Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Juli 2023 abgeschlossen.
VerkehrssicherungspflichtBGH mahnt zur erhöhten Sorgfalt bei Bestellung und Weitergabe von Ersatzschlüsseln
| Die Zeiten des Schlüsselkopierens an der Schleifmaschine sind passé. Wer einen neuen Schlüssel braucht, muss den beim Hersteller bestellen. Agieren Sie als Händler als Glied in der Beschaffungskette zu sorglos, haften Sie für einen mit dem beschafften Schlüssel begangenen Diebstahl. Das hat der BGH entschieden – und mahnt mit seinem Urteil alle Händler zur erhöhten Sorgfalt bei der Schlüsselbeschaffung. |
Vierfacher Auto-Diebstahl mit echten Ersatzschlüsseln
In dem BGH-Fall verklagte ein Teilkaskoversicherer einen VW-Händler erfolgreich auf Ersatz von ihm regulierter Versicherungsschäden in mittlerer fünfstelliger Höhe. Diebe hatten zuvor vier bei ihm versicherte Autos gestohlen – mit Hilfe echter Ersatzschlüssel. Diese waren vom VW-Händler beim Hersteller bestellt und dann an eine litauische Firma weitergegeben worden, zu der der VW-Händler langjährige Beziehungen unterhielt und die als „nicht organisationsgebundener rabattbegünstigter Abnehmer“ (NORA) eingestuft war. Für die Schlüsselbestellung teilte der NORA-Betrieb dem VW-Händler lediglich die Fahrzeug-Identifizierungsnummer (FIN) des jeweiligen Autos mit. Irgendeine Legitimation des Nutzers des Fahrzeugs mit der betroffenen FIN, irgendeine plausible Erklärung, warum der Schlüssel benötigt wird, wurde weder übermittelt noch erfragt.
Hersteller empfehlen erhöhtes Maß an Sorgfalt
Der Hersteller der geklauten Autos empfiehlt für die Beschaffung von Ersatzschlüsseln eine besondere Verfahrensweise und Dokumentation, um Missbrauch zu verhindern: Die sog. Nachweiskarte. Sie fordert neben der Angabe der FIN u. a. einen Fahrzeug-Besitznachweis in Verbindung mit einer Legitimation (Pass/Ausweis), sofern der Kunde nicht persönlich bekannt ist, und regt eine Bestätigung durch Unterschrift sowie bei Verlust/Diebstahl des Altschlüssels die Information der Polizei und/oder des Versicherers an.
Wichtig | Dieses besondere Verfahren gilt im Verhältnis zum Werkstattkunden. Es könne zwar nicht unmittelbar auf das Verhältnis zu einer anderen Werkstatt angewendet werden, zeige dem Händler aber gleichwohl die Sensibilität der Schlüsselbeschaffung auf, so der BGH.
BGH: VW-Händler verstößt gegen Verkehrssicherungspflichten
Im BGH-Fall hätte der VW-Händler die Bestellung also nur gegen eindeutige Berechtigungsnachweise abwickeln dürfen. Die ausschließlich auf FIN-Mitteilung erfolgte Beschaffung für den litauischen Ersatzteilkunden, der sie vom Hersteller direkt nicht bekommen hätte, verstoße somit gegen Verkehrssicherungspflichten (BGH, Urteil vom 28.03.2023, Az. VI ZR 19/22, Abruf-Nr. 235457).
Praxistipp | Nehmen Sie das BGH-Urteil zum Anlass, um Ihre Abläufe bei der Ersatzschlüsselbeschaffung zu überprüfen! |
AUSGABE: ASR 7/2023, S. 6 · ID: 49487494