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PraxisleitfadenDie Basics: So sparen Sie Zeit und Energie beim Umgang mit dem Rechtsschutzversicherer
| Wer kennt das nicht: Eine Deckungsanfrage wird gestellt. Und man bekommt keine Antwort. Oder es gibt Rückfragen. Oder es folgt tatsächlich eine Deckungszusage, aber die Rechnung ist noch offen. Warum klappt das in einigen Fällen reibungslos und in manchen nicht? Mit dem passenden Hintergrundwissen über die Arbeitsweise und Strukturen der Rechtsschutz-VR können Sie kleinere Mängel bei Deckungsanfragen leicht beheben. Der Beitrag gibt Tipps, wie Sie den Umgang mit dem Rechtsschutz-VR optimieren können. |
1. Stelle ich die Deckungsanfrage oder mein Mandant?
Die erste Frage, die Sie sich als Anwalt stellen sollten, ist: Stelle ich die Deckungsanfrage oder mein Mandant?
In manchen Fällen ist es vorteilhaft, wenn der Mandant die Deckungszusage des Rechtsschutz-VR bereits selbst eingeholt hat. Dann haben Sie zumindest eine Schadennummer und weniger Arbeit. In der Regel sind das Fälle, in denen die Frage der Erfolgsaussichten eindeutig geklärt ist. Oder der Rechtsschutz-VR spricht in 99 % keine Ablehnung mangels Erfolgsaussichten oder wegen Mutwilligkeit aus. In allen anderen Fällen stellen Sie als Anwalt die Deckungsanfrage selbst. Denn ein geschulter Sachbearbeiter beim VR stellt die richtigen Fragen. Er schätzt damit die Erfolgsaussichten ab. Der Mandant kann sich damit sozusagen „Reinreiten“.
Praxistipp | Rechtsschutz-VR haben immer ein wirtschaftliches und effizientes Arbeiten im Blick. Das bedeutet: Keine Erfolgsaussichten- oder Mutwilligkeitsablehnungen bei geringen Streitwerten oder eindeutiger Haftung des Gegners. Auch Bußgeld-, Nebenkostenangelegenheiten und familien- und erbrechtlichen Sachen sind in nahezu allen Fällen von solchen Ablehnungen ausgenommen. In allen anderen Angelegenheiten sollten Sie als Rechtsanwalt die Deckungsanfrage selbst stellen. Insbesondere in Strafsachen, mit Blick auf den Vorsatzvorbehalt. |
2. Stelle ich die Deckungsanfrage telefonisch oder schriftlich?
Die zweite Frage, die Sie sich stellen sollten, ist: Wird die Deckungsanfrage telefonisch oder schriftlich gestellt?
Viele Rechtsanwälte vermeiden es, bei Rechtsschutzversicherungen anzurufen. Die Gründe sind verschieden – lange Wartezeiten, nur Call-Center-Mitarbeiter oder schlichtweg Unsicherheit oder Nichtwissen. Dabei ist ein Telefonat oft besser und effizienter.
Bestimmte Fragen können im Telefonat besser geklärt werden. Ein richtig geführtes Telefonat erspart am Ende mehr Zeit als eine schriftliche Anfrage. Gerade im Falle einer Ablehnung sparen Sie Zeit. Dabei müssen Sie sich folgende Punkte verinnerlichen:
a) Irrglaube – Callcenter-Mitarbeiter
Bei den meisten Rechtsschutz-VR haben sie keine Call-Center-Mitarbeiter am Telefon. Zum Beispiel bei der ARAG SE, der Württembergischen, der Continentale, oder auch der Gothaer erreichen Sie geschulte Sachbearbeiter. Diese können und dürfen konkrete Deckungszusagen am Telefon erteilen. Das gilt auch für Deckungszusagen bis einschließlich der ersten Instanz.
b) Befugnisse und Fähigkeiten der Sachbearbeiter
Alle Rechtsschutz-VR legen für ihre Mitarbeiter eine bestimmte Streitwertgrenze für Deckungszusagen fest. Diese variiert je nach Größe der VR von 10.000 EUR bis 50.000 EUR. Liegen Sie in ihrer Sache darüber, gibt es maximal eine Deckungszusage für eine Erstberatung. Ab dieser Streitwertgrenze ist der Fall dem Vorgesetzten in schriftlicher Form vorzulegen. Dieser gibt die Deckungszusage frei. Zusagen für Berufungen im Rahmen einer telefonischen Erstmeldung erhalten Sie nie. Hierfür gelten andere Vorgaben.
Haben Sie einen erfahrenen, optimistischen und entscheidungsfreudigen Sachbearbeiter am Telefon – Glück gehabt. Sie erhalten in kurzer Zeit eine abschließende Entscheidung zu Ihrer Anfrage. Die VR wollen ein kurzes und fallabschließendes Telefonat. Sie halten Ihre Mitarbeiter dazu an, sich schnell zu entscheiden. Diese bekommen in der Regel die Anzahl der wartenden Anrufer angezeigt. Es herrscht also Zeitdruck. Deshalb müssen Sie dem Sachbearbeiter alle Fragen möglichst direkt beantworten können.
Einige Mitarbeiter im Rechtsservice sind keine Volljuristen. Aufgrund des Fachkräftemangels werden auch Rechtsanwaltsfachangestellte, Quereinsteiger, Diplomjuristen, etc. eingestellt. Diese sind aufgrund ihrer Unerfahrenheit nicht so entschlussfreudig. Sie lassen sich leichter verunsichern. Und treffen deshalb oft keine Entscheidung.
c) Die Arbeitszeiten der Sachbearbeiter
In der Versicherungsbranche sind viele Sachbearbeiter teilzeitbeschäftigt. Sie arbeiten freitags nicht oder nur bis 13 Uhr. Die Vollzeitbeschäftigen nutzen die Möglichkeit der Gleitzeit. Die Unternehmen können zu den Stoßzeiten zwar auf die meisten Mitarbeiter zurückgreifen. Aber eine Kernarbeitszeit gibt es in vielen Unternehmen nicht mehr. Dann ist es wie in der Kanzlei auch. Das höchste Telefonaufkommen und die damit längsten Wartezeiten haben Sie montags und dienstags ganztägig.
Praxistipp | Rufen Sie antizyklisch an. Am besten Mittwoch oder Donnerstag zwischen 09:00-12:00 Uhr oder von 14:00-16:00 Uhr. In der Regel gilt in der telefonischen Bearbeitung: „Wer hat, der macht!“ Das bedeutet: Sie rufen an. Ihr Fall wird dann bearbeitet. Er sollte nicht mehr weggelegt werden. Sie sollten eine Aussage zur Deckungsentscheidung erhalten. Oder eine Aussage, welche Unterlagen noch fehlen. |
Beginnen Sie das Telefonat mit einem Lächeln. Der andere Gesprächspartner hört das. Es schafft sogleich eine angenehme Gesprächsatmosphäre. Unsicherheiten einiger Sachbearbeiter lösen sich so oft auf. |
3. Welche Fragen muss ich beantworten können?
Die folgenden Punkte betreffen Fragen, die Sie beantworten können müssen. Außerdem gibt es Dinge, auf die Sie besonders achten müssen.
a) Richtige Versicherungsnummer zum richtigen VR
Seien Sie vorbereitet auf das Gespräch. Das heißt: Die korrekte Versicherungsnummer zu dem richtigen Rechtsschutz-VR sollte Ihnen vorliegen. Die Suche des VN mit Namen und Anschrift löst beim Sachbearbeiter bereits Frust aus. Das kostet Zeit. Die hat er nicht. Gerade wenn bereits mehrere Anrufer in der Leitung warten. Es mag für Sie trivial klingen. Aber es kommt sehr häufig vor. Deshalb dieser ausdrückliche Hinweis.
b) Mitversicherung
Weiterhin ist zu klären, ob Ihr Mandant VN oder mitversicherte Person ist. Unproblematisch ist der Fall, wenn der Mandant selbst der VN ist. Mitversichert sind in der Regel der Ehe- oder Lebenspartner, minderjährige Kinder. Oder Kinder, die noch in der Ausbildung sind bzw. noch bei ihren Eltern wohnen. Auch berechtigte Fahrer eines Fahrzeugs, wie ein Arbeitnehmer, Freund des VN oder ein Altenteiler eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs sind mitversicherte Personen.
c) Versicherungszeitraum und Versicherungsumfang
Häufig erzählt Ihnen der Mandant, er habe eine Komplett-Rechtsschutzversicherung. Tatsächlich ist er nur für einen Teil rechtsschutzversichert, wie den Verkehrsrechtsschutz. Dieser ist dann auch noch abgelaufen. Oder er pausiert wegen Zahlungsrückstand. Oder Ihr Mandant hat das Angebot nicht unterzeichnet und der Vertrag existiert nicht. Hier hilft der Versicherungsschein. Lassen Sie sich diesen vom Mandanten vorlegen. Bitte beachten Sie: Sachbearbeiter dürfen keine Angaben zu Zahlungsrückständen aus Datenschutzgründen machen.
d) Beispiele für besondere Konstellationen
Im Falle des Verkehrs-Rechtsschutzes nach § 21 ARB ist zu klären, wie viele Fahrzeuge auf den VN zugelassen, bzw. beim Mehrfahrzeugrechtsschutz auf die Familie zugelassen sind. Das betrifft auch Firmen wie z. B. Speditionen. Diese müssen die Anzahl Ihrer LKW mit den dazugehörigen Kennzeichen im Versicherungsschein angeben. Denn jedes zusätzliche Fahrzeug ist ein neues Risiko für den VR.
Das Gleiche gilt für den Vermieter-Rechtsschutz nach § 29 ARB für vermietete Wohnungen.
Vertreten Sie einen Unternehmer müssen Sie klären, ob er in der Eigenschaft als Unternehmer oder als Verbraucher in dem betroffenen Fall tätig ist.
Beispiel: M ist Elektriker und erwirbt für das Geschäft einen neuen Transporter. Dann benötigt er einen Selbstständigen-Rechtsschutz nach § 28 ARB. Hat er nur den § 26 ARB versichert, ist er lediglich in privaten Angelegenheiten abgesichert. Also ist er nur für einen Privatkauf versichert.
So bestimmen Sie das richtige Vorgehen Praxistipp | Bevor Sie eine Deckungsanfrage beim Rechtsschutz-VR stellen, egal, ob telefonisch oder schriftlich, ist Folgendes wichtig. Lassen Sie sich die ersten beiden Seiten des Versicherungsscheins von Ihrem Mandanten geben. Dann haben Sie alle Angaben, die Sie benötigen: die Versicherungsnummer, den VN, die mitversicherten Personen und Objekte, den Versicherungszeitraum und den Versicherungsumfang. Telefonisch melden Sie sich am besten in folgenden Fällen:
Schriftlich melden Sie sich am besten in folgenden Fällen:
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Der Vorteil einer telefonischen Anfrage ist, dass Sie sofort eine Schadennummer haben. Sie erhalten eine schnellere Aussage über den Versicherungsschutz. Im Falle einer Ablehnung ersparen Sie sich die Zeit des Verfassens. Aus Dokumentationspflichten müssen dem Sachbearbeiter trotzdem alle notwendigen Unterlagen vorliegen.
4. Was muss ich bei der schriftlichen Anfrage beachten?
Wenn Sie eine schriftliche Anfrage stellen, müssen Sie sich zusätzlich fragen.
a) Technische Voraussetzungen und Probleme der VR
In nahezu allen Versicherungsunternehmen arbeiten die Sachbearbeiter mit elektronischen Akten. Bei der Übertragung von E-Mails oder sonstigem elektronischem Verkehr kommt es oft zu Problemen. Unterlagen werden nicht erfasst. Schriftsätze oder andere Dokumente werden geteilt. Oder sie werden einfach geschwärzt übermittelt. Meistens liegen Verbindungsprobleme vor. Die Sachbearbeiter können diese nicht lesen. Sie fordern dann die Unterlagen erneut an. Manche Unterlagen gehen sogar verloren. Andere befinden sich als Anhang in der Post einer ganz anderen Versicherungssparte des Versicherungskonzerns.
Einige Rechtsschutz-VR gehen bereits dazu über, auch Fälle mithilfe der KI zu bearbeiten. Das geschieht zunächst bei einfach gelagerten Fällen, wie Ordnungswidrigkeiten oder sozialrechtlichen Angelegenheiten.
b) Arbeitsvorgaben der Vorgesetzten an die Mitarbeiter
Ein Vollzeitbeschäftigter in einem Rechtsschutzunternehmen soll schnell und fallabschließend arbeiten. Mithin VN- und anwaltsfreundlich arbeiten. Das Stichwort ist Vertrauen. Zugegebenermaßen klaffen Praxis und Theorie leider etwas auseinander. Das bedeutet, dass im Durchschnitt je nach Schwierigkeitsgrad zwischen 40-70 Akten pro Tag zu bearbeiten sind.
Weiterhin gibt es eine Priorisierung der eingegangen Schriftstücke. So sind Neuschäden, Gerichtspost und Beschwerden in der Reihenfolge tagesaktuell abzuarbeiten. Erst danach folgt die Bearbeitung der Anwaltsrechnungen und der sonstigen Anwaltspost. Diese sollte innerhalb von 14 Tagen bearbeitet sein. Tagesaktuell bedeutet dabei: Sie schicken heute im Laufe des Tages die Deckungsanfrage. Das System ordnet sie zu. Der Sachbearbeiter hat das Poststück erst am nächsten Tag im Postkorb.
c) Was bedeutet das für Sie als Anwalt? Wie gehen Sie vor?
Die Angabe der korrekten Versicherungsnummer ist das Wichtigste! Zur Sicherheit geben Sie zusätzlich immer die vollständige Adresse des VN an. Dann kann das System Ihre Rechtsschutzanfrage zu 99% zuordnen. Bei einem Zahlendreher in der Versicherungsnummer kann der VN über die Adresse gesucht werden. Andernfalls landet der Schaden in einer anderen Abteilung, die recherchieren muss. Das bedeutet aber wieder Zeitverlust. Oder eventuell auch keine Antwort.
Erleichtern Sie dem Sachbearbeiter die Arbeit. Schicken Sie ihm nur die notwendigen Unterlagen. Kein Sachbearbeiter will hundert Seiten zu einem einfachen Verkehrsunfall durchsehen – bei einem Tagespensum von 40-70 Akten.
Checkliste / Welche Unterlagen eingereicht werden sollten |
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Praxistipp | Sie stellen eine schriftliche Deckungsanfrage mit Vorschussrechnung. Hängen Sie diese nicht ans Ende der Anfrage. Fügen Sie sie direkt hinter die Anfrage vor den außergerichtlichen Schriftwechsel. Am Ende werden sie leicht übersehen. Erhalten Sie innerhalb von 2 Tagen keine Antwort, rufen Sie beim Rechtsschutz-VR an. Eine Eingangsbestätigung ist dabei keine Antwort. Erkundigen Sie sich nach dem Sachstand. Ihr Anruf und damit auch Ihre Anfrage muss fallabschließend bearbeitet werden. |
AUSGABE: VK 8/2024, S. 140 · ID: 50077644