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Bigamische EheVersorgungsausgleich nach Eheaufhebung
| Auch wenn eine Ehe nicht geschieden, sondern aufgehoben wird, kann ein VA durchzuführen sein. Das OLG Hamm hat entschieden, was im Fall einer Eheaufhebung wegen Verstoß gegen das Verbot der Doppelehe (§ 1306 BGB) zu beachten ist. |
Sachverhalt
Abruf-Nr. 239401
Der Antragsteller M hatte 1993 die F1 geheiratet. Diese Ehe hatte er bewusst nicht im Personenstandsregister angemeldet. Sie wurde erst 2020 geschieden. Von 1998 bis zur Scheidung 2002 war der M in zweiter Ehe mit der F 2 verheiratet. 2010 schloss er mit der Antragsgegnerin F3 seine dritte Ehe. 2016 beantragte er deren Scheidung. Dieser Antrag ist nicht beschieden worden, nachdem bekannt geworden war, dass er noch mit der F1 verheiratet war. Auf Antrag der F3 wurde deren Ehe mit dem M durch Beschluss des AG, rechtskräftig seit 26.3.19, wegen Verstoß gegen das Verbot der Doppelehe aufgehoben. Das Verfahren über den VA wurde abgetrennt. Mit Beschluss vom 11.8.20 hat das AG den Wertausgleich bei der Scheidung durchgeführt und dabei die von beiden Ehepartnern in der Ehezeit erworbenen Anrechte in vollem Umfang berücksichtigt. Die Beschwerde des M, der sich auf grobe Unbilligkeit des VA beruft, ist erfolglos (OLG Hamm 9.6.22, 4 UF 158/20, Abruf-Nr. 239401).
Entscheidungsgründe
Die Rechtsfolgen der Aufhebung einer Ehe bestimmen sich grundsätzlich nach den Vorschriften über die Scheidung, § 1318 Abs. 1 BGB. Hinsichtlich des VA verweist § 1318 Abs. 3 Hs. 1 BGB auf § 1587 BGB, womit auch die entsprechende Anwendung des VersAusglG inkludiert ist. Ist eine Ehe – wie hier – wegen Verstoß gegen das Verbot der Doppelehe aufgehoben worden, findet der VA allein zwischen den Partnern der jeweils anhängigen Ehesache statt, auch soweit Versorgungsanrechte der doppelt verheirateten Person auszugleichen sind, die auf in beiden Ehen gleichzeitig verbrachte Zeiten entfallen (BGH FamRZ 82, 475). Das gilt sowohl für einen VA zwischen den Partnern der früheren Ehe als auch für einen VA nach der bigamischen Ehe und bei letzterer unabhängig davon, ob diese aufgehoben oder geschieden wird. Unerheblich ist auch, ob der VA nach der jeweils anderen Ehe bereits rechtskräftig durchgeführt ist. Soweit die doppelt verheiratete Person danach mehr als die Hälfte der in den Ehezeiten erworbenen Anrechte abgeben müsste, können die Gerichte über Härteklauseln, insbesondere § 27 VersAusglG, Korrekturen vornehmen. Hier besteht jedoch kein Anlass dazu, weil im Rahmen der Scheidung der ersten Ehe der VA ehevertraglich ausgeschlossen worden ist.
Gem. § 1318 Abs. 3 Hs. 2 BGB ist der VA nur durchzuführen, soweit dies nicht im Hinblick auf die Umstände bei der Eheschließung oder wenn die Ehe – wie hier – aufgrund Bigamie aufgehoben wurde, im Hinblick auf die Belange der „dritten Person“, d. h. des Ehegatten der ersten Ehe, grob unbillig wäre. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Mit den „Umständen bei der Eheschließung“ hatte der Gesetzgeber die Aufhebungsgründe des § 1314 Abs. 2 BGB im Blick, die hier keine Rolle spielen. Auch die Belange des Ehegatten der Erstehe (F1) begründen hier keine grobe Unbilligkeit. Dabei kann dahinstehen, ob die F3 Kenntnis von der Doppelehe hatte. Denn es kommt insoweit allein auf die Belange der F1 an. Diese sind vorliegend nicht betroffen, da sie mit dem M vereinbart hat, den VA auszuschließen.
Der VA ist auch nicht nach § 27 VersAusglG auszuschließen. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der VA nach den gesamten Umständen des Einzelfalls grob unbillig wäre, hat der M nicht vorgetragen. Im Übrigen ist er nach eigener Darstellung davon ausgegangen, mit der F3 eine wirksame Ehe geschlossen zu haben. Wenn diese Ehe nicht aufgehoben, sondern (auf seinen Antrag) geschieden worden wäre, hätte der VA in gleicher Weise durchgeführt werden müssen, wie er vom AG aufgrund der Eheaufhebung vorgenommen worden ist.
Relevanz für die Praxis
Statt durch Scheidung kann eine Ehe auch beendet werden, indem sie aufgehoben wird, § 1313 S. 1 BGB. Die Eheaufhebung ist eine Ehesache, § 121 Nr. 2 FamFG, und gehört deshalb zu den Familiensachen, für die das Familiengericht zuständig ist, § 111 Nr. 1 FamFG. Anträge auf Scheidung und auf Eheaufhebung können – auch z. B. in Form von Haupt- und Hilfsantrag – miteinander verbunden werden, § 126 Abs. 1 FamFG. In diesem Fall ist über den Eheaufhebungsantrag vorrangig zu entscheiden, § 126 Abs. 3 FamFG, außer wenn er nur als Hilfsantrag gestellt worden ist. Mit der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung ist die Ehe aufgelöst. Die Folgen der Eheaufhebung bestimmen sich nach den Vorschriften über die Scheidung, § 1318 Abs. 1 BGB. Auch der VA ist durchzuführen, allerdings nur, soweit er nicht im Hinblick auf die Aufhebungsgründe grob unbillig ist, § 1318 Abs. 3 BGB.
Merke | Ein Verbund der Eheaufhebungssache mit Folgesachen i. S. v. § 137 FamFG ist ausgeschlossen. Abs. 1 dieser Vorschrift sieht nur die Verbindung des VA mit einer Scheidungssache vor. Außerdem wird die Ehe erst mit der Rechtskraft des Eheaufhebungsbeschlusses aufgelöst. Über den VA ist daher in einem selbstständigen Verfahren zu entscheiden, das – von Amts wegen – erst nach rechtskräftigem Abschluss des Eheaufhebungsverfahrens einzuleiten ist. Wenn die Eheaufhebungssache mit einer Scheidungssache verbunden war, wird letztere mit Rechtskraft des Eheaufhebungsbeschlusses gegenstandslos. In diesem Fall ist die (mit der Scheidungssache verbundene) VA-Sache abzutrennen und gesondert fortzuführen. |
§ 1318 Abs. 3 Hs. 2 BGB ergänzt die Härteklausel des § 27 VersAusglG um Gesichtspunkte, die sich im konkreten Fall aus den Gründen für die Aufhebung der Ehe ergeben. Müsste im Fall einer Bigamie die mehrfach verheiratete Person von den in der (jeweiligen) Ehezeit erworbenen Anrechten mehr als die Hälfte eines Ehezeitanteils abgeben, kann der VA ggf. begrenzt werden. Allerdings sind die Belange des ersten Ehegatten besonders zu berücksichtigen. Dessen Interessen sind aber nicht betroffen, wenn der VA für die erste Ehe vertraglich ausgeschlossen worden war. Liegen die Voraussetzungen für einen (Teil-)Ausschluss insoweit nicht vor, kann jedoch noch ein Ausschluss nach § 27 VersAusglG in Betracht kommen.
AUSGABE: FK 4/2024, S. 67 · ID: 49893926