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ZivilrechtBeA kann zur Zugangsfalle unter Anwälten werden

Abo-Inhalt29.07.2024825 Min. LesedauerVon RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm

| Das OLG Hamm hat klargestellt, dass ein mittels beA an einen anderen Anwalt abgesendetes Schreiben dem Empfänger zugegangen ist, wenn das Dokument auf dem Server für den Empfänger abrufbereit während seiner üblichen oder etwaig darüber hinaus nach außen bekannt gegebenen Büroöffnungszeiten eingeht. Unerheblich für den Zugangszeitpunkt ist, wann die Benachrichtigungs-E-Mail über den Eingang beim empfangenden Anwalt auf seinem E-Mail-Server eingegangen ist. |

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH und die Erblasserin E, die unter Betreuung stand, haben einen notariellen Grundstückskaufvertrag geschlossen. Die E ist während des Verfahrens verstorben und wurde von den Beklagten B beerbt. Für die GmbH war ein vollmachtloser Vertreter V an der Beurkundung beteiligt, für die E deren Betreuer Bt. Das Betreuungsgericht genehmigte den Kaufvertrag. In der Folgezeit gab es zwischen der GmbH und dem Bt – unter Einschaltung von Anwältinnen – Diskussionen über von der GmbH behaupteten Mängeln am Grundstück. Die B forderten die GmbH auf, sich innerhalb der gesetzlichen Frist darüber zu erklären, ob sie den Vertrag genehmigt. Der Schriftsatz wurde von der Anwältin der B an einem Freitag (5.3.21) per beA gegen Mittag an die Anwältin der GmbH versendet. Diese rief die Nachricht erst am folgenden Dienstag (9.3.21) ab. Die GmbH genehmigte den Kaufvertrag am 22.3.22. Das LG hat die auf Schadenersatz gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung war erfolglos (OLG Hamm 22.2.24, I-22 U 29/23, Abruf-Nr. 242212).

Entscheidungsgründe

Die GmbH hat gegen die B keinen Anspruch auf Schadenersatz. Sie hat insbesondere keine kaufvertraglichen Gewährleistungsansprüche. Den für sie durch einen vollmachtlosen Vertreter abgeschlossenen Kaufvertrag hat sie trotz wirksamer Aufforderung durch die B gem. § 177 Abs. 2 S. 1 BGB nicht innerhalb von zwei Wochen genehmigt, sodass die Genehmigung als verweigert gilt, § 177 Abs. 2 S. 2 BGB.

Die Zweiwochenfrist des § 177 Abs. 2 BGB begann am 5.3.21 zu laufen und endete am 19.3.21. Der Zugang einer Aufforderung gem. § 177 Abs. 2 BGB richtet sich nach den Grundsätzen über den Zugang von Willenserklärungen, vorliegend nach § 130 BGB, der den Zugang von Willenserklärungen gegenüber Abwesenden regelt (BGH NJW 00, 3128).

Gem. § 130 BGB ist eine Willenserklärung zugegangen, wenn sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass er unter normalen Umständen von ihrem Inhalt Kenntnis nehmen kann (vgl. ständige Rspr. z. B. BGH NJW 98, 976, 977). Eine während der üblichen Geschäftszeiten auf dem Mailserver des Empfängers abrufbereit eingegangene E-Mail geht – zumindest im unternehmerischen Geschäftsverkehr – in diesem Zeitpunkt zu; dass die E-Mail tatsächlich abgerufen und zur Kenntnis genommen wird, ist für den Zugang nicht erforderlich (BGH 6.10.22, VII ZR 895/21, juris Rn. 19).

Gleiches gilt auch für die Zusendung von Schreiben zwischen Anwälten per beA. Das beA ist dafür bestimmt, dass darüber auch rechtsverbindliche Erklärungen abgegeben werden können. Innerhalb der Geschäftszeiten darf von einer Kenntnisnahme ausgegangen werden. Die Klägervertreterin konnte am 5.3.21 das Schreiben zur Kenntnis nehmen, was für einen Zugang ausreicht. Auch während der Coronapandemie und dem in dieser Zeit verbreiteten Homeoffice durfte der Geschäftsverkehr in Anbetracht der weitverbreiteten Fernzugriffsmöglichkeiten von einem Zugang während der Geschäftszeiten ausgehen. Dass die Klägervertreterin tatsächlich das Schreiben erst am 9.3.21 zur Kenntnis genommen hat, ist irrelevant.

Nicht entscheidend ist die Benachrichtigungsmail über den Eingang einer beA-Nachricht, sondern der Eingang der beA-Nachricht an sich. Denn dieser Kommunikationsweg war zur Abgabe und zur Entgegennahme von rechtserheblichen Erklärungen eröffnet. Während der Geschäftszeiten konnte der Rechtsverkehr erwarten, dass zumindest zum Ende der Geschäftszeiten das beA-Postfach – auch ohne E-Mail-Nachricht, die lediglich der komfortablen Nutzung des beA dient und nicht zwingend eingestellt sein muss – kontrolliert wird. Die Genehmigung am 22.3.21 erfolgte nach Fristablauf und damit verspätet.

Relevanz für die Praxis

In diesem Verfahren war auch der genaue Zugang der beA-Nachricht zwischen den Parteien streitig. Eine amtliche Auskunft der Bundesrechtsanwaltskammer zur Übertragung des Schreibens per beA war im Ergebnis erfolglos, weil die Daten wegen Zeitablaufs gelöscht waren.

Praxistipp | Bei Schreiben, deren Zugang eine Rolle spielt, bietet es sich an – mittels der Kanzleisoftware –, nicht nur das Schreiben an sich zu speichern, sondern auch die entsprechenden Übersendungsprotokolle. Zu der Möglichkeit, die Übersendungsprotokolle zu speichern, vgl. etwa die Informationen vom beA Support unter iww.de/s11207.

Die B waren noch in ungeteilter Erbengemeinschaft verbunden. Die Genehmigungserklärung musste bei beiden von ihnen eingehen. Denn die Erbengemeinschaft ist nicht rechtsfähig. Sie führt nur zu einem gesamthänderisch gebundenen „Sondervermögen“. Folge: Der Zugang bei einem Erben führt nicht zu einem automatischen Zugang bei allen Erben (BGH 17.7.15, V ZR 207/14, juris Rn. 20).

Wenn bei einer E-Mail nur die Versendung nachgewiesen werden kann, aber nicht der Zugang, reicht dies für den Nachweis des Zugangs nicht aus. Ausreichend für den Nachweis des Zugangs ist die Vorlage einer Eingangs- und Lesebestätigung (OLG Hamm 10.8.23, I-26 W 13/23, juris).

AUSGABE: FK 9/2024, S. 157 · ID: 50077383

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