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Maklervollmacht/MaklervertragWann und wie lange dürfen Versicherer eine Vertragskündigung zurückweisen?
| Ein Makler hat einen Versicherungsvertrag in der letzten September-Woche 2022 gekündigt. Er hat die Vollmacht des Kunden in Kopie beigefügt. Zudem hat er dem Versicherer angeboten, die Originalvollmacht im Maklerbüro einzusehen. Jetzt hat der Versicherer die Kündigung als unwirksam zurückgewiesen. Zu Recht? |
Grundsatz: Originalvollmacht ist ein Muss
Es ist Usus, dass Versicherer bei Kündigungen die Kopie der Maklervollmacht akzeptieren. Rechtlich sieht es anders aus: Sie können die Versicherungsverträge für Ihre Kunden grundsätzlich nur wirksam kündigen, wenn Sie dem Versicherer eine Originalvollmacht vorlegen. Legen Sie nur eine Vollmachtskopie, eine beglaubigte Abschrift, Faxkopie vor oder bieten Sie an, die Originalvollmacht in Ihren Räumen einzusehen, darf der Versicherer die Kündigung ablehnen (§ 174 S. 1 BGB). Davon gibt es zwei Ausnahmen.
Ausnahme 1: Bisheriges Verhalten des Versicherers
Haben Sie nicht mit Originalvollmacht gekündigt, ist noch nichts verloren, wenn der Versicherer die ganze Zeit über Ihre „vollmachtlosen“ Handlungen als Makler des Kunden ohne Vorlage der Vollmacht als verbindlich anerkannt hat. Dann verstößt es gegen Treu und Glauben, wenn der Versicherer wegen eines fehlenden Vollmachtsnachweises plötzlich eine Kündigung als unwirksam erklärt. Diesen Grundsatz hat das OLG Saarbrücken in einem Fall formuliert, in dem ein Versicherungsagent die Kündigung seines Agenturvertrags wegen fehlender Vollmacht zu Fall bringen wollte. Dieser Grundsatz ist allgemein und dürfte auch auf das Rechtsverhältnis des Versicherungsmaklers zum Versicherer anwendbar sein (OLG Saarbrücken, Urteil vom 20.02.2002, Az. 1 U 680/01 – 157; Abruf-Nr. 020526).
Ausnahme 2: Verfristete Zurückweisung des Versicherers
Liegt der erste Ausnahmefall nicht vor, gibt es für Sie einen zweiten Rettungsanker: Der Versicherer muss die Kündigung unverzüglich zurückweisen (§ 174 BGB), wenn er eine Kündigung ohne Originalvollmacht nicht genügen lassen will (OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.10.2001, Az. 12 U 161/01, Abruf-Nr. 020196). Unverzüglich heißt, ohne schuldhaftes Zögern innerhalb einer angemessenen Prüfungs- und Überlegungsfrist. Weist der Versicherer die Kündigung nicht zurück oder tut er es verspätet, gilt sie als wirksam.
Wichtig | Das OLG Hamm sieht eine Überlegungsfrist von ein bis zwei Tagen als ausreichend an. Die Zurückweisung nach vier Tagen sei eindeutig verspätet gewesen. Folge: Die Versicherungsverträge waren wirksam gekündigt (OLG Hamm, Urteil vom 26.10.1990, Az. 20 U 71/90; Abruf-Nr. 96653). Und auch das LG Berlin hält die Zurückweisung der Kündigung einer Gebäudeversicherung erst vier Tage nach Eingang der Erklärung für nicht mehr unverzüglich (LG Berlin, Urteil vom 06.08.2002, Az. 7 S 6/02, Abruf-Nr. 220293).
AUSGABE: VVP 2/2023, S. 5 · ID: 48985267