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KindergeldMehraktige Ausbildung: BFH konkretisiert den Begriff „enger zeitlicher Zusammenhang“

Abo-Inhalt04.03.2024400 Min. LesedauerVon RAin Dr. Gudrun Möller, FAin Familienrecht, BGM Anwaltssozietät, Münster

| Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen mehreren Ausbildungsabschnitten einer einheitlichen Erstausbildung (z. B. Bachelor- und Masterstudium im selben Fach) liegt nicht vor, wenn das Kind dazwischen einen Freiwilligendienst absolviert. Der Kindergeldanspruch bleibt in der Folgezeit nur erhalten, wenn das Kind nicht oder nicht mehr als 20 Stunden pro Woche erwerbstätig ist. Das hat der BFH entschieden. |

Sachverhalt

Die T hatte ihr Studium mit dem Bachelor of Science zum Ende des Sommersemesters (SS) 18 abgeschlossen. Ihr Vater V hatte der Bezügestelle mitgeteilt, dass sie das Studium fortsetzen wolle. Zwischen dem 1.10.18 und dem 31.5.19 absolvierte T ein freiwilliges soziales Jahr (FSJ). Im Streitzeitraum übte sie eine befristete Aushilfstätigkeit aus. Zum Wintersemester 2019/2020 begann sie mit dem Masterstudium im selben Fach. Für die drei Arbeitsmonate (Juli bis September 19 = Streitzeitraum) beantragte V letztlich erfolglos Kindergeld.

Leitsätze: BFH 12.10.23, III R 10/22

  • 1. Der für die Zusammenfassung einzelner Ausbildungsabschnitte zu integrativen Teilen einer einheitlichen Ausbildung unter anderem notwendige enge zeitliche Zusammenhang ist nur dann gewahrt, wenn das Kind den nächsten Teil der mehraktigen Ausbildung zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufnimmt.
  • 2. Der enge zeitliche Zusammenhang muss zwischen den Ausbildungsabschnitten bestehen. Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Ende eines Freiwilligendienstes i. S. v. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 lit. d) EStG und dem Beginn eines weiteren Ausbildungsabschnitts genügt nicht.
  • (Abruf-Nr. 239300)

Entscheidungsgründe

V hat im Streitzeitraum keinen Kindergeldanspruch für T nach § 32 Abs. 4 S. 2 EStG. Grundsätzlich besteht für T nach § 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2 i. V. m. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 lit. c EStG ein Anspruch auf Kindergeld. Denn T wurde für das Wintersemester 2019/2020 zum Masterstudium zugelassen. Sie konnte das Studium in den Monaten Juli bis September 19 mangels Studienplatzes nicht beginnen (BFH 22.5.19, III R 3/18, BFH/NV 19, 1345, Rn. 15).

T hat mit dem Bachelorabschluss aber eine erstmalige Berufsausbildung erlangt. Sie hat nicht zum nächstmöglichen Termin mit dem Masterstudium begonnen, § 32 Abs. 4 S. 2 EStG.

Die einzelnen Ausbildungsabschnitte müssen sich als integrative Teile einer einheitlichen Ausbildung darstellen. D. h., sie müssen in einem engen sachlichen Zusammenhang (z. B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinander stehen und in engem zeitlichem Zusammenhang durchgeführt werden (BFH 3.7.14, III R 52/13, BStBl II 15, 152, Rn. 30). Ein enger zeitlicher Zusammenhang ist nur gewahrt, wenn das Kind den nächsten Teil zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufnimmt (BFH 9.9.20, III R 2/19, BStBl II 21, 861, Rn. 21). Der enge zeitliche Zusammenhang muss dabei zwischen den beiden Ausbildungsabschnitten bestehen (BFH, a. a. O.).

Hier liegt kein solcher enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten Bachelor- und Masterstudiengang vor. Der erkennbare Entschluss, die Ausbildung fortzusetzen, reicht dafür nicht aus, wenn der weitere Ausbildungsabschnitt nicht aufgenommen wird, obwohl es möglich ist. Eine einheitliche Erstausbildung im Rahmen des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG kann daher allein durch das Berufsziel des Kindes nicht nachvollziehbar begründet werden und alle anderen Kriterien für eine einheitliche Erstausbildung „überlagern“ (BFH 14.4.21, III R 50/20, BStBl II 21, 866, Rn. 19). T hat nach dem Abschluss des Bachelorstudiums erst ein FSJ absolviert, obwohl sie das Masterstudium zum nächstmöglichen Zeitpunkt hätte beginnen können.

Der Freiwilligendienst ist auch kein integrierter Bestandteil einer mehraktigen Ausbildung. Ein FSJ stellt keine Berufsausbildung dar (BFH 9.9.20, III R 15/20, BFH/NV 21, 544, Rn. 17; 25.11.14, VI B 1/14 , BFH/NV 15, 332, Rn. 4).

V hat eingewendet, T habe die Übergangszeit bis zum Masterstudium nur zeitlich verschoben und ihre Dauer von sechs Monaten (Oktober 18 bis einschließlich März 19) auf vier Monate (Juni 19 bis einschließlich September 19) verkürzt. Dieser Einwand betrifft den Berücksichtigungstatbestand (§ 32 Abs. 4 S. 1 EStG ); er kann nicht herangezogen werden, um § 32 Abs. 4 S. 2 EStG auszulegen.

Relevanz für die Praxis

Der BFH zeigt die Voraussetzungen für eine mehraktige Ausbildung im Rahmen des Erstausbildungsbegriffs des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG auf:

Übersicht / Mehraktige Ausbildung – enger zeitlicher Zusammenhang

  • Es muss ein öffentlich-rechtlich geordneter Ausbildungsgang mit Prüfung sein.
  • Mehrere Abschnitte müssen zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sein, dass die Ausbildung fortgesetzt werden soll, wenn der erste Abschluss erreicht ist.
  • Das Kind muss sein Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreichen können.
  • Es muss objektiv erkennbar sein, dass das Kind die Ausbildung nicht mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat.
  • Allein der erkennbare Entschluss, die Ausbildung fortzusetzen, reicht nicht, um einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen den Abschnitten zu begründen.
  • Die einzelnen Ausbildungsabschnitte müssen sich als integrative Teile einer einheitlichen Ausbildung darstellen.
  • Dazu müssen die Abschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang (z. B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinander stehen.
  • Sie müssen in engem zeitlichem Zusammenhang erfolgen.
  • Ein enger zeitlicher Zusammenhang ist nur gewahrt, wenn das Kind den nächsten Teil der mehraktigen Ausbildung zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufnimmt.
  • Der enge zeitliche Zusammenhang muss zwischen den beiden Ausbildungsabschnitten bestehen.

AUSGABE: FK 4/2024, S. 60 · ID: 49904675

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