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BetriebsausgabenWann ein Arbeitszimmer und wann Betriebsräume vorliegen – und was das für den Abzug heißt
| Gerade zu Beginn ihrer beruflichen Tätigkeit erfüllen viele Vermittler ihre Aufgaben von zuhause aus. Externe Räumlichkeiten sind schließlich kostspielig. Doch lassen sich die auf die privaten Räumlichkeiten entfallenden Aufwendungen dann als Betriebsausgabe absetzen? Und gibt es klassische „Steuerfallen“, die dabei zu beachten sind? Diesen Fragen aus der Vermittlerpraxis geht VVP in einer dreiteiligen Serie auf den Grund. In Teil 1 lernen Sie zunächst die Unterschiede zwischen einem häuslichen Arbeitszimmer und betrieblich genutzten Räumen kennen. |
Drei Arten von „Arbeitsräumen“ sind denkbar
Die Problematik beim Betriebsausgabenabzug betrieblich genutzter Räumlichkeiten ist deren örtliche Belegenheit. Wären diese außerhalb der privaten Wohnung – also z. B. in einem externe Büro – untergebracht, könnten Vermittler die Kosten problemlos als Betriebsausgaben abziehen. Nutzen Sie als Vermittler jedoch Räumlichkeiten innerhalb ihrer privaten Wohnung, hängt der Betriebsausgabenabzug von der Art der Nutzung der Räume ab. Drei „Nutzungsmodelle“ sind zu unterscheiden:
- 1. Der Raum wird sowohl betrieblich als auch privat genutzt.... von der Art der Nutzung ab
- 2. Bei dem Raum handelt es sich um ein betrieblich genutztes Arbeitszimmer.
- 3. Bei dem Raum handelt es sich um Betriebsräume.
Der Raum wird sowohl betrieblich als auch privat genutzt
Nutzen Sie einen Raum sowohl betrieblich als auch privat, versagt das Finanzamt den Betriebsausgabenabzug in Gänze. Die Aufwendungen für den Raum stehen dann nämlich mit den Kosten der privaten Lebensführung in Zusammenhang. Somit ist eine klare Trennung der Aufwendungen zwischen betrieblich und privat nicht möglich. Sprich: Das Arbeiten am Esstisch berechtigt nicht zum Abzug der anteilig auf das Esszimmer entfallenden Aufwendungen.
Der Abzug anteiliger Aufwendungen ist ebenso ausgeschlossen, wenn Sie in einem Raum lediglich eine „Arbeitsecke“, wie z. B. einen Schreibtisch, nahezu ausschließlich für Ihre Tätigkeit als Versicherungsvermittler nutzen (BFH, Beschluss vom 27.07.2015, Az. GrS 1/14, Abruf-Nr. 183407).
Wichtig | Leer gehen Sie in solchen Fällen dennoch nicht aus. Über drei Hintertüren können Sie zumindest eingeschränkt Betriebsausgaben absetzen:
Praxistipp | Setzen Sie – analog zu den für Arbeitnehmer geltenden Regelungen – pauschal 20 Prozent der Aufwendungen für den privaten, aber auch anteilig betrieblich genutzten Telefon- und Internetanschluss, maximal 20 Euro pro Monat, als Betriebsausgabe an (R 9.1 Abs. 5 LStR analog). Das lässt das Finanzamt durchgehen. |
- 1. Sie können unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 Nr. 6c EStG die Home-Office-Pauschale absetzen (Details hierzu in Teil 2 der VVP-Serie).
- 2. Ihre Aufwendungen für Arbeitsmittel (z. B. Notebook, Schreibtisch, Material) sind abzugsfähig (BFH, Urteil vom 21.11.1997, Az. VI R 4/97, Abruf-Nr. 243185).
- 3. Betrieblich veranlasste Telefon- und Internetkosten sind abzugsfähig.
Der Raum stellt ein betrieblich genutztes Arbeitszimmer dar
Nutzen Sie einen Raum nahezu ausschließlich – d. h. zu mindestens 90 Prozent – für Ihre Tätigkeit als Vermittler, geht das Finanzamt davon aus, dass es sich um ein betrieblich genutztes häusliches Arbeitszimmer handelt.
Hintergrund | Ein Arbeitszimmer ist nach der BFH-Rechtsprechung ein Raum, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre eingebunden ist. Er dient vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher, verwaltungstechnischer oder -organisatorischer Arbeiten – und der Schreibtisch bildet regelmäßig das zentrale Möbelstück (BMF, Schreiben vom 15.08.2023, Az. IV C 6 – S 2145/19/10006 :027, Abruf-Nr. 236925, Rz. 3).
Ab 2023 gelten strengere Regeln für den „Arbeitszimmerabzug“
Bis 2022 konnten Vermittler die Aufwendungen für solche Arbeitszimmer entweder vollständig oder zumindest gedeckelt auf maximal 1.250 Euro absetzen. Das hat sich seit 2023 grundlegend geändert. Seither kommt es für den Abzug eines häuslichen Arbeitszimmers darauf an, ob sich im Arbeitszimmer der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung befindet (§ 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG):
Äußerhäusliches Arbeitszimmer ermöglicht unbeschränkten Abzug Praxistipp | Befindet sich Ihr Arbeitszimmer außerhalb Ihres Zuhauses und haben Sie dieses zusätzlich zu Ihrer Wohnung angemietet, z. B. ein Raum im Nachbargebäude, handelt es sich um ein außerhäusliches Arbeitszimmer. Das hat einen Vorteil: Die Aufwendungen sind uneingeschränkt abzugsfähig (BMF, Schreiben vom 15.08.2023, Rz. 5). |
- 1. Liegt der Mittelpunkt Ihrer gesamten betrieblichen Betätigung außerhalb des Arbeitszimmers, sind die Aufwendungen für das Arbeitszimmer insgesamt nicht abzugsfähig. Somit können Sie nur betrieblich veranlasste Arbeitsmittel, Telefon- und Internetkosten sowie – unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 Nr. 6c EStG – die Home-Office-Pauschale geltend machen.
- 2. Liegt der Mittelpunkt im Arbeitszimmer, können Sie neben den betrieblich veranlassten Arbeitsmitteln, Telefon- und Internetkosten auch die auf das Arbeitszimmer entfallenden anteiligen tatsächlichen Aufwendungen absetzen.... den Mittelpunkt der Tätigkeit bilden
- Wichtig | Alternativ können Sie eine Jahrespauschale von 1.260 Euro abziehen. Mehr dazu erfahren Sie in Teil 2 der VVP-Serie.
Wann das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der Betätigung bildet
Bleibt die Frage, wann sich denn im Arbeitszimmer der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen oder beruflichen Betätigung befindet. Das Arbeitszimmer bildet den Mittelpunkt Ihrer Vermittlertätigkeit, wenn Sie darin – nach Würdigung des Gesamtbilds der Verhältnisse und der Tätigkeitsmerkmale – die Handlungen vornehmen und Leistungen erbringen, die für Ihre konkret ausgeübte betriebliche oder berufliche Tätigkeit wesentlich und prägend sind (z. B. Kundengespräche, -beratungen). Es kommt also auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit an, nicht auf den zeitlichen (quantitativen) Umfang der Nutzung des Arbeitszimmers.
Üben Vermittler mehrere betriebliche und berufliche Tätigkeiten nebeneinander aus, ist keine Einzelbetrachtung der jeweiligen Tätigkeiten vorzunehmen. Vielmehr sind alle Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit zu erfassen und zu beurteilen (BMF, Schreiben vom 15.08.2023, Rz. 12 ff).
Wichtig | Versorgungsbezüge bleiben bei dieser Betrachtung außen vor, da diese kein Tätigwerden erfordern (BFH, Urteil vom 11.11.2014, Az. VIII R 3/12, Abruf-Nr. 175134).
Beispiel |
Liegt der Schwerpunkt der Tätigkeit im Außendienst, ... Versicherungsvermittler V erbringt die wesentlichen und sein Berufsbild prägenden Tätigkeiten, sprich Beratungs- und Überzeugungsgespräche im Außendienst bei vorhandenen und neu zu gewinnenden Kunden. Vor- und Nachbereitungsarbeiten führt V in seinem Arbeitszimmer durch. ... kann er das Arbeitszimmer nicht absetzen Lösung: Der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen Betätigung des V liegt im Außendienst und nicht im Arbeitszimmer (vgl. auch BFH, Urteil vom 23.03.2005, Az. III R 17/03, Abruf-Nr. 052012 sowie FG Köln, Urteil vom 26.06.2000, Az. 10 K 965/00). V kann die Aufwendungen für das Arbeitszimmer ab 2023 nicht mehr absetzen. |
Abwandlung |
Findet die Kundenberatung vorwiegend im Arbeitszimmer statt, ... V hat sich darauf spezialisiert, rein online die Kontakte zu seinen Kunden zu knüpfen und zu pflegen. Er kommuniziert nahezu ausschließlich telefonisch oder online mit seinen Kunden und schließt die Verträge regelmäßig ohne direkten persönlichen Kontakt mit den Kunden ab. Für seine Tätigkeit nutzt er ein in seinem privaten Wohnhaus vorhandenes Arbeitszimmer. ... sind die Aufwendungen abzugsfähig Lösung: Die Arbeiten im Arbeitszimmer prägen die betriebliche Tätigkeiten des V. Deshalb liegt der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung im Arbeitszimmer. Folglich kann V die darauf entfallenden tatsächlichen Aufwendungen oder die Jahrespauschale von 1.260 Euro absetzen. |
Beispiel und Abwandlung zeigen den Haken bereits: Weil Vermittler oft schwerpunktmäßig im Außendienst die ihr Berufsbild prägenden Tätigkeiten erbringen, können Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer ab 2023 nur noch im Ausnahmefall geltend gemacht werden. Die gute Nachricht: Es gibt einen Weg, um den vollständigen Abzug der auf den betrieblich genutzten Raum entfallenden Aufwendungen zu erreichen: Der „Weg“ heißt Betriebsräume.
Bei dem Raum handelt es sich um Betriebsräume
Handelt es sich bei dem betrieblich genutzten Raum nicht um ein Arbeitszimmer, gelten die mit § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG für Arbeitszimmer eingeführten Abzugsbeschränkungen auch nicht. Ergo: Die Aufwendungen sind voll abziehbar.
Nicht als Arbeitszimmer einzustufende Betriebsräume liegen immer dann vor, wenn die Räume ihrer Ausstattung und Funktion nach nicht einem Büro entsprechen; auch dann, wenn sie ihrer Lage nach mit der Wohnung oder dem Haus des Vermittlers verbunden und somit in die häusliche Sphäre eingebunden sind.
Wichtig | Die private Mitbenutzung darf für den Abzug als Betriebsraum nur weniger als zehn Prozent betragen (BMF, Schreiben vom 15.08.2023, Rz. 6).
In welchen Fällen unbeschränkt abzugsfähige Betriebsräume vorliegen
Unbeschränkt abzugsfähige Betriebsräume eines Vermittlers liegen z. B. vor, wenn in der privaten Wohnung ein Raum
- von einem im Vermittlerbetrieb in Vollzeit angestellten Arbeitnehmer als täglicher Arbeitsplatz genutzt wird;... für unbeschränkt abzugsfähige ...
- als Büroraum mit intensivem Publikumsverkehr genutzt wird, weil z. B. die Kunden typischerweise für Gespräche den Vermittler aufsuchen. Als Indiz können z. B. eine eigene Klingel und ein aufgestelltes Werbeschild sowie die jährliche Fahrleistung des betrieblichen Pkw dienen. Wird der nur für 5.000 km bewegt, spricht der erste Anschein gegen eine typische Außendiensttätigkeit und dafür, dass die prägenden Tätigkeiten und Kundengespräche in den eigenen Räumen geführt werden. Bei 20.000 km spricht hingegen vieles dafür, dass die Kunden die eigenen Räumlichkeiten typischerweise nicht aufsuchen und das dort deshalb kein intensiver Publikumsverkehr herrscht.
- als Archiv für die aufzubewahrenden Unterlagen des Vermittlerbetriebs genutzt wird. Doch Vorsicht: Der Abzug kann ausgeschlossen sein, wenn sich in dem Gebäude zugleich ein nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildendes häusliches Arbeitszimmer befindet, das zusammen mit dem Archiv eine Einheit bildet (BFH, Urteil vom 19.09.2002, Az. VI R 70/01, Abruf-Nr. 021866).... Betriebsräume
Wichtig | Dass Kunden oder angestellte Arbeitnehmer die in die private Wohnung integrierten und betrieblich genutzten Räume mangels einer separaten Eingangstür nur über den dem privaten Bereich zuzuordnenden Flur erreichen können, begründet keine Abzugsbeschränkung oder Einordnung der Räume als häusliches Arbeitszimmer (BFH, Urteil vom 29.01.2020, Az. VIII R 11/17, Abruf-Nr. 216749 sowie BMF, Schreiben vom 15.08.2023, Rz. 6).
Beispiel |
Ein angestellter Vermittler übernimmt einen größeren Bestand an Bausparverträgen und macht sich selbstständig. Er eröffnet den Vermittlerbetrieb in seinem privaten Einfamilienhaus. Dafür richtet er zwei im Erdgeschoss belegene ehemalige Kinderzimmer her. |
Betriebsräume können mangels separatem Eingang ... Ein Raum dient einer in Vollzeit angestellten Bürokraft als Arbeitsplatz und ein weiterer dem Vermittler selbst. Dort befindet sich auch eine Sitzecke für Besprechungen mit Kunden. Die Räume sind nur über den privaten Hausflur zu erreichen; an der Haustür befindet sich aber eine separate Klingel. Die Bausparkunden suchen typischerweise den Betrieb auf, Außendiensttermine des Vermittlers sind die Ausnahme. Auf dem Briefkopf des Vermittlers wird die Anschrift des häuslichen Vermittlerbetriebs ausgewiesen, und vor dem Gebäude befindet sich ein entsprechendes Werbeschild für potenzielle Kunden. ... in voller Höhe abziehbar sein Lösung: Die Räume sind als Betriebsräume (nicht als Arbeitszimmer) einzustufen, sodass die anteilig auf die Räume entfallenden Aufwendungen in tatsächlicher Höhe zum Betriebsausgabenabzug berechtigen. |
Prüfschema „Arbeitszimmer oder Betriebsräume?“
AUSGABE: VVP 11/2024, S. 11 · ID: 50127992