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AltersversorgungGarantiezinssenkung in der Lebensversicherung: Folgen für die betriebliche Altersversorgung

Top-BeitragAbo-Inhalt24.03.20222356 Min. LesedauerVon Dr. Claudia Veh, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, München

| Die Garantiezinssenkung in der Lebensversicherung zum 01.01.2022 hat Folgen für die betriebliche Altersversorgung (bAV). Vielleicht wurden Sie auch schon deswegen von Ihren bAV-Kunden angesprochen. In jedem Fall sollten Sie die Rechnungszinssenkung in Ihrer Beratung angemessen berücksichtigen. VVP liefert Ihnen das Rüstzeug und gibt Ihnen und Ihren bAV-Kunden Handlungsempfehlungen an die Hand. |

Rechnungszinssenkung als Folge des Niedrigzinsumfelds

Zum 01.01.2022 wurde der Höchstrechnungszins in der Lebensversicherung von zuletzt 0,9 Prozent auf 0,25 Prozent reduziert (§ 2 DeckRV). Der Höchstrechnungszins ist der Zinssatz, den die Versicherungsunternehmen bei der Berechnung der Deckungsrückstellungen höchstens verwenden dürfen. Umgangssprachlich wird der Höchstrechnungszins oft mit dem Garantiezins gleichgesetzt, also dem Zins, der bei Abschluss des Versicherungsvertrags für die gesamte Laufzeit des Vertrags auf die Sparbeiträge garantiert wird. Beide Werte stimmen auch regelmäßig überein.

Die Absenkung des Höchstrechnungszinses ist letztlich Ausdruck und logische Konsequenz des anhaltenden Niedrigzinsumfelds. Festverzinsliche Wertpapiere rentieren in Deutschland seit einigen Jahren mit Negativrenditen von - 0,1 bis - 0,3 Prozent (Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Januar 2022). Das Niedrigzinsumfeld stellt Versorgungsträger wie die Versicherungsbranche vor große Herausforderungen: einerseits befinden sich im Bestand Verträge aus der Historie mit hohen Garantiezinsen von bis zu vier Prozent sowie Verträge, die auf Basis alter Rechnungsgrundlagen (DAV Tafeln 1994 R), d. h. mit einer geringeren Lebenserwartung als in den aktuellen Tafeln DAV 2004R zugrunde gelegt, kalkuliert wurden. Auf der anderen Seite wird es immer schwieriger, die nötigen Kapitalerträge auf der Anlageseite zu erzielen.

Änderungen im Produktangebot und Garantieniveau

Anpassungen in den angebotenen Produkten sind die Folge: weg von sogenannten Klassiktarifen hin zu modernen Produkten mit modifizierten Garantien in verschiedenen Ausprägungen. Die hiermit verbundene große Vielfalt macht es für Unternehmen – also Ihre bAV-Kunden – schwieriger, einzelne Tarife miteinander zu vergleichen und zu bewerten.

Weitere Folge der Niedrigzinsphase und Rechnungszinssenkung ist, dass Versicherer zunehmend Produkte anbieten, bei denen bei Ablauf nicht mehr die Summe der Beiträge für die Hauptversicherung („Garantieniveau 100 Prozent“) garantiert wird, sondern z. B. nur noch 90 Prozent, 80 Prozent oder weniger. Geringere Garantien ermöglichen, dass ein größerer Teil des Beitrags in Anlageformen mit höheren Renditechancen investiert werden kann. Hintergrund für abgesenkte Garantieniveaus ist aber auch, dass es – insbesondere bei geringeren Vertragslaufzeiten – in der aktuellen Niedrigzinsphase und einem Garantiezins von nur 0,25 Prozent zunehmend schwierig wird, einen Bruttobeitragserhalt für die Hauptversicherung bei Ablauf zu garantieren.

Folgen für die betriebliche Altersversorgung

Die Absenkung des Höchstrechnungszinses bzw. Garantiezinses wirft bei Arbeitgebern mit versicherungsförmiger bAV die Frage auf, was das für sie konkret bedeutet und ob sie in irgendeiner Form aktiv werden müssen.

Sämtliche versicherungsförmigen Durchführungswege betroffen

Die Rechnungszinssenkung betrifft zunächst sämtliche versicherungsförmigen Durchführungswege der bAV. D. h. im Rahmen der nach § 3 Nr. 63 EStG geförderten bAV die Direktversicherung, die Pensionskasse und den Pensionsfonds. Aber auch Rückdeckungsversicherungen zur Finanzierung von Direktzusagen oder kongruent versicherungsrückgedeckten Unterstützungskassen sind von der Rechnungszinssenkung betroffen.

Bestandsschutz für bestehende Verträge – neuer Zinssatz für neue Verträge

Die Rechnungszinssenkung hat keine Auswirkungen auf bestehende Versicherungsverträge. In diesen Verträgen werden die Sparbeiträge weiterhin mit dem Zins verzinst, der bei Abschluss garantiert war. Für ab dem 01.01.2022 neu abgeschlossene Verträge allerdings gilt der neue Zinssatz.

Wichtig | Der geringere Garantiezeins führt zu geringeren garantierten Leistungen als bei einem höheren Zins, allerdings nicht per se zu einer geringeren Gesamtleistung aus Garantieleistung plus Leistung aus Überschüssen.

Beitragsorientierte Leistungszusagen

Bei einer beitragsorientierten Leistungszusage ergibt sich die zugesagte Leistung aus der Leistung des Versicherungsvertrags. Liegt dem Vertrag also ein geringerer Garantiezins zugrunde mit entsprechender Auswirkung auf die Versicherungsleistungen, wirkt diese Änderung eins zu eins auf die Versorgungszusage.

Wichtig | Die Frage, ob Tarife mit einem Garantieniveau kleiner 100 Prozent der Beiträge für die Hauptversicherung in der bAV zulässig und möglich sind, wurde und wird am Markt kontrovers diskutiert. Dabei sieht nach aktuellem Stand die überwiegende Meinung abgesenkte Garantien in der beitragsorientierten Leistungszusage (boLZ) des § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG – die derzeit bei Neuzusagen vorherrschende Zusageform – als arbeitsrechtlich möglich an.

Praxistipps |

  • Wichtig ist, bei Entgeltumwandlung den Arbeitnehmer explizit über diesen Sachverhalt und die Möglichkeit aufzuklären, dass bei Ablauf des Vertrags die garantierte Kapitalleistung weniger als die Summe (z. B. 80 Prozent) der Beiträge für die Hauptversicherung beträgt. Der Arbeitnehmer muss in Kenntnis dieses Umstands den Abschluss des Versicherungsvertrags im Rahmen seiner Entgeltumwandlung wünschen.
  • Üblicherweise findet sich in der Entgeltumwandlungsvereinbarung oder in ergänzenden Unterlagen zur Entgeltumwandlung eine genaue Information zum Garantieniveau des Versicherungsvertrags sowie eine Erklärung, was ein Garantieniveau kleiner 100 Prozent konkret für die Höhe der garantierten Leistung bedeutet. Hierauf sollten Sie explizit hinweisen.

Auch Rückdeckungsversicherungen zur Finanzierung von Direktzusagen oder kongruent versicherungsrückgedeckten Unterstützungskassen sind von der Rechnungszinssenkung betroffen. Das bedeutet, dass z. B. bei einer beitragsorientierten versicherungsrückgedeckten Direktzusage die zugesagte Leistung bei Neuabschlüssen der Leistung aus dem Versicherungsvertrag mit abgesenktem Garantiezins entspricht.

Beitragszusagen mit Mindestleistung

Bei der Beitragszusage mit Mindestleistung (BZmL; § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG) ist arbeitsrechtlich bei Ablauf mindestens die Summe der eingezahlten Beiträge abzüglich der Beiträge zur Absicherung vorzeitiger Risiken als planmäßiges Versorgungskapital zuzusagen. Im Allgemeinen wird bei dieser Zusageform eine Produktlösung (Direktversicherung, Pensionskasse oder Pensionsfonds) gewählt, bei der der Versorgungsträger diese Garantie übernimmt; das sind dann das Lebensversicherungsunternehmen, die Pensionskasse bzw. der Pensionsfonds.

Praxistipp | Es gibt aber auch den Fall, dass der Arbeitgeber arbeitsrechtlich eine Beitragszusage mit Mindestleistung zugesagt und einen Versicherungsvertrag abgeschlossen hat, von dem er bisher davon ausging, dass mindestens die Summe der eingezahlten Beiträge (abzgl. der Beiträge für einen biometrischen Risikoausgleich) bei Ablauf zur Verfügung steht, ohne dass diese Mindestleistung vom Anbieter garantiert wird. In Anbetracht der anhaltenden Kapitalmarktsituation sollte er diese Lösung überdenken. Denn für etwaige Lücken zwischen arbeitsrechtlicher Zusage und Leistungen des Versicherungsvertrags steht der Arbeitgeber ein (§ 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG – die sog. Subsidiärhaftung). In einem solchen Fall könnte der Arbeitgeber für neue Versorgungen einen anderen Tarif bzw. Versorgungsträger wählen bzw. ggf. auch bestehende Verträge beitragsfrei stellen und für die künftigen Beiträge einen anderen Tarif bzw. Versorgungsträger wählen. Hierbei sind die arbeitsrechtlichen Grundsätze zur Abänderung von Versorgungszusagen zu beachten.

Folge der Kapitalmarktsituation ist auf Seite der Produktanbieter auch, dass Tarife für die Zusageform BZmL zunehmend nicht mehr angeboten werden. Das hat wiederum zur Folge, dass Unternehmen, die ihren Mitarbeitern bisher eine BZmL erteilt haben, nun bei Neueintritten ggf. ein anderes Modell wählen müssen.

Leistungszusagen

Leistungszusagen nach § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG werden seit geraumer Zeit nur noch vereinzelt erteilt und dann praktisch ausschließlich in den Durchführungswegen Direktzusage und Unterstützungskasse.

Wichtig | Bei einer versicherungsrückgedeckten Leistungszusage steht die Rückdeckungsversicherung in keinem direkten Zusammenhang zur Zusage. Änderungen auf Seiten der Versicherung wirken sich auf die zugesagte Leistung nicht aus.

Praxistipp | Die Rechnungszinssenkung kann für Arbeitgeber allerdings Anlass sein, den Rückdeckungsversicherungsschutz bei Neuabschlüssen an die geänderte Situation anzupassen, z. B. das Verhältnis zwischen garantierter versicherter und zugesagter Leistung bei Neuzusagen bzw. Neuabschlüssen anders zu gestalten als bisher.

Aktuelles Umfeld Anlass für Status-Check der bAV

Die Rechnungszinssenkung ist nur ein Aspekt im aktuellen Versorgungsumfeld. Hinzu kommt die bereits angesprochene hohe Veränderungsdichte bei angebotenen Tarifen. Weiter ist zu beachten, dass einzelne Produktanbieter wirtschaftlich angeschlagen sind – aktuell werden rund 20 der 80 Lebensversicherer und etwa 40 der 135 Pensionskassen intensiv von der BaFin überwacht. Manche, wie z. B. die Kölner Pensionskasse, werden abgewickelt, d. h. nehmen kein Neugeschäft mehr an.

Diese Gemengelage veranlasst viele bAV-Verantwortliche in Unternehmen, die aktuelle Versorgung für die Mitarbeiter einer Prüfung zu unterziehen:

  • Ist ein Wechsel des Anbieters und/oder Tarifs angezeigt?
  • Sollte man für Neueintritte von der Beitragszusage mit Mindestleistung besser auf eine beitragsorientierte Leistungszusage gehen?
  • Ist vielleicht sogar ein Wechsel des Durchführungswegs sinnvoll?

Niedrigzinsumfeld bei Direktzusagen

Erwähnt sei abschließend, dass nicht nur externe Versorgungsträger von niedrigen Zinsen betroffen sind, sondern natürlich auch Arbeitgeber mit Direktzusagen. Hier sinken die Rechnungszinsen für die handelsbilanzielle Ermittlung der Pensionsrückstellungen seit Jahren, was zu hohen zinsbedingten Zuführungen zu den Rückstellungen führt. Gleichzeitig wachsen etwaige Aktivwerte von etwaigen Finanzierungsinstrumenten wie festverzinslichen Wertpapieren oder Rückdeckungsversicherungen weniger stark an als prognostiziert. Die Lücke zwischen „Aktiv- und Passivwert der bAV“ wird folglich größer. Diese negativen bilanziellen Effekte belasten viele Unternehmen immens.

Praxistipp | Planumgestaltungen oder ein Wechsel des Durchführungswegs können Lösungen sein. So lässt sich z. B. durch eine sog. wertpapiergebundene Zusage der bilanzielle Effekt der Niedrigzinsphase insofern aushebeln, als bei dieser Zusageform die Pensionsrückstellung mit dem Aktivwert des Finanzierungsinstruments angesetzt wird (§ 253 Abs. 1 S. 3 HGB). Beide Werte sind also gleich hoch. Sofern die Finanzierungstitel Deckungsvermögen darstellen, saldieren sich beide Werte handelsbilanziell auf null (§ 246 Abs. 2 S. 2 HGB). Auch der Wechsel des Durchführungswegs für den Past Service auf den Pensionsfonds und für den Future Service auf eine Unterstützungskasse ist eine Möglichkeit, um die Effekte steigender handelsbilanzieller Pensionsrückstellungen zu beseitigen.

AUSGABE: VVP 4/2022, S. 17 · ID: 47955078

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