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Beratung in der ApothekeSchmerztherapeutische Beratung in der Apotheke – ein wichtiger Baustein der Patientenversorgung
| Die Deutsche Schmerzliga (DSL) ging im Jahr 2020 von rund 30 Mio. Menschen in Deutschland aus, die unter immerwährenden Schmerzen leiden – davon 6 bis 8 Mio. Schwerstbetroffene. Hinzu kommt die Zahl der Menschen mit akuten Schmerzen. Da die meisten Schmerzpatienten ambulant versorgt werden, ist die schmerztherapeutische Beratung in der Apotheke ein wichtiger Baustein für eine gute Patientenversorgung. |
Inhaltsverzeichnis
- Nicht verschreibungspflichtige Schmerzmittel liegen im Trend
- Stellen Sie vor Abgabe eines OTC-Präparats gezielte Fragen
- Erläutern Sie Alternativen und Ergänzungen
- Begleiten Sie chronische Schmerzpatienten dauerhaft
- Nehmen Sie sich Zeit bei der Erläuterung neuer Medikamente
- Klären Sie wichtige Alltagsfragen
Nicht verschreibungspflichtige Schmerzmittel liegen im Trend
In den vergangenen Jahren ist die Nachfrage nach nicht verschreibungspflichtigen Schmerzmitteln deutlich gestiegen. Viele Schmerzgeplagte gehen gar nicht erst zum Arzt, sondern direkt in die Apotheke: 2023 hatten zum Zeitpunkt einer Erhebung durch das Institut für Demoskopie Allensbach 35,69 Mio. Patienten ab 14 Jahren in den letzten drei Monaten rezeptfreie Schmerzmittel eingenommen. Bis 2029 wird ein Wachstum des Marktvolumens von 5,25 Prozent erwartet. Besonders wichtige Entscheidungskriterien für ein Präparat sind namhafte Hersteller, eine schnelle und lang anhaltende Wirkung, ein geringes Nebenwirkungsrisiko und eine hohe Qualität.
Praxistipp | Gehen Sie bei Ihrer Beratung auf diese Hauptauswahlkriterien ein. Viele Apothekenkunden sind übrigens gerne bereit, für pflanzliche oder „natürliche“ Schmerzmittel etwas mehr zu bezahlen. |
Stellen Sie vor Abgabe eines OTC-Präparats gezielte Fragen
Ob Zahnextraktion oder Hexenschuss – Patienten mit akuten Beschwerden haben oft ganz konkrete Wünsche, wenn es um Schmerzmittel geht. Auch dann sollten Sie nicht auf eine sorgfältige Beratung verzichten, denn viele Patienten verlassen sich automatisch auf ihr Standardpräparat aus der Hausapotheke, ohne zu wissen, dass bestimmte Wirkstoffe spezielle Anwendungsgebiete haben: Wer bei neuropathischen Schmerzen nach einer Verletzung sein „altbewährtes“ ASS einnimmt, wird wenig Linderung erfahren, und wer zwischenzeitlich Gerinnungshemmer verschrieben bekam, sollte ASS gar nicht mehr einnehmen, ohne mit seinem Arzt zu sprechen.
Erfragen Sie daher auch bei Patienten, die klar ein bestimmtes Präparat verlangen, Symptome, Erkrankungen und die sonstige Medikation. Wichtig ist auch, wie lange die Schmerzen schon bestehen und ob und wie lange bereits ein Schmerzmittel eingenommen wird. Weisen Sie darauf hin, dass auch verschreibungsfreie Präparate ohne Rücksprache mit dem Arzt nicht länger als drei Tage hintereinander und höchstens zehn Tage im Monat eingenommen werden sollten.
Erläutern Sie Alternativen und Ergänzungen
Begleitend oder alternativ zu einem oralen Schmerzmittel können andere Maßnahmen empfohlen werden. Empfehlen Sie z. B. ein Kältespray, kühlende Gele, wirkstofffreie Thermopacks, wärmende Salben, Heilpflanzentees oder Präparate mit ätherischen Ölen. Auch die richtige (feuchte) Wundversorgung mit einem Hydrogel trägt zur Schmerzlinderung bei. Förderliche Verhaltensweisen wie Ruhigstellung, Bewegung, Kneipp-Anwendungen, Ernährungsumstellung etc. sollten ebenso Bestandteil Ihrer Beratung sein wie die Empfehlung von magenschützenden Medikamenten.
Fortbildungs- und Zertifizierungsinitiative „NetzwerkApotheke Schmerz“ Praxistipp | Die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. (DGS) hat mit Unterstützung der DSL eine Fortbildungsinitiative für Apotheken entwickelt, um diese bei der fachlichen Beratung von Schmerzpatienten zu unterstützen. Nach erfolgreichem Abschluss wird ein Zertifikat „NetzwerkApotheke Schmerz“ verliehen und es besteht die Möglichkeit, die Apotheke in die Schmerzkompetenzdatei der DSL aufnehmen zu lassen. |
Begleiten Sie chronische Schmerzpatienten dauerhaft
Menschen mit chronischen Schmerzen sind oft schon viele Jahre auf ihr Medikament eingestellt. In der Apotheke lösen sie regelmäßig die Folgerezepte ein, das Beratungsgespräch beschränkt sich meist auf: „Sie kennen sich mit der Einnahme aus?“ Das ist ein Fehler, denn von Zeit zu Zeit sollte erneut sichergestellt werden, dass weiterhin alles in Ordnung ist und dass dem Anwender auch Nebenaspekte der Therapie (noch) präsent sind. Scheuen Sie sich also nicht, auch bei Folgerezepten noch einmal nachzufragen und das scheinbar Selbstverständliche kurz anzusprechen. Dies sollte so kurz wie möglich, aber so konkret wie nötig geschehen.
Beispiele |
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Manchmal klagen Patienten mit chronischen Schmerzen auch darüber, dass das verordnete Schmerzmittel nicht mehr ausreicht oder ein Folgepräparat nicht wirkt. Versuchen Sie dann, gemeinsam die Ursache herauszufinden und Lösungsangebote zu machen. Vielleicht wird das Präparat mit etwas kombiniert, das die Wirkung beeinträchtigt, oder ein Folgepräparat hat ein anderes Freisetzungsprofil als der Vorgänger. Das muss ggf. mit dem behandelnden Arzt besprochen werden.
Nehmen Sie sich Zeit bei der Erläuterung neuer Medikamente
Eine ausführlichere Beratung ist notwendig, wenn Patienten mit einer neuen Verschreibung für ein starkes Schmerzmittel in die Apotheke kommen. Hier liegt der Schwerpunkt weniger auf Fragen als auf der genauen Erläuterung der Anwendung. Hilfreich sind dabei schriftliche Merkhilfen, die auch äußere Einflüsse auf die Wirkung erklären (beispielsweise heiße Bäder, Sauna), wie z. B. der Leitfaden der DBfK-Bundesfachgruppe Pflegeexperten Schmerz zum Umgang mit opioidhaltigen Schmerzpflastern (www.iww.de/s10832).
Oft haben Patienten Schwierigkeiten, Medikamentenverpackungen wie kindergesicherte Einzeldosis-Blister zu öffnen. Erläutern Sie beim ersten Kauf deren Benutzung und fragen Sie später regelmäßig, ob die Handhabung noch gut funktioniert.
Praxistipp | Lassen Sie sich von Schmerzmittelfirmen wirkstofffreie Demonstrationsmuster zur Verfügung stellen und zeigen Sie praktisch, wie man eine Kindersicherung entfernt und Pflaster aufklebt. Am besten ist es, Sie üben vorher selbst ein paar Mal. |
Sprechen Sie mögliche Nebenwirkungen wie Verstopfung oder vorübergehende Übelkeit unter der Opioidtherapie an. Patienten, die wissen, dass diese Nebenwirkungen i. d. R. beherrschbar sind, suchen eher Rat beim Arzt oder in der Apotheke und brechen die Behandlung seltener ab. Für den Fall, dass der Arzt neben dem Opioid kein Mittel gegen Obstipation verordnet hat, empfehlen sie diese Therapieergänzung aktiv und verweisen den Patienten ggf. erneut an die Praxis.
Klären Sie wichtige Alltagsfragen
Typische Sorgen und Gedanken, die Patienten im Zusammenhang mit starken Schmerzmitteln beschäftigen können, sind z. B.
- „Ich habe gehört, dass man jetzt auch Auto fahren darf, wenn man mit Opioiden behandelt wird – stimmt das?“
- „Ich will aber nicht süchtig werden!“,
- „Darf ich das Medikament auf meine Auslandsreise mitnehmen?“,
- „Wie kann ich für den Arzt den Verlauf meiner Schmerzen dokumentieren?“,
- „Muss ich jetzt auf jeder Party auf Alkohol verzichten?“.
Nehmen Sie ihnen nach Möglichkeit unnötige Ängste, indem Sie sachlich und leicht verständlich informieren. Online-Informationen von Schmerzgesellschaften und Selbsthilfegruppen sowie Hinweise auf Angebote wie Opioidausweise, Schmerztagebücher oder Schmerz-Apps können dabei eine große Hilfe sein.
- „Schmerzpatienten in der Apotheke: Das können Sie raten“, www.iww.de/ah, Abruf-Nr. 44790930
AUSGABE: AH 12/2024, S. 9 · ID: 50022053