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UnterbringungUnterbringung für eine mehr als ein Jahr andauernde Maßnahme ist zu genehmigen

Abo-Inhalt05.08.2024238 Min. LesedauerVon RA Prof. Dr. Tim Jesgarzewski, FOM Hochschule Bremen

| Der BGH hat über die Voraussetzungen und Begründungsanforderungen entschieden, wenn eine Unterbringung für länger als ein Jahr angeordnet oder genehmigt werden soll. |

Sachverhalt

Der Betroffene B leidet an einer paranoiden Schizophrenie mit einer ausgeprägten psychotischen Symptomatik. Er ist bereits aufgrund entsprechender amtsgerichtlicher Genehmigung in der geschlossenen Abteilung einer sozialtherapeutischen Wohnstätte befristet untergebracht. Auf Antrag des Betreuers Bt hat das AG nachdem es ein Sachverständigengutachten eingeholt und den B angehört hat, die Unterbringung um weitere knapp zwei Jahre befristet genehmigt. Hiergegen hat der B Beschwerde eingelegt. Das LG hat daraufhin ein ergänzendes Sachverständigengutachten zur erforderlichen Dauer der Unterbringung eingeholt und den Betroffenen erneut angehört. Im Ergebnis wurde die Beschwerde jedoch zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich der B erfolgreich mit der Rechtsbeschwerde (BGH 8.11.23, XII ZB 219/23, Abruf-Nr. 238864).

Entscheidungsgründe

Die bislang getroffenen Feststellungen tragen die Genehmigung einer Unterbringung des B nicht. Das Beschwerdegericht hat die gesetzlichen Anforderungen für eine zwangsweise Unterbringung für länger als ein Jahr verkannt.

Die Unterbringung eines Betreuten, um eine Heilbehandlung durchzuführen, ist nur genehmigungsfähig, wenn eine Erfolg versprechende Heilbehandlung auch durchgeführt werden kann. In Ermangelung eines entsprechenden natürlichen Willens des Betreuten setzt dies die rechtlich zulässige Überwindung seines entgegenstehenden natürlichen Willens mittels ärztlicher Zwangsbehandlung voraus.

Die Unterbringung zur Heilbehandlung kann daher erst genehmigt werden, wenn zumindest nicht ausgeschlossen ist, dass sich der Betreute in der Unterbringung behandeln lassen wird. Wenn der Betreute eine Behandlung ohne Zwang keinesfalls vornehmen lassen wird, ist die Genehmigung der Unterbringung zur Durchführung der Heilbehandlung nur zulässig, wenn die ärztliche Zwangsmaßnahme rechtswirksam genehmigt wird.

Hier hat der B durchgehend eine vollständige Verweigerungshaltung erkennen lassen. Folglich ist es erforderlich gewesen, die ärztliche Zwangsbehandlung genehmigen zu lassen. Eine solche hat das Beschwerdegericht indes nicht festgestellt. Das diesbezügliche Verfahren ist vor dem AG noch immer anhängig. Hierin liegt gerade keine rechtswirksame Genehmigung.

Das Beschwerdegericht hat zudem die Voraussetzungen dafür verkannt, eine Unterbringung für länger als ein Jahr zu genehmigen. Die Befristung einer zwangsweisen Unterbringung auf längstens ein Jahr darf nur unter besonderen Voraussetzungen überschritten werden, was entsprechend in der Begründung auszuführen ist.

Das Beschwerdegericht hat sich vorliegend jedoch darauf beschränkt, dass der B außerhalb einer geschlossenen Einrichtung die notwendigen Medikamente nicht mehr einnehmen wird und aufgrund der Schwere seiner psychiatrischen Erkrankung deshalb weiterhin von einer Eigen- und Fremdgefährdung auszugehen ist. Weshalb dies jedoch eine Unterbringung des B über ein Jahr hinaus erforderlich macht, ist nicht erkennbar. Dies ergibt sich auch nicht aus den Sachverständigengutachten. Diese stellen gleichfalls nur die Erforderlichkeit therapeutischer Maßnahmen umfassend dar.

Relevanz für die Praxis

Die vorliegende Entscheidung liegt vollständig auf der bisherigen Rechtsprechungslinie (siehe zuletzt BGH 30.3.22, XII ZB 35/22).

Die zwangsweise Unterbringung nebst ärztlichen Maßnahmen eines Betroffenen stellen schwerwiegende Eingriffe in dessen Persönlichkeitsrechte dar. Der Gesetzgeber hat daher umfassende materielle und verfahrensrechtliche Voraussetzungen festgelegt, die betreuungsgerichtlich festzustellen und einzuhalten sind. Der Betreuungssenat wird nicht müde, dies zu betonen.

Merke | Es bedarf bereits ausdrücklicher betreuungsgerichtlicher Feststellungen, dass eine Unterbringung als solche notwendig ist, um einen Therapieerfolg erzielen zu können. Fehlt es an jeder Mitwirkungsbereitschaft des Betroffenen, muss zudem die ärztliche Zwangsmaßnahme gesondert beschlossen werden.

Soll eine Unterbringung länger als Jahr erfolgen, stellt dies einen Ausnahmefall dar. Dies muss im Hinblick auf den hohen Rang des Rechts auf Freiheit der Person gesondert begründet werden. Solche Gründe können sich etwa

  • aus konkreten Feststellungen über die Erforderlichkeit der Dauer einer notwendigen Therapie oder
  • aus fehlenden Heilungs- und Besserungsaussichten bei anhaltender Eigengefährdung ergeben.

Das muss indes im konkreten Einzelfall offensichtlich sein. Die Gründe für eine über ein Jahr hinaus währende Unterbringungsbedürftigkeit müssen für das sachverständig beratene Gericht folglich deutlich und erkennbar hervortreten. Dies wiederum muss sich eindeutig aus den Entscheidungsgründen ergeben.

Merke | Eine Bezugnahme in den Entscheidungsgründen auf eine Therapieerforderlichkeit reicht nicht aus. Es muss deutlich werden, aus welchem Grund im konkreten Einzelfall von vornherein mehr als ein Jahr Unterbringungsdauer erforderlich ist.

AUSGABE: FK 9/2024, S. 155 · ID: 49861072

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