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AltersversorgungSo sind Zahlungen des Vertreterversorgungswerks steuerlich zu behandeln
| Hat ein Versicherungsvertreter in das Vertreterversorgungswerk eingezahlt, fließen ihm später Versorgungszahlungen zu. In der Praxis stellt sich die Frage, wie diese Zahlungen zu versteuern sind. Handelt es sich um Renteneinkünfte oder um nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb? Was gilt bei Leistungen an die Erben („Witwenrente“) und infolge einer Berufsunfähigkeit? Sind Abzüge und Freibeträge zu berücksichtigen? VVP zeigt nachfolgend, wie die steuerliche Einordnung erfolgt. |
Nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb
Auch wenn die Zahlungen aus dem Vertreterversorgungswerk der finanziellen Absicherung des Vertreters im Ruhestand dienen, handelt es sich nicht um Rentenleistungen. Eine Besteuerung als sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 EStG erfolgt daher nicht, und auch die dort geltenden Abzugs- und Freibeträge bzw. die Besteuerung mit dem Ertragsanteil sind nicht anwendbar.
Bei den Zahlungen aus dem Vertreterversorgungswerk handelt es sich vielmehr um nachträgliche Einkünfte aus der früheren Tätigkeit als Versicherungsvertreter und daher um Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 EStG (vgl. § 24 Nr. 2 EStG – Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit). Denn die Zahlungen stehen in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der ehemaligen Tätigkeit als Versicherungsvertreter (siehe auch FG Baden-Württemberg, 05.11.1997, Az. 12 K 168/96, Abruf-Nr. 010422). Daran ändert auch nichts, wenn die Zahlungen wie eine Rente der Beitragspflicht zur Krankenversicherung unterliegen. Die Zahlungen sind daher im Jahr des Zuflusses zu versteuern. Da sie bei der Ermittlung des Aufgabe- oder Veräußerungsgewinns des Vermittlerbetriebs außer Ansatz bleiben, findet auch die ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 oder 3 EStG keine Anwendung.
Beispiel |
Einordnung als gewerbliche Einkünfte ... Versicherungsvertreter V hat seine Agentur aufgegeben und ist zum 31.12.2021 in den Ruhestand getreten. Er erhält ab Januar 2022 aus dem Vertreterversorgungswerk monatliche Zahlungen von 1.500 Euro. Lösung: Die Zahlungen stellen in Höhe von jährlich 18.000 Euro nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb dar, die in voller Höhe der Einkommensteuer unterliegen. Sollte V im Zusammenhang mit den Zahlungen Aufwendungen getätigt haben (z. B. Kontoführungsgebühren oder ein Rechtsstreit mit dem Versorgungswerk), so kann er diese Aufwendungen als Betriebsausgabe abziehen. |
... führt aber nicht zur Gewerbesteuerpflicht Praxistipp | Auch wenn gewerbliche Einkünfte vorliegen, unterliegen diese nicht der Gewerbesteuer. Denn die Gewerbesteuerpflicht endet mit der Einstellung des Vermittlerbetriebs (vgl. R 2.6 Abs. 1 und R 7.1 Abs. 3 GewStR). |
Berufsunfähigkeitsrenten ebenfalls gewerbliche Einkünfte
Diese steuerliche Einordnung der Zahlungen des Vertreterversorgungswerks als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb gilt nicht nur für die Regelleistungen im Alter. Auch wenn Zahlungen infolge der Berufsunfähigkeit des Vertreters erfolgen, sind diese als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb und nicht als steuerbegünstigte Rente einzuordnen und zu versteuern. Dies stellte bereits das FG Münster mit Urteil vom 07.12.2000 (Az. 14 K 3127/99, Abruf-Nr. 010421) klar; und diese Rechtsauffassung bestätigt hat zuletzt in einem weiteren Verfahren das FG Nürnberg (Urteil vom 25.09.2019, Az. 6 K 1733/18, Abruf-Nr. 211897).
Versorgungsrente an Erben unterliegt voller Besteuerung
Selbst wenn der Versicherungsvertreter verstirbt und die Versorgungsrente aus dem Vertreterversorgungswerk auf einen Erben übergehen sollte, bleibt es bei einer vollständigen Versteuerung. Denn nach Ansicht des BFH gehören laufende Versorgungsleistungen auf Lebenszeit, die ein Erbe eines Vertreters vom Versicherer aufgrund der früheren Tätigkeit des Verstorbenen für den Versicherer erhält, ebenfalls zu den nachträglichen Einkünften aus Gewerbebetrieb. Fließen dem Erben entsprechende Zahlungen zu, so sind diese im Zeitpunkt des Zuflusses zu versteuern (BFH Urteil vom 25.03.1976, Az. IV R 174/73, Abruf-Nr. 042915 mit weiteren Nachweisen).
Die Begründung des BFH: Durch die Einzahlungen in das Versorgungswerk sind während der aktiven Tätigkeit als Vertreter geringere Provisionen ausgezahlt worden. Die Einzahlungen wurden daher noch nicht versteuert. Deshalb erfolgt bei Zufluss der Versorgungsleistungen eine volle Besteuerung.
Übertragung einer Versorgungszusage – volle Besteuerung
Sollte der Versicherer die Versorgungsverpflichtung auf einen externen Versorgungsträger übertragen (z. B. Versicherungs-Pensionsfonds), ändert sich an der vollen Besteuerung der Versorgungsleistungen als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 24 Nr. 2 i. V. m. § 15 EStG nichts. Denn der Vertreter hat mit der Übertragung einen unentziehbaren Rechtsanspruch auf die spätere Versorgungsleistung gegen den externen Versorgungsträger erworben (so auch FG Thüringen, 28.09.2017, Az. 2 K 266/16, Abruf-Nr. 228662). Auch hier besteht ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang mit der ehemaligen Tätigkeit als Versicherungsvertreter.
Abzug von Betriebsausgaben
Wie bei den laufenden Einnahmen als Versicherungsvertreter können auch bei den nachträglichen Einnahmen aufgrund der Zahlungen des Versorgungswerks Betriebsausgaben geltend gemacht werden. Diese sind in der Praxis allerdings recht selten. Denkbar wäre etwa der Abzug von Kontoführungsgebühren oder von Kosten eines Rechtsstreits mit dem Versorgungswerk, falls die Auszahlung oder die Höhe der Versorgungsleistung unklar ist.
Altersentlastungsbetrag als „Pauschalabzug“
Zumindest die Versicherungsvertreter können sich freuen, die vor dem 01.01.2040 ihr 64. Lebensjahr vollenden und vom Versorgungswerk voll der Besteuerung unterliegende Versorgungszahlungen erhalten. Denn sie können ab dem Folgejahr, in dem sie ihr 64. Lebensjahr vollendet haben, von einem in § 24a EStG geregelten Altersentlastungsbetrag profitieren. Dieser Entlastungsbetrag wird pauschal ermittelt und von der zu versteuernden Summe der Einkünfte abgezogen. Mit anderen Worten: In Höhe des Entlastungsbetrags brauchen die Versorgungsleistungen nicht versteuert werden.
Beispiel |
... ab vollendetem 64. Lebensjahr profitieren Versicherungsvertreter A ist am 01.01.1958 und Versicherungsvertreter B am 02.01.1958 geboren. Beide erhalten ab Januar 2022 Versorgungsleistungen vom Vertreterversorgungswerk. Lösung: A vollendet sein 64. Lebensjahr mit Ablauf des 31.12.2022. Damit kann er bereits ab dem Jahr 2023 den Altersentlastungsbetrag nutzen. B hat hingegen Pech gehabt. Er vollendet sein 64. Lebensjahr erst mit Ablauf des 01.01.2023 und erhält daher erstmals ab dem Jahr 2024 (Folgejahr) einen Altersentlastungsbetrag. |
Die Höhe des Altersentlastungsbetrags
Besteht aufgrund des im Vorjahr oder in früheren Jahren vollendeten 64. Lebensjahrs ein Anspruch auf den Altersentlastungsbetrag, so ergibt sich der Abzugsbetrag zunächst aus einem in § 24a EStG festgelegten Prozentsatz. Dieser betrug bei einem vor dem 01.01.2005 vollendeten 64. Lebensjahr noch 40 Prozent und gilt ein Leben lang. Der Prozentsatz reduziert sich allerdings bei einem erst nach dem 31.12.2004 vollendeten 64. Lebensjahr um jährlich 1,6 Prozent (ab 2020 0,8 Prozent). Wer z. B. sein 64. Lebensjahr im Jahr 2023 vollendet hat, für den sind nur noch 12,8 Prozent zu berücksichtigen. Wer sein 64. Lebensjahr erst nach dem 31.12.2039 vollendet, geht leer aus. Ab diesem Zeitpunkt reduziert sich der Prozentsatz auf null Prozent.
Praxistipp | Eine Tabelle mit den für Sie geltenden Prozentsätzen gestaffelt nach dem Folgejahr der Vollendung des 64. Lebensjahres können Sie § 24a EStG entnehmen. |
Dieser Prozentsatz ist auf den Arbeitslohn (z. B. Nebenjob) und die positive Summe der weiteren Einkünfte des Vertreters anzuwenden, die nicht solche aus nichtselbstständiger Arbeit sind. Außen vor bleiben dabei Versorgungsbezüge und Renten bzw. Pensionen, die nach § 19 Abs. 2 EStG bzw. § 22 EStG besteuert werden. Denn diese Einkünfte sind bereits durch die Besteuerung mit dem Ertrags- oder Besteuerungsanteil bzw. dem Abzug des Versorgungsfreibetrags/dem Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag begünstigt.
Bemessungsgrundlage für den Altersentlastungsbetrag
Die Bemessungsgrundlage für den Altersentlastungsbetrag ermittelt sich so:
Das sind die begünstigten Einkünfte Brutto-Arbeitslohn (ohne Versorgungsbezüge) |
+ Positive Summe aus |
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= Bemessungsgrundlage für Altersentlastungsbetrag |
Wichtig | Es kommt auf die positive Summe der weiteren Einkünfte an und nicht auf die positive Summe einzelner Einkunftsarten. Das bedeutet, dass Verluste aus einer Einkunftsart (z. B. Vermietung und Verpachtung) mit positiven Einkünften aus einer anderen Einkunftsart (z. B. Gewerbebetrieb) saldiert werden müssen und so den Altersentlastungsbetrag mindern.
Höchstbetrag beachten
Wurden Prozentsatz nach dem Folgejahr des vollendeten 64. Lebensjahrs und Bemessungsgrundlage ermittelt, kann der Entlastungsbetrag errechnet werden (Prozentsatz x Bemessungsgrundlage). Allerdings ist auch ein Höchstbetrag zu beachten. Dieser beläuft sich bei einem vor dem 01.01.2005 vollendeten 64. Lebensjahr auf 1.900 Euro jährlich. Er reduziert sich bei einem erst nach dem 31.12.2004 vollendeten 64. Lebensjahr um jährlich 76 Euro (ab 2020: 38 Euro). Wer z. B. sein 64. Lebensjahr 2023 vollendet, für den sind nur noch höchstens 608 Euro zu berücksichtigen. Wer sein 64. Lebensjahr erst nach dem 31.12.2039 vollendet, geht leer aus.
Praxistipp | Eine Tabelle mit den Höchstbeträgen gestaffelt nach dem Folgejahr der Vollendung des 64. Lebensjahres können Sie § 24a EStG entnehmen. |
Beispiel |
Versicherungsvertreter V vollendete sein 64. Lebensjahr am 15.09.2019. Im Jahr 2022 erhält er vom Versorgungswerk Leistungen in Höhe von 15.000 Euro. Lösung: Da V sein 64. Lebensjahr 2019 vollendete, steht ihm ab dem Jahr 2020 ein Altersentlastungsbetrag zu (wird vom Finanzamt maschinell ermittelt und ohne gesonderten Antrag gewährt). Dieser beträgt lebenslang 16 Prozent der Bemessungsgrundlage, zu der auch die 15.000 Euro gehören. Der Abzug beläuft sich daher auf 2.400 Euro (15.000 x 16 Prozent). Maximal ist für V jedoch der Höchstbetrag von 760 Euro zu berücksichtigen. Damit muss V 760 Euro weniger versteuern. Bei einem Steuersatz von 35 Prozent spart er 266 Euro. |
Besonderheiten bei Ehegatten
Bei Ehegatten ist die Höhe des Altersentlastungsbetrags dem Grunde nach (vollendetes 64. Lebensjahr im Vorjahr oder früher) und auch der Höhe nach (Bemessungsgrundlage/Höchstbetrag) getrennt voneinander zu ermitteln.
AUSGABE: VVP 2/2023, S. 9 · ID: 48568767