FeedbackAbschluss-Umfrage

§ 1 GrEStG Verlängerung der Beteiligungskette einer Personengesellschaft kein Neueintritt

Abo-Inhalt04.04.20254068 Min. Lesedauer

Ändert sich bei einer Personengesellschaft innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergingen, gilt dies als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft ( § 1 Abs. 2a GrEStG ). Mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand von den an einer Personengesellschaft beteiligten Personengesellschaften werden durch Multiplikation der Prozentsätze der Anteile am Gesellschaftsvermögen anteilig berücksichtigt (§ 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG). Tritt eine Personengesellschaft in die Beteiligungskette an einer grundbesitzenden Personengesellschaft ein (Verlängerung der Beteiligungskette), ist fraglich, ob dies den Eintritt eines Neugesellschafters i. S. d. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG begründet, wenn sich die wirtschaftlich beteiligten Gesellschafter nicht ändern.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG. An der Klägerin war die X-KG mittelbar zu 100 % über eine Beteiligung an einer weiteren KG beteiligt. An der X-KG waren bis einschließlich 16.12.2015 AB und CB i. H. von jeweils 20 %, EG i. H. von 20 %, MG i. H. von 30 % und TG i. H. von 10 % beteiligt. Mit notarieller Urkunde schenkte EG ihren Söhnen MG und TG jeweils hälftig ihren Anteil an der X-KG, so dass nunmehr MG mit 40 % und TG mit 20 % an der X-KG beteiligt waren. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom selbigen Tag (Dezember 2015) wurde vereinbart, dass MG seinen Anteil an der X-KG i. H. von 40 % in die Y S.r.L (Y), eine Kapitalgesellschaft italienischen Rechts, einbringt. Außerdem wurde vereinbart, dass TG seinen Anteil an der X-KG i. H. von 20 % in die Z S.r.L. (Z), ebenfalls eine Kapitalgesellschaft italienischen Rechts, einbringt. Schließlich kamen die Parteien überein, dass AB und CB ihre Anteile an der X-KG i. H. von jeweils 20 % in die im Oktober 2015 gegründete W-KG einbringen. Kommanditisten der W-KG mit einem Anteil in Höhe von jeweils von 50 % waren AB und CB.

Das Finanzamt sah durch die Umstrukturierung den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG i. d. F. des StÄndG 2015 v. 2.11.2015 als erfüllt an und erließ einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer (Feststellungsbescheid). Im Hinblick auf die nunmehr über die W-KG vermittelten Beteiligungen von AB und CB an der X-KG gewährte das Finanzamt eine Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 3 GrEStG i. H. von 40 %. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb ebenso wie die Klage erfolglos. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Revision.

Entscheidung

Der BFH gibt der Revision des Finanzamts statt und hebt das Urteil des Finanzgerichts sowie die betreffenden Bescheide auf. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG sei entgegen der Ansicht des Finanzgerichts nicht verwirklicht worden. Durch die notariell beurkundete Vereinbarung vom Dezember seien nicht mindestens 95 % der Anteile an der grundbesitzenden Klägerin innerhalb von fünf Jahren unmittelbar oder mittelbar auf neue Gesellschafter übergegangen. Der Übergang von 40 % der Anteile an der mittelbar zu 100 % an der Klägerin beteiligten X-KG auf die W-KG erfülle den Tatbestand dieser Norm nicht. Denn die zuvor an der X-KG zu 40 % beteiligten AB und CB seien nach der Abtretung weiterhin mittelbar zu 40 % über die W-KG an der Klägerin beteiligt gewesen. Die W-KG sei daher nicht als neue Gesellschafterin der grundbesitzenden Klägerin i. S. d. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG anzusehen gewesen. Nach dem eindeutigen Wortlaut von § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG seien Personengesellschaften danach als transparent anzusehen. Bei mehrstöckigen Personengesellschaften sei auf allen Ebenen der beteiligten Personengesellschaften durchzuschauen und dortige Veränderungen der jeweiligen Beteiligungsverhältnisse seien in die Betrachtung einzubeziehen. Dabei seien nur diejenigen Veränderungen in den Beteiligungsverhältnissen relevant, durch die solche Rechtsträger neu beteiligt würden, an denen keine gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen bestehen könnten.

Das Finanzgericht vertrat die Auffassung, dass für die Frage des Eintritts neuer Gesellschafter i. S. d. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG die Beurteilung der Änderung des Gesellschafterbestands auf die Ebene der X-KG zu beschränken und die Beteiligungsverhältnisse an der W-KG außer Acht zu lassen seien. Für die Frage, ob § 1 Abs. 2a GrEStG vorlag, kam es aber maßgeblich auf die Zwischenschaltung der W-KG an, weil sich wirtschaftlich durch diesen Vorgang an sich nichts geändert hat: Zunächst waren AB und CB unmittelbar mit 20 % an der X-KG beteiligt, nach den Übertragungsverträgen vom Dezember 2015 dann mittelbar über die W-KG, an der beide je 50 % hielten.

Erläuterungen

Bei mehrstöckigen Personengesellschaften hat sich durch die Einfügung des neuen Satzes 2 in § 1 Abs. 2a GrEStG als Reaktion des Gesetzgebers auf die BFH-Rechtsprechung (24.4.13,I R 17/10) zur mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands hinsichtlich der Beurteilung von mittelbaren Änderungen des Gesellschafterbestands einer grundbesitzenden Personengesellschaft nichts geändert. Insoweit ist weiterhin eine wirtschaftliche Betrachtungsweise maßgebend. Diese schließt es aus, bei mehrstöckigen Beteiligungsstrukturen die Beurteilung auf bestimmte Beteiligungsebenen der Personengesellschaft zu beschränken und die Beteiligungsverhältnisse auf höheren Beteiligungsebenen außen vor zu lassen. Wird daher eine an der grundbesitzenden Personengesellschaft mittelbar beteiligte Personengesellschaft in die Gesellschafterstruktur eingefügt, ohne dass sich die Rechtsträger, an denen keine gesellschaftsrechtliche Beteiligung bestehen könnten, ändern, tritt kein neuer Gesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft hinzu. Die neu zwischengeschaltete, mittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligte Personengesellschaft stelle selbst – entgegen der Ansicht des Finanzamts – keinen „neuen Gesellschafter“ i. S. v. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG dar.

Es kommt – so explizit der BFH – nicht darauf an, dass § 6 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG die Nichterhebung der Steuer in dem Umfang vorsehe, in dem die Gesellschafter der ursprünglichen Personengesellschaft am Vermögen der neu mittelbar beteiligten Personengesellschaft beteiligt seien. § 6 GrEStG ist zwar auf alle steuerbaren Erwerbsvorgänge des § 1 GrEStG anwendbar. Die Vorschrift gilt auch für den fiktiven Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG. Sie entfalte ihre Wirkung aber nur bei einer unmittelbaren oder mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands einer grundbesitzenden Personengesellschaft, die den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG erfüllt. Das sei hier nicht der Fall. Es kam zur Verlängerung der Beteiligungskette. Der BFH widersprach letztlich der Auffassung der Finanzverwaltung in den gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder v. 10.5.2022 zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG im Beispiel 5.3.2 (BStBl 2022 I S. 801, NWB PAAAI-62741 ) widerspricht. Die Finanzverwaltung würde die W-KG als Neugesellschafterin, ohne die Beteiligungsverhältnisse unter Berücksichtigung ihrer Gesellschafter durchzurechnen, behandeln. Lediglich bei Kapitalgesellschaften kommt es ohne Durchblick auf deren Gesellschafter bei Verlängerung der Beteiligungskette zu einem Eintritt eines Neugesellschafters.

Fundstelle
  • BFH 21.8.24, II R 16/22, iww.de/astw, Abruf-Nr. 246042

ID: 50344906

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2025

Bildrechte