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VereinsrechtVerbandsrecht: Eine Untersuchungskommission braucht eine rechtliche Grundlage

Abo-Inhalt02.09.20241780 Min. Lesedauer

| Gewalt und sexuelle Übergriffe sind in Sportvereinen seit längerer Zeit ein großes Thema. Verbände bemühen sich um Aufarbeitung und Schutz der Opfer. Dabei können sie aber auf rechtlich unsicheres Terrain geraten, wenn sie Untersuchungskommissionen einsetzen, die keine Satzungsgrundlage haben und sich neben allgemeiner Prävention auch mit konkreten Fällen beschäftigen. Das zeigt ein Fall vor dem OLG Hamm. |

Der Fall vor dem OLG Hamm

Ein Dachsportverband hatte eine „Kommission zur Aufarbeitung und Prävention von Gewalt“ eingesetzt. Dort wurden von Sportlerinnen Übergriffe eines Trainers gemeldet. Der Verband teilte in einer Pressemitteilung mit, er habe die Vorwürfe gegen den Trainer zum Anlass genommen, die Vorkommnisse von einer unabhängigen Kommission aufarbeiten zu lassen. Nach einer Neubesetzung nahm die Kommission ihre Tätigkeit auf.

Der Trainer beantragte daraufhin vor dem Landgericht Dortmund eine einstweilige Verfügung gegen die Tätigkeit der Kommission. Die Kommission sei in seiner Satzung des Verbands nicht vorgesehen. Es fehle daher ein verbindliches Regelwerk für ein solches Verbandsverfahren. Damit liege ein Verstoß gegen vereins- und vertragsrechtliche Treuepflichten vor.

Die Entscheidung des OLG Hamm

Das OLG gab dem Trainer – anders als das LG – Recht und bestätigte seinen Antrag auf eine einstweilige Verfügung. Es begründete das wie folgt (OLG Hamm, Beschluss vom 05.07.2024, Az. 8 W 15/24, Abruf-Nr. 243482):

Untersuchungskommissionen unterliegen der gerichtlichen Kontrolle

Die Einsetzung einer Aufarbeitungskommission stellt eine sonstige Maßnahme des Vereins dar, die der gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Es gelten dann die Anforderungen an eine verbandsinterne Gerichtlichkeit. Dazu gehört insbesondere der Bestimmtheitsgrundsatz, d. h. es muss rechtliche Vorgaben geben und den Anspruch auf rechtliches Gehör. Beides war nach Auffassung des OLG nicht erfüllt.

Behandlung konkreter Fälle muss rechtlich gut abgesichert sein

Geht die Arbeit einer solchen Kommission über die Untersuchung allgemeiner Missstände und Gewaltstrukturen hinaus und behandelt konkrete Fälle, verletzt sie damit mutmaßliche Täter in ihren Rechten. Das war hier der Fall. Die summarische Prüfung des OLG im einstweiligen Verfügungsverfahren ergab, dass die Behandlung des Falls durch die Kommission mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig war, soweit sie die Ermittlung und Feststellung konkreten Fehlverhaltens des Trainers zum Ziel hatte.

Der Trainer und seine Tätigkeit waren Gegenstand einer Vereinsmaßnahme, die in der Verbandsordnung nicht vorgesehen war und damit keine satzungsmäßige Grundlage hatte. Die Kommission beschäftigte sich zudem nicht bloß mit der Untersuchung allgemeiner Missstände und Gewaltstrukturen, sondern auch mit den konkreten Vorwürfen gegen den Trainer. Sie übernahm damit Aufgaben, die nach der Satzung verbandsinternen Organen und Gremien zugewiesen waren.

Die von der Kommission erarbeiteten Hintergrundinformationen gaben nach Auffassung des OLG Anlass zu der Annahme, dass in diesem Zusammenhang elementare Verfahrensgrundsätze – Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs – nicht eingehalten werden. Die Kommission beabsichtigte nämlich nicht, dem Trainer die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zugänglich zu machen. Vielmehr sollte die Anonymität der Personen, mit denen die Kommission bereits gesprochen hatte, vollständig gewahrt werden. Der Trainer hatte damit keine Möglichkeit, sich mit den (konkreten) Vorwürfen auseinanderzusetzen.

Gericht untersagt die weitere Untersuchung

Diese Vorgänge begründen für das OLG einen Anspruch des Trainers, der Kommission die weitere Untersuchung von Vorgängen zu untersagen, die im Zusammenhang mit ihm stehen. Er muss nicht tolerieren, dass eine vom Verband eingesetzte Kommission im Verborgenen Ermittlungen gegen ihn führt.

Ausschlaggebend ist dabei, dass die Kommission ihre Ergebnisse veröffentlichen will. Dabei wird nach Auffassung des OLG angesichts der öffentlich gemachten Tätigkeit und Zielsetzung der Kommission eine Anonymisierung nicht möglich. Zudem behielt sich der Verband vor, auf der Grundlage der Arbeit der Kommission verbandsinterne Maßnahmen gegen den Trainer zu ergreifen. Ihm droht durch die Tätigkeit der Kommission also eine Vorverurteilung, die er nicht hinnehmen muss. Er muss nicht darauf verweisen lassen, die Arbeit der Kommission abzuwarten und sich im Rahmen des eventuell anschließenden verbandsinternen Sanktionsverfahrens zu verteidigen.

Verbandsinternes Disziplinarverfahren ist möglich

Das OLG stellt klar, dass der Verband statt der Aufklärung durch eine Untersuchungskommission jederzeit ein verbandsinternes Disziplinarverfahren gegen den Trainer einleiten und konkrete Pflichtverletzungen untersuchen lassen kann. Dazu sind aber entsprechende verbandsinterne Regelungen erforderlich, die in der Satzung verankert sein müssen. Die Kommission kann sich daneben natürlich weiter allgemein mit den Strukturen innerhalb des Verbandes befassen.

Fazit | Verbände sollten darauf achten, Ermittlungskommissionen per Satzung rechtlich abzusichern, wenn gegen konkrete Personen ermittelt wird.

AUSGABE: VB 9/2024, S. 15 · ID: 50140149

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