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WahlleistungsvereinbarungVergütung wahlärztlicher Behandlungsleistungen: auch Vertretungsvereinbarung ist wirksam
| Können sich Wahlärzte, die zum vereinbarten Behandlungstermin vorhersehbar verhindert sind, durch einen qualifizierten Kollegen wirksam vertreten lassen? Und sind die erbrachten Leistungen dann auch als Wahlleistungen berechnungsfähig? Obwohl der Bundesgerichtshof (BGH) schon im Jahr 2007 hierzu klare Voraussetzungen definiert hat, beanstanden Patienten und Kostenträger sog. Vertretervereinbarungen regelmäßig als allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB). Das Landgericht (LG) Heidelberg hat nun klargestellt, dass eine nach den Vorgaben des BGH getroffene Vertretungsvereinbarung nicht zu beanstanden ist und der Patient die vom Vertreter erbrachten Leistungen zahlen muss (Urteil vom 30.11.2022, Az. 4 S 3/22). |
Hintergrund: „Dauerbrenner“ Vertretungsvereinbarung
Zwischen Krankenhäusern bzw. selbst liquidierenden Wahlärzten und Patienten ist immer wieder streitig, ob sich der Wahlarzt im Falle der vorhersehbaren Verhinderung durch einen qualifizierten Kollegen unter Beibehaltung des Liquidationsrechts wirksam vertreten lassen kann. Der BGH hatte hierzu bereits im Jahr 2007 klargestellt, dass sich der Wahlarzt mittels sog. Individualabrede (Vertretungsvereinbarung) im Falle der vorhersehbaren Verhinderung wirksam vertreten lassen kann (Urteil vom 20.12.2007, Az. III ZR 144/07, vgl. CB 05/2017, Seite 11).
Die BGH-Richter hatten auch eindeutig dargelegt, welche Anforderungen an eine solche „Individualabrede“ zu stellen sind. Sind folgende Voraussetzungen erfüllt, kann sich der Wahlarzt unter Beibehaltung des Liquidationsrechts wirksam vertreten lassen:
- Mit dem Patienten muss neben der Wahlleistungsvereinbarung eine zusätzliche schriftliche Vereinbarung (Vertretungsvereinbarung) getroffen werden, in der sich der Patient mit der Vertretung durch einen benannten Vertreter einverstanden erklärt.
- Der Patient muss zudem in dieser Vereinbarung auf die Möglichkeit hingewiesen worden sein, den Eingriff zu verschieben oder sich anstelle der Wahlleistung als Regelleistungspatient nach Maßgabe der allgemeinen Krankenhausleistungen behandeln zu lassen.
Trotz dieser eindeutigen BGH-Rechtsprechung werden die daraus resultierenden Abrechnungen der wahlärztlichen Behandlungsleistungen im Nachgang vonseiten der privaten Krankenversicherer immer wieder beanstandet. Nach Auffassung der Versicherer sei die nach den Voraussetzungen des BGH getroffene Vertretungsvereinbarung als AGB anzusehen und halte einer AGB-Kontrolle nicht stand. Zudem müssten Vertretungsvereinbarungen weitere inhaltliche Voraussetzungen erfüllen und den Patienten auch über die Abwesenheitsdauer und den Abwesenheitsgrund des Wahlarztes informieren. Ohne diese Informationen könne der Patient keine fundierte Entscheidung hinsichtlich der weiteren Behandlung treffen.
Sachverhalt
Ein Klinikträger klagte gegen einen Patienten. Streitig waren die Behandlungskosten für eine Herzkatheteruntersuchung bzw. die Wirksamkeit der zugrunde liegenden Vertretungsvereinbarung.
Der beklagte Patient hatte sich im Dezember 2012 einer unaufschiebbaren Herzkatheteruntersuchung unterziehen müssen und war hierfür in der Klinik der Klägerin stationär aufgenommen worden. Im Rahmen der Aufnahme hatten die Parteien eine Wahlleistungsvereinbarung geschlossen. Gleichzeitig hatte eine Mitarbeiterin der Klinik den Patienten darüber informiert, dass der in der Wahlleistungsvereinbarung benannte Wahlarzt, der die Untersuchung durchführen sollte, zz. verhindert sei und die vorgesehene Behandlung daher nicht persönlich durchführen könne. In einer gesonderten schriftlichen Vertretungsvereinbarung hatte sich der Patient dann durch Ankreuzen und Unterzeichnung dazu entschlossen, die anstehende Behandlung zu den Konditionen der bereits unterzeichneten Wahlleistungsvereinbarung durch den namentlich benannten ärztlichen Vertreter des Wahlarztes durchführen zu lassen. Innerhalb der Vertretungsvereinbarung war der Patient auch entsprechend den Anforderungen des BGH auf die Möglichkeiten hingewiesen worden, die anstehende Behandlung bis zur Rückkehr des verhinderten Wahlarztes zu verschieben bzw. die Behandlung ohne die Inanspruchnahme wahlärztlicher Leistungen als Regelpatient zum „Kassensatz“ durchführen zu lassen.
Gemäß der Vertretungsvereinbarung hatte der Vertreter dann die anstehende Behandlung durchgeführt und die Klinik hatte dem beklagten Patienten im Nachgang die erbrachten wahlärztlichen Behandlungsleistungen in Rechnung gestellt. Unter Bezugnahme auf die rechtlichen Ausführungen seiner privaten Krankenversicherung hatte der Patient dann jedoch die Zahlung des Rechnungsbetrags verweigert und behauptet, die von ihm unterzeichnete Vertretungsvereinbarung sei unwirksam.
Darum hielt der Patient die Vertretervereinbarung für unwirksam |
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In erster Instanz hatte das Amtsgericht Heidelberg (Az. 25 C 195/21) die Zahlungsklage der Klinik abgewiesen. Diese erstinstanzliche Entscheidung hielt einer rechtlichen Überprüfung in der Berufungsinstanz aber nicht stand. Das LG Heidelberg hob das Urteil auf und verurteilte den beklagten Patienten zur vollständigen Zahlung der ausstehenden Behandlungskosten.
Entscheidungsgründe
Das Gericht war der Auffassung, die Stellvertretervereinbarung genüge den für eine Stellvertretervereinbarung zusätzlich zur eigentlichen Wahlleistungsvereinbarung geltenden Wirksamkeitsvoraussetzungen. Die Vereinbarung sei schriftlich geschlossen und enthalte genau die Handlungsoptionen, die laut BGH zwingend erforderlich seien. Weitere Anforderungen seien an die Wirksamkeit der Stellvertretervereinbarung nicht zu stellen.
Der konkrete Grund für die Verhinderung müsse nicht angegeben werden. Für die Entscheidung der Parteien, eine Stellvertretervereinbarung zu treffen, sei allein der Umstand, dass der Wahlarzt verhindert ist, maßgebend. Die Kenntnis des Verhinderungsgrunds würde an dieser Sachlage nichts ändern. Auch die Dauer der Verhinderung bedürfe keiner Präzisierung. Ausschlaggebend für die Entscheidung, eine Stellvertretervereinbarung zu treffen, ist allein der Umstand, dass der Wahlarzt derzeit die Behandlung nicht selbst durchführen kann. Zwar ist es möglich, dass sich ein Patient gegen eine Stellvertretervereinbarung entscheidet, wenn er weiß, dass die Verhinderung nur kurzzeitig ist. Die Dauer der Verhinderung kann aber nicht immer zuverlässig und verbindlich angegeben werden (Anm. d. Red.: vgl. dazu den Beitrag im CB 01/2018, Seite 8 f.).
Die Stellvertretervereinbarung unterläge auch nicht der AGB-Kontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2, §§ 308 und 309 BGB, weil sie im Sinne des § 305 Abs. 1 S. 3 BGB im Einzelnen ausgehandelt sei. Zwar könne sich aus der Erscheinungsform des Textes sowie aus dessen Inhalt ein erster Anschein für das Vorliegen von AGB ergeben, für den Fall einer Stellvertretervereinbarung habe der BGH (Az. III ZR 144/07; s. o.) entschieden, dass auch eine vorformulierte Vertragsbedingung ausgehandelt sein kann, wenn sie der Verwender als eine von mehreren Alternativen anbietet, zwischen denen der Vertragspartner die Wahl hat. Erforderlich sei lediglich, dass er durch die Auswahlmöglichkeit den Gehalt der Regelung mitgestalten kann und die Wahlfreiheit nicht durch Einflussnahme des Verwenders, sei es durch die Gestaltung des Formulars, sei es in anderer Weise, überlagert wird. Dem beklagten Patienten seien alle möglichen Optionen eröffnet worden und er habe zwischen ihnen durch Ankreuzen frei auswählen können.
Fazit und Praxistipp | Beanstandungen der Vertretungsvereinbarungen durch die privaten Versicherer der Patienten sollten nicht einfach hingenommen werden. Oft treffen diese Beanstandungen nicht zu und die der Abrechnung zugrunde liegende Vertretungsvereinbarung ist wirksam. Ein Muster einer individuellen Vertretervereinbarung finden Sie als offene Textdatei online unter iww.de/cb, Abruf-Nr. 44195207. |
AUSGABE: CB 4/2023, S. 3 · ID: 49234626