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CME-BeitragBedeutung von Zahnverlust im Alter
| Zahnverlust wirkt sich direkt auf die Kauleistung, auf kognitive Funktionen und die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität aus. Daher sollte auch und gerade bei älteren Patienten in erster Linie der Erhalt der eigenen Zähne im Fokus liegen, denn die Adaptationsfähigkeit an Zahnersatz lässt nach. Die nächstbesten Optionen sind festsitzender Zahnersatz oder möglichst stabile Prothesen. |
Herausnehmbaren Zahnersatz nach Möglichkeit vermeiden!
Bei einer unilateralen Freiendsituation kann eine Teilprothese mittels Implantaten oder über Kronen mit Anhänger zum Ersatz des ersten oder zweiten Prämolaren erfolgreich vermieden werden. Um einen Sinuslift oder eine Augmentation im Molarenbereich zu umgehen, ist auch ein Implantat in der Viererregion mit Fünfer-Anhänger möglich.
Bei bilateralen Freiendsituationen kommen Implantate oder herausnehmbarer Zahnersatz in Kombination mit kurzen Implantaten (s. Beitrag „Kurze Implantate stabilisieren Freiendsättel“ in dieser Ausgabe) in Betracht.
Festsitzende Prämolaren-Okklusion im Vorteil gegenüber Modellguss
Eine randomisiert klinisch-kontrollierte Studie aus Irland verglich die Therapieoptionen bei über 65-jährigen Patienten mit noch mindestens sechs Zähnen pro Kiefer und bilateraler Freiendsituation [1]. Eine Gruppe erhielt herausnehmbaren Zahnersatz (Modelguss-Prothesen bis einschließlich des Siebeners), die andere Gruppe bekam festsitzenden Zahnersatz als Prämolaren-Okklusion (Klebebrücken mit Anhänger). Untersucht wurden die Kaueffizienz und die Lebensqualität.
Beim Kaueffizienztest zeigten die beiden Gruppen nach Erhalt des Zahnersatzes zwar signifikante Verbesserungen, doch untereinander unterschieden sich die Gruppen nicht. Das heißt, obwohl die Modellguss-Prothesen mehr okklusale Einheiten ersetzten als die festsitzende Prämolaren-Okklusionsvariante, spiegelte sich dies in einer vermehrten Kauleistung nicht wider. Es gab sogar eine (nicht signifikante) Tendenz zu besserer Kauleistung bei der festsitzenden Prämolarenokklusion [1]. Die Lebensqualität bewerteten die Probanden mit der festsitzenden Klebebrücken-Versorgung in einem Fragebogen als besser.
Zudem zeigten Studien, dass Teilprothesen signifikant mit Zahnverlust assoziiert sind, insbesondere der Pfeilerzähne, egal ob Klammern, Teleskope oder Geschiebe angefertigt wurden [2]. Teilprothesen fördern Plaque und Gingivitis und erhöhen das Kariesrisiko, insbesondere die Wurzelkaries [3]. Daher ist ein drei- bis sechsmonatiger Mundhygiene-Recall wichtig. Eine Zahnreinigung einmal im Jahr ist dagegen nicht ausreichend.
Eigene Zähne mit besserer Allgemeingesundheit im Alter assoziiert
Eine aktuelle Übersichtsarbeit aus den USA [4] untersuchte die vorhandene Evidenz im Zusammenhang von Zahnerhalt, allgemeiner Gesundheit und Lebensqualität bei Menschen vom 65. Lebensjahr an. Der Studie nach besteht ein positiver Zusammenhang zwischen Zahnerhaltung, allgemeiner Gesundheit und Lebensqualität. Ältere Erwachsene, die ≥ 20 Zähne haben, leiden seltener unter einer reduzierten allgemeinen Gesundheit. Bei weniger als 20 eigenen Zähnen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, im späteren Lebensalter nicht mehr unabhängig leben und grundlegende Aktivitäten des Alltags meistern zu können (funktionelle Abhängigkeit). Die Studie unterstreicht die Bedeutung des Erhalts an eigenen Zähnen für ein funktionelles Minimum anstelle einer einfachen numerischen Bewertung fehlender Zähne.
Zahnverlust könnte Indikator für beschleunigtes Altern sein
Nach einer dänischen Studie, die 573 70-jährige Probanden einschloss und bis zu 20 Jahre nachbeobachtete (n = 78 nach 20 Jahren), hat ergeben, dass Zahnlosigkeit in diesem Alter signifikant das Risiko der Mortalität 20 Jahre später erhöhte [5]. Die Autoren schlussfolgerten weiterhin, dass die Anzahl natürlicher Zähne wahrscheinlich ein sehr guter und früher Indikator für vorzeitiges Altern sei.
Das Wichtigste in Kürze |
Studien haben gezeigt, dass es bei der Kauleistung und der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität nicht allein auf die Anzahl der ersetzten Okklusionspaare ankommt, sondern auch auf die Art des Zahnersatzes. Die Präferenz sollte auf festsitzendem ZE bzw. soweit möglich auf dem Erhalt der eigenen Zähne liegen. Zahnverlust geht ab einer Unterschreitung eines gewissen funktionellen Minimums mit einem höheren Risiko für ältere Menschen einher, funktionell abhängig zu werden. |
- [1] McKenna G, Allen PF, O‘Mahony D, Cronin M, DaMata C, Woods N. The impact of rehabilitation using removable partial dentures and functionally orientated treatment on oral health-related quality of life: a randomised controlled clinical trial. J Dent. 2015 Jan;43(1):66–71. doi.org/10.1016/j.jdent.2014.06.006.
- [2] Gonda T, MacEntee MI, Kiyak HA, Persson GR, Persson RE, Wyatt C. Predictors of multiple tooth loss among socioculturally diverse elderly subjects. Int J Prosthodont. 2013 Mar-Apr;26(2):127–34. doi.org/10.11607/ijp.2893.
- [3] Preshaw PM, Walls AW, Jakubovics NS, Moynihan PJ, Jepson NJ, Loewy Z. Association of removable partial denture use with oral and systemic health. J Dent. 2011 Nov;39(11):711–9. doi.org/10.1016/j.jdent.2011.08.018.
- [4] Atanda AJ, Livinski AA, London SD, Boroumand S, Weatherspoon D, Iafolla TJ, Dye BA. Tooth retention, health, and quality of life in older adults: a scoping review. BMC Oral Health. 2022 May 18;22(1):185. doi.org/10.1186/s12903-022-02210-5.
- [5] Holm-Pedersen P, Schultz-Larsen K, Christiansen N, Avlund K. Tooth loss and subsequent disability and mortality in old age. J Am Geriatr Soc. 2008 Mar; 56(3):429–35. doi.org/10.1111/j.1532-5415.2007.01602.x.
AUSGABE: ZR 4/2023, S. 8 · ID: 49225214