Abgabenordnung
Mitteilung gemäß § 202 Abs. 1 Satz 3 AO kein Verwaltungsakt
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GewerbesteuerFreiberufliche Einkünfte einer Mitunternehmerschaft bei kaufmännischer Führung durch einen Berufsträger
Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören zu den freiberuflichen Einkünften solche aus selbstständiger ärztlicher Tätigkeit. Die Rechtsprechung verlangt persönliche Qualifikation und Marktbetätigung des Berufsträgers. Unklar war, ob überwiegend administrative Tätigkeit neben minimaler Behandlungstätigkeit ausreicht. Mit Urteil vom 4.2.2025 (VIII R 4/22) entschied der BFH über die Frage, ob ein als Zahnarzt zugelassener Mitunternehmer, der überwiegend organisatorische und administrative Leistungen für den Praxisbetrieb erbringt, dennoch Einkünfte aus selbstständiger Arbeit i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt, wenn er in geringfügigem, aber ausreichendem Umfang auch behandelnd am Markt tätig ist. |
Sachverhalt und Entscheidung
Die Klägerin ist eine Zahnarzt-Partnerschaftsgesellschaft mit mehreren Partnern. Ein Seniorpartner (Dr. AM) betreute im Streitjahr neben fünf konsiliarischen Patienten vor allem alle administrativen, organisatorischen und kaufmännischen Aufgaben der Praxis. Direkte Behandlungsleistungen leistete er nicht am Stuhl, jedoch fand eine geringfügige Marktbetätigung durch Beratung statt. Das FG qualifizierte seine Einkünfte als gewerblich.
Der BFH hob das Urteil des FG auf und stellte fest, dass Dr. AM trotz seiner überwiegend organisatorischen Tätigkeit freie Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit erzielt. Die persönliche Ausübung eines freien Berufs könne in Form von Mit- und Zusammenarbeit erfolgen. Ein Mindestumfang nach außen gerichteter Tätigkeit ist gesetzlich nicht vorgegeben. Fünf konsiliarische Beratungen genügen als am Markt ausgeübte Tätigkeit.
Der BFH macht in seiner Entscheidung unmissverständlich deutlich, dass für die Qualifikation als freiberufliche Tätigkeit nicht auf ein Minimum an praktischen Behandlungsleistungen abgestellt wird. Schon die Durchführung weniger konsiliarischer Beratungen reicht aus, um eine hinreichende Markttätigkeit i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu begründen. Die administrativen und organisatorischen Aufgaben, die Dr. AM innerhalb der Praxis wahrnahm, seien integraler Bestandteil des Zahnarztberufs und stünden einer Einordnung als selbstständige Tätigkeit nicht entgegen. Entscheidend sei vielmehr, dass die beruflichen Leistungen im freien Beruf erbracht werden und nicht primär fremdkapitalbezogenen Erträgen dienen.
Erläuterungen
Eine Personengesellschaft entfaltet nur dann eine Tätigkeit, die die Ausübung eines freien Berufs i. S. v. § 18 EStG darstellt, wenn sämtliche Gesellschafter die Merkmale eines freien Berufs erfüllen, denn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Freiberuflichkeit können nicht von der Personengesellschaft selbst, sondern nur von den natürlichen Personen im Gesellschafterkreis erfüllt werden. Diese Voraussetzung der Einkünftequalifikation bei freiberuflichen Mitunternehmerschaften unterscheidet sich von der Einkünftequalifikation bei gewerblichen Mitunternehmerschaften. Der Große Senat des BFH hat für den Bereich der Einkommensteuer entschieden, dass die Art der Einkünfte der Gesellschafter einer Personengesellschaft in erster Linie durch die Tätigkeit der Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit bestimmt wird und dass das Prinzip der Vielheit der Gesellschafter „regelmäßig“ ohne Einwirkung auf die Qualifikation der Einkünfte der Gesellschaft bleibt. Eine Ausnahme hiervon gilt, wenn zum gesetzlichen Tatbestand einer Einkunftsart Merkmale gehören, die weniger im Bereich der Tätigkeit eines Steuerrechtssubjekts liegen als in persönlichen Eigenschaften, die nur eine natürliche Person haben kann. Das trifft auf Tatbestandsmerkmale der „Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit“ nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu. Alle Berufe, die die Norm aufzählt, erfordern persönliche Eigenschaften, die nur der Gesellschafter einer Personengesellschaft, der eine natürliche Person ist, haben kann, nicht die Gesellschaft selbst. Daher kann eine Personengesellschaft „Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit“ nur erzielen, wenn alle Gesellschafter der Personengesellschaft die Voraussetzungen einer freiberuflichen Tätigkeit erfüllen. Jeder Gesellschafter muss mithin über die persönliche Berufsqualifikation verfügen und eine freiberufliche Tätigkeit, zu deren Ausübung er persönlich qualifiziert ist, tatsächlich entfalten. Erfüllt auch nur einer der Gesellschafter diese Voraussetzungen nicht, so erzielen alle Gesellschafter Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Eine Aufteilung der Einkünfte in freiberufliche und – für den Berufsfremden – in solche aus Gewerbebetrieb scheidet aus.
Für ärztliche und zahnärztliche Praxisgemeinschaften bedeutet die Entscheidung, dass die interne Arbeitsteilung und der Schwerpunkt einzelner Partner auf Verwaltungstätigkeiten nicht zu einer Gewerblichkeit führen, solange jeder Partner zumindest gelegentlich persönlich und eigenverantwortlich freiberufliche Leistungen am Markt erbringt. Um im Prüfungsverfahren vor dem Finanzamt Sicherheit zu haben, sollten Gesellschaftsverträge und Tätigkeitsbeschreibungen klar regeln, wer welche Leistungen erbringt. Äußerlich nachvollziehbare Leistungsnachweise – bspw. Beratungsdokumentationen – tragen dazu bei, den freiberuflichen Status zu untermauern und potenzielle Zweifel der Finanzbehörden frühzeitig auszuräumen.
Eine auch nur geringfügige Behandlungstätigkeit (hier: fünf Beratungen) reicht mithin aus.
Administrative und organisatorische Leistungen sind Teil des Berufsbildes und kein Ausschlussgrund.
Fazit | Im Kern entscheidend ist: Für freiberufliche Einkünfte müssen alle Partner die Voraussetzungen erfüllen. Die Ausübung kann unterschiedlich ausgestaltet sein. |
- BFH 4.2.25, VIII R 4/22, iww.de/astw, Abruf-Nr. 247293
AUSGABE: AStW 7/2025, S. 537 · ID: 50446994