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ZRZahnmedizinReport

CME-Beitrag Endoprothesenträger: Antibiotikaprophylaxe vor invasiven zahnärztlichen Eingriffen?

Abo-Inhalt29.03.20233407 Min. Lesedauer

| In puncto Antibiotikaprophylaxe bei Endoprothesenträgern vor invasiven zahnärztlichen Eingriffen gehen Praxis und offizielle Empfehlungen oft auseinander. In den USA z. B. verabreichen Zahnärzte diesen Patienten häufig ein Antibiotikum (AB), weil sie sich von orthopädischen Chirurgen und Patienten unter Druck gesetzt fühlen. Schließlich gilt die periprothetische Gelenkinfektion als Hauptursache für Prothesenversagen. Eine neue Studie empfiehlt Zahnärzten, wegen mangelnder Evidenz von der AB-Gabe abzusehen [1]. |

Unterschiedliche Empfehlungen in den USA

Konträre Empfehlungen zur AB-Prophylaxe bei Endoprothesenträgern vor invasiven zahnärztlichen Eingriffen sorgten in der Vergangenheit für Unsicherheit:

  • So setzte sich z. B. in den USA in den 1970- und 80er-Jahren zunächst die AB-Prophylaxe zur Vorbeugung infektiöser Endokarditis analog für Patienten mit hohem Risiko für eine periprothetische Infektion durch und veranlasste orthopädische Chirurgen, Zahnärzte in diesen Fällen zur AB-Gabe vor invasiven Maßnahmen aufzufordern.
  • Ende der 80er-Jahre empfahl die American Dental Association (ADA) trotz begrenzter Evidenz den AB-Einsatz zunächst offiziell.
  • Später schränkte sie gemeinsam mit der American Academy of Orthopaedic Surgeons (AAOS) die AB-Prophylaxe für nur zwei Jahre nach Gelenkersatz ein, empfahl sie aber bei erhöhtem periprothetischen Infektionsrisiko lebenslang.
  • 2014 setzte sich nochmals ein einberufenes ADA-Expertengremium intensiv mit dem Thema auseinander, konnte aber keinen Zusammenhang zwischen einer periprothetischen Infektion und vorherigen zahnärztlichen Eingriffen belegen – mit der Folge, dass man die AB-Prophylaxe für diese Patienten nicht generell empfahl. Zudem wurde auf AB-Resistenzen, Nebenwirkungen und Kosten der AB-Prophylaxe verwiesen. Die AAOS jedoch blieb bei ihrer Befürwortung [1, 2].

Aktuelle Empfehlung aus Großbritannien

Für neuere Forschungen schien Großbritannien ein geeignetes Feld, da dort bisher keine Empfehlung vorlag. Die Studie schloss 9.427 Patienten (Alter: 67,8 J., 25,3 % Hüft-, 33,6 % Knieprothesen) ein, die mit einer periprothetischen Infektion ins Krankenhaus kamen und deren zahnärztliche Protokolle einsehbar waren. Bei knapp der Hälfte war zudem der verursachende Keim bekannt (53,3 % Staphylokokken, 9,4 % orale Staphylokokken, 19,9 % div. Mikroorganismen, 12,5 % Mischinfektion). Allerdings gaben die Auswertungen der Patientendaten aus Großbritannien den Forschern keinen Anlass, die AB-Prophylaxe für Endoprothetikträger zu empfehlen. Stattdessen legen sie nahe, auf die Aufrechterhaltung einer guten Mundhygiene zu achten, um Fälle mit Beteiligung oraler Bakterien zu verhindern [1].

Empfehlungen in Deutschland

Trotz fehlender Evidenzlage empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik (eine Sektion der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie, DGOU) seit letztem Jahr unabhängig vom Zeitpunkt der Prothesenimplantatation eine einmalige Gabe von 2 g Amoxicillin eine Stunde vor einem invasiven („blutigen“) zahnärztlichen Eingriff – eine sorgfältige Allergieanamnese, Nutzen-Risiko-Abwägung und Aufklärung des Patienten zum „Off-Label-Use“ (keine offizielle Zulassung für Endoprothesenprophylaxe) vorausgesetzt. Dabei haftet der verschreibende Arzt im Falle einer Gefährdung des Patienten [3].

Seitens der Zahnärzteschaft gibt es in Deutschland keine Leitlinie zur Infektionsprophylaxe bei Endoprothesenträgern. In der Praxis wird nach wie vor häufig der ADA-Empfehlung gefolgt, von einer generellen antibiotischen Abschirmung bei der Behandlung von Endoprothesenträgern abzusehen.

Quellen
  • [1] Thornhill MH, Crum A, Rex S, et al. Analysis of prosthetic joint infections following invasive dental procedures in England. JAMA Netw Open 2022;5(1):e2142987, doi.org/10.1001/jamanetworkopen.2021.42987.
  • [2] Sollecito TP, Abt E, Lockhart PB, Truelove E, Paumier TM, Tracy SL, Tampi M, Beltrán-Aguilar ED, Frantsve-Hawley J. The use of prophylactic antibiotics prior to dental procedures in patients with prosthetic joints: Evidence-based clinical practice guideline for dental practitioners – a report of the American Dental Association Council on Scientific Affairs. J Am Dent Assoc 2015;146(1):11–16.e8, doi.org/10.1016/j.adaj.2014.11.012.
  • [3] Heller KD, Perka C, Renz N. Handlungsempfehlung für die Antibiotikaprophylaxe bei zahnmedizinischen Eingriffen – ein Update, Jan. 2022, Dt. Ges. für Endoprothetik, iww.de/s7721.

AUSGABE: ZR 4/2023, S. 5 · ID: 49225224

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