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CME-Beitrag Genderangepasste Dosierungen schützen Frauen vor schweren Nebenwirkungen
| Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) treten doppelt so häufig bei Frauen auf wie bei Männern. Dafür sind diverse pharmakologische Mechanismen und unterschiedliche Verhaltensweisen verantwortlich. Umso wichtiger ist es, dass Frauen weltweit an klinischen Arzneimittelstudien teilnehmen und Medikamentenpläne zum Standard in Arztpraxen werden. |
Unterschiede der Pharmakokinetik bei Männern und Frauen
Die Pharmakokinetik beschreibt die Vorgänge, die einem Arzneimittel im menschlichen Organismus unterliegen. Dazu gehören Resorption, Distribution, Metabolismus und Elimination.
Bei Männern erreichen verabreichte Medikamente oft geringere Konzentrationen und bleiben kürzer im Körper. Verantwortlich dafür sind, neben meist größerem Körpervolumen und geringerem Körperfettgehalt [1]:
- höhere Enzymaktivität in der Leber
- rascherer Magen-Darm-Transport
- größerer Wassergehalt und erhöhtes Blutvolumen
- stärkere Durchblutung der Organe
- erhöhte Nierenaktivität
Frauen weisen hingegen langsamere Stoffwechselwege auf, wodurch das Pharmakon höhere Wirkspiegel erreicht und länger im Körper bleibt. Die gleiche Dosierung führt bei Frauen daher eher zu Nebenwirkungen als bei Männern. Zudem treten schwere Nebenwirkungen signifikant häufiger bei Patientinnen auf [2]. Prinzipiell ist es wichtig, dass Mediziner darauf achten, wen sie vor sich haben. Abgesehen vom Geschlecht haben die o. g. Faktoren (Fettanteil vs. Muskelanteil, Leber- und Nierenfunktion) den größten Einfluss auf die tatsächliche Medikamentenwirkung.
Hormone und Polypharmazie erhöhen das Risiko für UAW
Der weibliche Stoffwechsel unterliegt hormonellen Schwankungen (Menstruation, Menopause). Um diese Einflüsse bei der therapeutischen Breite eines Pharmakons berücksichtigen zu können, müssten Frauen konsequent und flächendeckend an klinischen Medikamentenstudien teilnehmen. Bisher gibt es solche Standards nur in der Europäischen Union und in den Vereinigten Staaten. Einen weiteren Einfluss auf das schlechte Nebenwirkungsprofil bei Frauen hat ihr Umgang mit Arzneimitteln. Sie nehmen öfter mehrere Pharmaka parallel ein, auch frei verkäufliche, was die Gefahr von Wechselwirkungen verstärkt [1].
Geschlechtersensible Arzneien in der Zahnmedizin
Lidocain erreicht bei Frauen eine deutlich höhere Zielkonzentration, durch Unterschiede in der Plasma-Proteinbindung. Bei Männern liegt der freie Substanzanteil bei 32 Prozent, bei Frauen bei 34 Prozent und bei Frauen, die eine orale Kontrazeption einnehmen, sogar bei 37 Prozent [3]. Der männliche Organismus verstoffwechselt und eliminiert Paracetamol aufgrund von aktiveren Leberenzymen schneller. Bei dem Analgetikum Ibuprofen ist die Enzymaktivität hingegen ähnlich [3]. Andere Medikamente weisen in Studien Unterschiede je nach Geschlecht auf, die in der klinischen Anwendung zumeist noch keine Berücksichtigung finden. Das betrifft die Antibiotika Cefotaxim, Ciprofloxacin, Ofloxacin. Sie wirken bei Frauen länger im Körper, da ihre renale Clearance vermindert ist [3].
Das Wichtigste in Kürze |
Auch in der Zahnarztpraxis werden Medikamente verwendet, bei denen es geschlechtsspezifische Unterschiede gibt. Zahnärzte sollten die Dosierung für Frauen entsprechend anpassen. Auch die Forschenden in der Pharmaindustrie sind gefragt. Sie müssen sicherstellen, dass genug Frauen an klinischen Studien teilnehmen. Falls nötig, tauchen geschlechterspezifische Dosierungen dann direkt im Beipackzettel auf. |
- [1] Gendermedizin: Brauchen wir Männer- und Frauen-Medikamente? iww.de/s10491.
- [2] Zucker I, Prendergast BJ. Sex differences in pharmacokinetics predict adverse drug reactions in women. Biol Sex Differ. 2020 Jun 5;11(1):32. doi.org/10.1186/s13293-020-00308-5.
- [3] Soldin, O. P. & Mattison, D. R. (2009). Sex differences in pharmacokinetics and pharmacodynamics. Clinical pharmacokinetics, 48(3), 143–157. iww.de/s10467.
AUSGABE: ZR 4/2024, S. 19 · ID: 49921501