerichtsgutachter muss das Privatgutachten in seiner Beurteilung berücksichtigen.
Diese Maßnahme ist aber mit Vor- und Nachteilen verknüpft:
- Vorteil: Das Privatgutachten verbessert die Erfolgsaussichten im Rechtsstreit.
- Nachteil: Es ist kosten- und zeitintensiv, ein Privatgutachten erstellen zu lassen. In bestimmten Konstellationen ergeben sich die wesentlichen medizinischen Informationen erst im Rechtsstreit und stehen für ein vorgelagertes Privatgutachten nicht zur Verfügung.
- In der Praxis ist eine Testierunfähigkeit auch schwierig festzustellen.
4. Auskunfts- und Hilfsansprüche als Eintrittskarte
Im Erbstreit gibt es die Möglichkeit, mit niedrigen Streitwerten bereits Klageverfahren zu führen, in denen die Erbschleicher-Situation aufgeklärt wird:
- Klage auf Auskunft und Rechnungslegung bei Vorsorgevollmacht
- Klage auf Auskunft bei Erbschaftsbesitz
- Klage im Pflichtteilsrecht
Diese Maßnahme ist aber mit Vor- und Nachteilen verknüpft:
- Vorteil: Der Gesamtstreit muss durch das Gericht berücksichtigt werden, zumindest im Gütetermin, der in Zivilverfahren obligatorisch ist. Die Kosten werden gering gehalten und im Einzelfall wird die streitendscheidende Frage bereits in diesem Verfahren geklärt.
- Nachteil: Es entstehen Kosten für ein zusätzliches Verfahren. Wesentlich aber ist der Zeitfaktor, wenn im Verfahren zu den Auskunfts- und Hilfsansprüchen keine abschließende Lösung erfolgt und im Anschluss in der Hauptsache geklagt werden muss.
5. Vergleichsgespräche und Mediation
Den meisten Betroffenen ist nicht klar, dass es auch in diesem Bereich die Möglichkeit einer gütlichen Einigung gibt. Selbst wenn eine Testamentsunwirksamkeit im Streit steht, lässt sich dies möglicherweise gütlich lösen. Plattformen für eine solche Einigung können sein:
- eine außergerichtliche Mediation durch einen neutralen Dritten
- Vergleichsgespräche zwischen den Rechtsanwälten beider Seiten
- das nachlassgerichtliche oder zivilprozessuale Gerichtsverfahren
- das gerichtliche Mediationsverfahren
Diese Maßnahme ist aber mit Vor- und Nachteilen verknüpft:
- Vorteil: Die Familie unterliegt nicht vollständig. Die Kostenlast kann abgewogen werden. Eine gütliche Einigung führt zu Rechtsfrieden und zumeist zu einer schnelleren Lösung.
- Nachteil: Bei einem Vergleich gewinnt niemand und jeder muss seine wirtschaftliche Position aufgeben. In vielen Fällen stehen die emotionalen Verwerfungen einer gütlichen Einigung (verständlicherweise) im Weg.
6. Nachlasspflegschaft und Immobiliensicherung
Im Erbfall entsteht ein jahrelanges Streitverfahren. Es droht über diese Zeitdauer hinweg der Verlust des Nachlassvermögens, wenn dieses nicht gesichert und verwaltet wird.
Im Rahmen der Nachlasspflegschaft ist zu bedenken, dass das AG die zuständige Person einsetzt, sodass die Erbprätendenten die Handlungsfähigkeit für den Nachlass in Teilen aus der Hand geben und der fremde Dritte nicht nur Kosten verursacht, sondern selbst und abhängig vom Einzelfall pflichtwidrig handeln kann, z. B., wenn er sich nicht ausreichend um die Nachlassimmobilie kümmert, das Aktiendepot nicht tagesaktuell nachverfolgt u. a.).
Übersicht / Wesentliche Schritte bei Nachlasspflegschaft |
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Diese Maßnahme ist aber mit Vor- und Nachteilen verknüpft:
- Vorteil: Das Nachlassvermögen wird abgesichert und „auf Eis gelegt“, bis der Rechtsstreit entschieden ist. Die finanziellen Mittel, auf die der Erbschleicher gehofft hat, werden für ihn „eingefroren“.
- Nachteil: Auch die Familie kann nicht auf das Nachlassvermögen zugreifen. Bei bestimmten Nachlassgegenständen (Beispiel: Aktien) droht ein Wertverlust. Im Rahmen einer Nachlasspflegschaft ist die Familie auf das pflichtkonforme Handeln des Nachlasspflegers angewiesen.
Die Kosten der Nachlasspflegschaft können in diesem Zusammenhang erheblich sein. Diese werden, abhängig vom Streitwert, durch das Nachlassgericht festgesetzt, sodass die Erbprätendenten im Fall des Obsiegens gegenüber einem Erbschleicher mit diesen Kosten kalkulieren müssen.
7. Pflichtteilsansprüche als Mindestanspruch
Personen, die dem Opfer als Erblasser familiär nahestehen, haben einen Pflichtteilsanspruch. Dieser Anspruch ist im Rahmen eines Erbschleicher-Falls immer als Mindestanspruch durchzusetzen. Berechtigte Personen sind
- Ehegatten,
- Abkömmlinge,
- Eltern (in bestimmten Konstellationen).
Diese Maßnahme ist aber mit Vor- und Nachteilen verknüpft:
- Vorteil: Der Mindestanspruch verringert das Risiko, dass die Familie vollständig geschädigt wird.
Nachteil: Der Pflichtteilsanspruch lässt sich durch zahlreiche Erbschleicher-Maßnahmen reduzieren. Auch in diesem Bereich ist ein mehrjähriger und mehrstufiger Rechtsstreit (Stichwort: Stufenklage) vorprogrammiert. Außerdem ist ein Nebeneinander von Pflichtteilsklage und der gerichtlichen Durchsetzung des Erbrechts im Einzelfall prozessual heikel.
- Böh, Erbschleicherei durch betreuungs- und vorsorgerechtliche Maßnahmen vermeiden, FK 24, 125 ff.
- derselbe, Erbschleicherei durch lebzeitige Maßnahmen vermeiden, FK 24, 143 f.
- derselbe, Erbschleicherei durch flankierende Maßnahmen vermeiden, FK 24, 178 ff.
AUSGABE: FK 11/2024, S. 195 · ID: 50029666