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Allgemeines VersicherungsvertragsrechtFalsche Antwort auf für unerheblich gehaltene Frage ist vorsätzliche Obliegenheitsverletzung

Abo-Inhalt25.07.2024500 Min. Lesedauer

| Beantwortet der VN eine Frage im Antrag falsch (hier: zur Abgabe einer Vermögensauskunft), weil er den erfragten Umstand für unerheblich hält, liegt gleichwohl eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung vor. Diese Klarstellung traf das OLG Dresden. |

1. Der VN muss vorsätzlich gehandelt haben

Verschweigt der VN bei einer Frage etwas, nach dem gefragt wurde oder beantwortet er die Frage falsch, muss dies nach der Entscheidung des OLG Dresden (18.4.24, 4 U 67/24, Abruf-Nr. 241829) vorsätzlich erfolgen.

Zwar trägt der VR insoweit die Beweislast. Den VN trifft jedoch eine Substanziierungslast. Er muss die zu der Obliegenheitsverletzung führenden Umstände, die seiner Sphäre angehören, also z. B. die Gründe für etwaige objektive Falschangaben, dartun und der Nachprüfung zugänglich machen (OLG Celle 30.11.17, 8 U 27/17).

2. Voraussetzungen für die Arglist

Der VN muss weiterhin arglistig gehandelt haben. Nach der Entscheidung des OLG liegt Arglist vor, wenn der VN bewusst und willentlich auf die Entscheidung des VR einwirkt, wenn er also vorsätzlich eine Obliegenheit verletzt und dabei bewusst gegen die Interessen des VR verstößt, weil er damit rechnet, dass seine Obliegenheitsverletzung Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalls oder die Leistungspflicht des VR oder deren Umfang hat oder haben kann.

Es wird keine Bereicherungsabsicht verlangt. Es reicht vielmehr aus, wenn der VN einen gegen die Interessen des VR gerichteten Zweck verfolgt, etwa indem er Schwierigkeiten bei der Durchsetzung berechtigter Deckungsansprüche ausräumen will und weiß, dass sein Verhalten den VR bei der Schadensregulierung möglicherweise beeinflussen kann (BGH VersR 13, 175 (176) Rn. 29). Es genügt hierfür, etwa Beweisschwierigkeiten vermeiden, die Regulierung beschleunigen, nicht „unnötig Sand ins Getriebe“ der Regulierung bringen (OLG Hamm VersR 12, 356) oder allgemein auf die Entscheidung des VR Einfluss nehmen zu wollen.

Merke | Dabei ist unerheblich, dass der VN als rechtlicher Laie seine finanzielle Situation von den Fragen nicht umfasst ansieht. Eine solche Bewertung kommt dem VN nicht zu. Eine zulässige und eindeutig verständliche Frage muss er auch beantworten, wenn er den erfragten Umstand für sich als unerheblich ansieht.

3. Der VN muss richtig belehrt worden sein

Der VN muss gemäß § 28 Abs. 4 VVG hinreichend über die Folgen einer Verletzung vertraglicher Obliegenheiten belehrt worden sein. Wegen der Arglist kann es aber ggf. nicht mehr ankommen (BeckOK VVG/Marlow, 22. Ed. 1.2.2024, VVG § 28 Rn. 226).

4. Darlegungs- und Beweislast

Der VR ist für das arglistige Handeln des VN beweisbelastet. Dabei darf auch im Zusammenhang mit Aufklärungsobliegenheiten im Schadensfall aus wissentlich falschen Angaben nicht ohne Weiteres der Schluss auf Arglist gezogen werden. Häufig werden nämlich unrichtige Angaben aus Gleichgültigkeit, aus Trägheit oder einfach in der Annahme gemacht, dass sie bedeutungslos seien (BGH 4.5.09, IV ZR 62/07). Allerdings hat der VN hier eine sekundäre Darlegungslast, wenn objektiv falsche Angaben vorliegen. Dann muss er plausibel darlegen, wie und weshalb es zu diesen gekommen ist (BGH 11.5.11, IV ZR 148/09).

5. Ausnahme: Leistungsfreiheit des VR ist unbilllig

Die völlige Leistungsfreiheit des VR kann jedoch unbillig sein. So kann dem VR nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB die Inanspruchnahme der völligen Leistungsfreiheit als rechtsmissbräuchlich zu versagen sein, wenn der Verlust des Versicherungsschutzes für den VN eine übermäßige Härte ist. Dies ist jedoch nur unter ganze besonderen Umständen der Fall.

Eine solche Ausnahme ist möglich, wenn die Täuschung nur einen geringen Teil des versicherten Schadens betrifft und weitere Billigkeitsmomente zugunsten des VN ins Gewicht fallen.

Merke | Es gibt allerdings keine starre Bruchteilsgrenze. Es kommt vielmehr auf die vom Sachverhalt vorgegebenen konkreten Beträge an.

Dabei ist für die Bewertung der Hintergrund der Regelung zu beachten. Die Vertragspartner sind bei der Schadensermittlung nach dem Versicherungsfall im besonderen Maße auf gegenseitiges Vertrauen angewiesen. Um dieses Vertrauensklima zu schützen, soll der VN von vornherein durch Androhung einer harten Sanktion von der hier besonders naheliegenden Versuchung ferngehalten werden, das Vertrauensverhältnis durch Täuschung zu missbrauchen (so z. B. OLG Rostock, Hinweisbeschluss vom 8.1.20, 4 U 136/19, Rn. 20).

Weiterführender Hinweis
  • Gesundheitsfragen: Vergessener Arztkontakt kann ausnahmsweise die Anzeigepflicht nicht verletzen: VK 23, 155

AUSGABE: VK 8/2024, S. 136 · ID: 50061388

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