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AutokaufrechtOLG Oldenburg verneint gutgläubigen Erwerb: Handlungsempfehlungen für die Praxis

Abo-Inhalt27.06.20235555 Min. LesedauerVon Andrej Pletter, Rechtsanwalt und Notar, Buchholz in der Nordheide

| Werden Ihnen beim Fahrzeugkauf die Zulassungsbescheinigungen vorgelegt und übergeben, können Sie in der Regel davon ausgehen, dass Sie das Fahrzeug wirksam erworben haben. Dass Sie darauf nicht immer vertrauen sollten, zeigt eine Entscheidung des OLG Oldenburg. ASR macht Sie mit dem Urteil vertraut und gibt Handlungsempfehlungen für die Praxis. |

Der Fall vor dem OLG Oldenburg

Auf den Punkt gebracht lehrt das Urteil, dass der gutgläubige Erwerb eines Fahrzeugs selbst dann an den Gesamtumständen des Kaufvorgangs scheitern kann, wenn die Original-Zulassungsbescheinigungen vorgelegt wurden.

Abschluss des Kaufvertrags nachts in Schnellrestaurant

Im konkreten Fall hatte sich ein Privatmann auf eine Online-Anzeige gemeldet, in der ein Lamborghini zum Kauf angeboten worden war. Er kam in Kontakt mit zwei Brüdern, die vorgaben, das Fahrzeug für einen in Spanien lebenden Eigentümer verkaufen zu wollen. Er traf sich mit den beiden zunächst auf dem Parkplatz einer Spielothek, um das Fahrzeug zu besichtigen. Die Übergabe des Fahrzeugs fand ein paar Tage später gegen 23:00 Uhr auf dem Parkplatz eines Schnellrestaurants statt. In dem Schnellrestaurant wurde dann auch gegen 01:00 Uhr der Kaufvertrag unterschrieben.

Fahrzeug in Spanien unterschlagen

Dem Privatmann wurde bei Kaufvertragsabschluss die Vorderseite einer Kopie des Personalausweises des angeblichen Eigentümers vorgelegt. Diese wies auffällige Abweichungen zur Schreibweise des Namens und der Adresse im Kaufvertrag und den Zulassungsbescheinigungen auf. Dennoch zahlte der Privatmann den Kaufpreis und erhielt im Gegenzug den Lamborghini, die Zulassungsbescheinigungen und die Schlüssel. Als er das Fahrzeug auf sich anmelden wollte, stellte sich heraus, dass dieses unterschlagen worden war.

Gutgläubiger Erwerb scheitert an grober Fahrlässigkeit des Käufers

Der spanische Eigentümer verlangte nun die Herausgabe des Fahrzeugs. Das LG Osnabrück wies die Klage in erster Instanz ab. Begründung: Der Privatmann habe nach § 932 BGB gutgläubig Eigentum an dem Fahrzeug erworben, da er nicht gewusst habe, dass der im Kaufvertrag benannte Veräußerer in Wahrheit nicht Eigentümer sei, und auch nicht grob fahrlässig gehandelt habe. Das sah das OLG Oldenburg anders. Trotz Vorlage der Original-Zulassungsbescheinigungen seien die Gesamtumstände so ungewöhnlich gewesen, dass der Privatmann habe stutzig werden müssen. Er habe allein mit den als Vermittlern auftretenden Brüdern verhandelt, ohne je mit dem Eigentümer des Fahrzeugs in Kontakt gestanden, geschweige denn sich wenigstens eine Vollmacht vorlegen zu lassen. Auch Ort und Zeit des Kaufvertrags und die unterschiedlichen Schreibweisen der Personalien des angeblichen Eigentümers hätten ihn zu weiteren Nachforschungen veranlassen müssen. Besondere Vorsicht sei auch deshalb geboten gewesen, weil es sich um ein Fahrzeug der Luxusklasse handelte, das erst wenige Tage zuvor in Deutschland zugelassen worden war. Das Fahrzeug müsse an den Eigentümer herausgegeben werden (OLG Oldenburg, Urteil vom 27.03.2023, Az. 9 U 52/22, Abruf-Nr. 235913).

Gutgläubiger Erwerb: Dauerbrenner vor Gericht

Über die Frage des gutgläubigen Erwerbs bei einem Fahrzeugkauf musste ein Gericht nicht zum ersten Mal entscheiden. Die Ausgangslage ist immer dieselbe: Mit der Klage verlangt der Kläger vom Beklagten die Herausgabe des Fahrzeugs. Begründung: Der Beklagte sei – aus welchen Gründen auch immer – nicht Eigentümer des Fahrzeugs geworden.

Dreh- und Angelpunkt ist die Zulassungsbescheinigung Teil II

Dreh- und Angelpunkt für die Beantwortung der Frage, ob ein Fahrzeug gutgläubig erworben wurde, ist meist die Zulassungsbescheinigung Teil II. Denn: Wer sich diese beim Kauf eines Gebrauchtwagens nicht vorzeigen lässt, handelt grob fahrlässig. So sagt es die Rechtsprechung (z. B. LG Mönchengladbach, Urteil vom 29.08.2005, Az. 2 O 36/05, Abruf-Nr. 235107).

Halter und Eigentümer müssen nicht identisch sein

Doch ganz so einfach ist die Sache nicht – das zeigt nicht zuletzt das obige Urteil des OLG Oldenburg. Auch nach ständiger Rechtsprechung des BGH gehört die Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil II zwar zu den Mindestanforderungen für den gutgläubigen Erwerb eines Gebrauchtwagens. Sie stellt aber keinen Eigentumsnachweis dar. Im Gegenteil: Unter Punkt C.4 wird darauf hingewiesen, dass der Inhaber der Zulassungsbescheinigung Teil II nicht als Eigentümer des Fahrzeugs ausgewiesen wird. Sie weist nämlich lediglich den Halter aus. Auch die Zulassungsstelle prüft die zivilrechtliche Eigentümerstellung bei der Zulassung nicht.

Wichtig | Gleichwohl kommt der Zulassungsbescheinigung Teil II eine Indizwirkung zu. Sie vermittelt nämlich den Rechtsschein der Verfügungsberechtigung über das Fahrzeug. Dies folgt aus der Erkenntnis, dass in aller Regel der Eigentümer des Fahrzeugs und derjenige, der in der Zulassungsbescheinigung Teil II eingetragen ist und sie in den Händen hält, identisch sind. Das muss aber eben nicht zwangsläufig so sein.

Keine Zulassungsbescheinigung Teil II – kein gutgläubiger Erwerb

Legt der Verkäufer dem Käufer keine Zulassungsbescheinigung Teil II vor, spricht dies beim Gebrauchtwagenkauf in der Regel gegen das Eigentum oder die Verfügungsberechtigung des Verkäufers. Dann scheidet ein gutgläubiger Erwerb des Erwerbers jedenfalls wegen grobfahrlässiger Unkenntnis von der fehlenden Verfügungsberechtigung des Verkäufers aus.

Strenge Anforderungen für Kfz-Händler

Kfz-Händler unterliegen beim Fahrzeugerwerb strengeren Anforderungen als unerfahrene Privatkäufer. Schließlich betreiben Sie den Handel mit Fahrzeugen gewerbsmäßig. Um dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit zu entgehen, wird erwartet, dass Sie die Übereinstimmung der in der Zulassungsbescheinigung Teil II angegebenen Fahrgestellnummer mit der Fahrgestellnummer des Fahrzeugs vergleichen. Ist sie gefälscht, ist das aber für Sie nicht erkennbar und bestehen auch sonst keine anderen Verdachtsmomente, dann erwerben auch Kfz-Händler das Fahrzeug aufgrund guten Glaubens.

Handlungsempfehlungen für die Autohaus-Praxis

Aus dem Urteil des OLG Oldenburg und der bisherigen Rechtsprechung lassen sich folgende Handlungsempfehlungen für die Praxis ableiten:

Praxistipp 1: Zulassungsbescheinigung Teil II aushändigen lassen

Lassen Sie sich ohne Wenn und Aber die Zulassungsbescheinigung Teil II aushändigen, wenn Sie ein Fahrzeug ankaufen. Tun Sie das nicht, beruht Ihre Unkenntnis als Erwerber des Fahrzeuges darüber, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört, auf grober Fahrlässigkeit. Es droht das Damoklesschwert, dass Sie das Fahrzeug nicht gutgläubig erworben haben.

Praxistipp 2: Auf plausiblem Grund bei ZB-Einbehalt bestehen

Will der Verkäufer die Zulassungsbescheinigung Teil II nicht aushändigen, muss er Ihnen für den Einbehalt des Dokuments einen plausiblen Grund nennen (z. B. die Sicherstellung der Übersendung der Erlangensbestätigung durch Sie als das erwerbende Autohaus an den Veräußerer des Fahrzeugs (vgl. BGH, Urteil vom 23.09.2022, Az. V ZR 148/21, Abruf-Nr. 231430). Kann er das nicht, sollten Sie den Kauf bis zur Vorlage des Dokuments aufschieben.

Praxistipp 3: Lassen Sie sich den Zweitschlüssel geben

Lassen Sie sich immer alle Schlüssel mit aushändigen. Ob bei Übergabe des zu erwerbenden Fahrzeugs ein fehlender Zweitschlüssel den guten Glauben ausschließt, ist in der Rechtsprechung zwar umstritten, andernfalls besteht die Gefahr, dass Sie das Fahrzeug nicht wirksam erworben haben.

Praxistipp 4: Bei ausländischen Papieren auf richtiges ZB-Äquivalent achten

Lassen Sie sich bei ausländischen Papieren unbedingt das Äquivalent zur Zulassungsbescheinigung Teil II im Original vorlegen. Ggf. müssen Sie zuvor recherchieren, ob es sich um das richtige ausländische Papier handelt. Machen Sie das nicht, können Sie sich nicht auf den gutgläubigen Erwerb berufen.

Praxistipp 5: Bei juristischen Personen Halterabfrage durchführen

Eine juristische Person ist als Halter in der Zulassungsbescheinigung Teil II eingetragen: Prüfen Sie die Berechtigung der veräußernden Person.

Praxistipp 6: Zulassungsbescheinigung bei Bank

Der Verkäufer weist darauf hin, dass sich die Zulassungsbescheinigung noch bei der Bank befindet: In diesem Fall müssen Sie damit rechnen, dass das Fahrzeug noch sicherungsübereignet ist, sprich der Verkäufer nicht verfügungsberechtigt ist. Sollte die Bank das Geschäft nachträglich nicht genehmigen, scheidet der gutgläubige Erwerb aus.

Im B2B-Geschäft zwischen zwei Kfz-Händlern gelten die gleichen Handlungsempfehlungen. Achten Sie also auch dort auf die Praxistipps, insbesondere dann, wenn Fahrzeuge aus beendeten Leasingverträgen stammen.

AUSGABE: ASR 7/2023, S. 7 · ID: 49436731

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