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UmsatzsteuerOrganschaft: EuGH bestätigt Nicht-Steuerbarkeit von Innenumsätzen im Autohaus-Verbund

Abo-Inhalt28.10.20241598 Min. LesedauerVon Sören Hoss, Steuerberater und Umsatzsteuer-Experte, Ludwigsburg

| Die umsatzsteuerliche Organschaft führt seit Jahren sowohl in Deutschland als auch auf EU-Ebene immer wieder zu Diskussionen und Rechtsstreitigkeiten. Eine Frage hat der EuGH jüngst geklärt. Nämlich die, ob Umsätze innerhalb des Organkreises doch mit Umsatzsteuer abzurechnen sind. Für Autohäuser mit mehreren Gesellschaften im Verbund wäre dies ein Super-GAU. Lesen Sie, wie der EuGH entschieden hat und was das für die Autohaus-Praxis bedeutet. |

Das hat es mit der Organschaft auf sich

Die Organschaft ist ein Konstrukt im Umsatzsteuerrecht, für dessen Bestehen bestimmte Eingliederungsvoraussetzungen vorliegen müssen. Das sind:

  • Finanzielle Eingliederung
  • Wirtschaftliche Eingliederung
  • Organisatorische Eingliederung

Die finanzielle Eingliederung

Die finanzielle Eingliederung hängt vom Besitz der entscheidenden Anteilsmehrheit an der Organgesellschaft ab, die es dem Organträger ermöglicht, durch Mehrheitsbeschlüsse seinen Willen in der Organgesellschaft durchzusetzen. Das ist grundsätzlich gegeben, wenn mehr als 50 Prozent der Anteile bzw. Stimmrechte an der Organgesellschaft dem Organträger zuzurechnen sind (Abschn. 2.8 Abs. 5 UStAE).

Die wirtschaftliche Eingliederung

Die wirtschaftliche Eingliederung bedingt einen engen wirtschaftlichen Zusammenhang in Form einer gegenseitigen Förderung und Ergänzung. Dabei ist wichtig, dass den gegenseitig erbrachten Leistungen eine wesentliche Bedeutung im Rahmen der Gesamttätigkeit zukommt (Abschn. 2.8 Abs. 6 UStAE).

Die organisatorische Eingliederung

Die organisatorische Eingliederung liegt in ihrer einfachsten Form vor, wenn zwischen den Unternehmen in der Geschäftsführung Personenidentität besteht, sprich in beiden Unternehmen die selben Geschäftsführer tätig sind (Abschn. 2.8 Abs. 7 UStAE). Es sind jedoch auch schwächer ausgeprägte Varianten denkbar, um eine organisatorische Eingliederung zu begründen.

Das sind die Folgen einer Organschaft

Sind alle drei Eingliederungsvoraussetzungen erfüllt, liegt eine Organschaft vor.

Mehrere Unternehmen werden als ein Unternehmen behandelt

In der Folge werden für umsatzsteuerliche Zwecke mehrere Unternehmen wie ein Unternehmen behandelt. Das hat u. a. Auswirkung auf die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung und auf die Umsätze zwischen den einzelnen Unternehmen. So ist z. B. der Organträger dafür verantwortlich, sämtliche Umsätze des Organkreises – also die Umsätze aller Organgesellschaften – zu konsolidieren und gegenüber dem Finanzamt zu melden.

Innenumsätze sind nicht steuerbar

Daneben ist für die Praxis vor allem entscheidend, dass Leistungen zwischen den Gesellschaften nicht steuerbar sind. Das bedeutet: Entgeltliche Umsätze können im Organkreis als Innenumsätze qualifiziert und ohne Umsatzsteuer abgerechnet werden.

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BFH ruft EuGH an: Innenumsätze wirklich nicht steuerbar?

Jüngst wurde jedoch die Frage laut, ob die Innenumsätze im Organkreis denn wirklich nicht steuerbar sind oder diese doch – entgegen der deutschen Auffassung – mit Umsatzsteuer abzurechnen sind (Vorlagefrage des BFH, Beschluss vom 26.01.2023, Az. V R 20/22 (V R 40/19), Abruf-Nr. 234377).

Die Antwort hat der EuGH mit Urteil vom 11.07.2024 (Rs. C-184/23, Abruf-Nr. 242640) geliefert: Innenumsätze im Organkreis sind nicht steuerbar. Die bisherige nationale Regelung bleibt also bestehen. Bereits bestehende Organschaften müssen somit nichts umstellen und können Innenumsätze weiterhin ohne Umsatzsteuer abrechnen.

Wichtig | Die Organschaft ist kein Wahlrecht (Abschn. 2.8 Abs. 4 UStAE). Folglich kann eine nicht erkannte Organschaft zu einem erhöhten Korrekturbedarf im Unternehmensverbund führen – selbst wenn die fälschlich ausgewiesene Umsatzsteuer zu keiner Steuerschuld nach § 14c UStG führt. Darüber hinaus kann sich ein Organschaftsverhältnis auch auf Haftungen oder Vorsteuerquoten nach § 15 Abs. 4 UStG auswirken.

Wann das EuGH-Urteil Autohäuser betrifft

Die neueste EuGH-Rechtsprechung ist für Sie relevant, wenn in Ihrem Unternehmensverbund eine Organschaft vorliegt und mehrere Gesellschaften des Verbunds untereinander Leistungen erbringen. Für die Automobilbranche sind zwei Konstellationen typisch:

  • Für den Besitz von Grundstücken bzw. Immobilien werden eigene Gesellschaften gegründet, während eine weitere Gesellschaft für die operative Abwicklung (Fahrzeugverkauf, Werkstatt, Vermietung etc.) verantwortlich ist. Der Inhaber und Geschäftsführer des Autohauses agiert auch als Geschäftsführer der Immobiliengesellschaft. Zudem hält die operative Gesellschaft alle Anteile an der Immobiliengesellschaft. Sofern das Grundstück von der Immobiliengesellschaft an die operative Gesellschaft vermietet wird und einen wesentlichen Bestandteil für deren Umsätze ausmacht (u. a. Werkstatt, Showroom etc.), sind die Voraussetzungen der umsatzsteuerlichen Organschaft zu prüfen (BFH, Urteil vom 01.02.2022, Az. V R 23/21, Abruf-Nr. 231388).
  • Für operative Zwecke werden mehrere Gesellschaften gegründet. Während Gesellschaft A den An- und Verkauf von Fahrzeugen verantwortet, ist die Geschäftstätigkeit von Gesellschaft B die Abwicklung von Serviceeinsätzen/Reparaturen oder die Verwaltungstätigkeit (Abwicklung Aufträge, Mahnwesen, Angebotserstellung).

Wichtig | Auch die Trennung etwaiger Finanzierungsdienstleistungen kommt in der Praxis häufig vor, z. B. wenn eine eigene Gesellschaft gegründet wird, die die Abwicklung von Leasingfahrzeugen verantwortet.

Weiterführender Hinweis
  • Beitrag „EuGH hält USt-Organschaft in Teilen für unionsrechtswidrig: Das sind die Folgen für Sie“, ASR 2/2023, Seite 12 → Abruf-Nr. 48965138

AUSGABE: ASR 11/2024, S. 10 · ID: 50133319

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