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GemeinnützigkeitMitarbeitergewinnung im gemeinnützigen Sektor: Mit der „Mitarbeiterwohnung“ zu mehr Erfolg
| Fachkräfte- und Wohnungsmangel machen auch gemeinnützigen Organisationen zu schaffen. Vor allem in Ballungszentren, wo die Not an bezahlbarem Wohnraum noch größer ist als anderswo, kann die „begünstigte Wohnraumüberlassung an Mitarbeiter“ ein Game changer sein. VB macht Sie mit den lohnsteuer- und sozialversicherungsrechtlichen Vorgaben vertraut und beleuchtet zudem, inwieweit sich aus den gemeinnützigkeitsrechtlichen Regelungen zu Mittelbindung und Selbstlosigkeit Einschränkungen ergeben bei dem Modell ergeben. |
Inhaltsverzeichnis
Die gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorgaben
Gemeinnützigkeitsrechtlich spricht nichts dagegen, Mitarbeitern Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Hier gelten die allgemeinen Vorgaben, die der Bundesfinanzhof (BFH) für Vergütungen an Mitarbeiter entwickelt hat (BFH, Urteil vom 12.03.2020, Az. V R 5/17, Abruf-Nr. 217488):
- Es gelten die zur verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) entwickelten Grundsätze. Maßstab ist also der Fremdvergleich zu anderen Unternehmen oder vergleichbaren Beschäftigungsverhältnissen im gleichen Unternehmen.Maßstab sind die zur vGA ermittelten Grundsätze
- Für gemeinnützige Körperschaften gelten keine Besonderheiten. Sie dürfen die gleichen Vergütungsarten und -höhen gewähren, die in vergleichbaren Branchen im gewerblichen Bereich bezahlt werden.
- Dabei müssen alle gewährten Vorteile miteinbezogen werden, also auch Sachleistungen wie eine zur Verfügung gestellte Wohnung.
- Statistischer Maßstab für eine angemessene Vergütung ist dabei regelmäßig der Median, d. h. die Vergütungshöhe, bei der die Hälfte der in der Branche Beschäftigen weniger und die andere Hälfte mehr verdient. Diese Grenze darf maximal um 20 Prozent überschritten werden.
Das heißt, die Vergütung, die ohne Schaden für die Gemeinnützigkeit gewährt werden kann, darf unter Einberechnung des geldwerten Vorteils der Wohnung diese Grenze nicht überschreiten.
Überlassung der Wohnung zu fremdüblichen Konditionen
Die Überlassung von Wohnungen an Mitarbeiter zu fremdüblichen Konditionen führt zu keinen lohnsteuerlichen oder sozialversicherungsrechtlichen Folgen. Lediglich eine verbilligte oder unentgeltliche Überlassung führt zu einem Vorteil, der bei Lohnsteuer und Sozialversicherung berücksichtigt werden muss. Eine verbilligte Vermietung liegt vor, wenn die Miete unter dem ortsüblichen Mietpreis liegt. Dabei muss unterschieden werden, ob der Arbeitgeber Eigentümer oder Mieter der Wohnung ist. Ist der Arbeitgeber Eigentümer der Wohnung, muss die sog. Vergleichsmiete angesetzt werden. Vermietet der Arbeitgeber vergleichbare Wohnungen in nicht unerheblichem Umfang (25 Prozent) auch an betriebsfremde Personen, kann der Mietzins als Vergleichsmiete angesetzt werden, der mit den betriebsfremden Personen vereinbart ist (Lohnsteuer-Richtlinien, R 8.1. Abs. 6).
Alternativ kann der ortsübliche Mietwert als Vergleichsmiete herangezogen werden, der anhand des Mietspiegels zu ermitteln ist, zuzüglich der nach der Betriebskostenverordnung umlagefähigen Kosten, die konkret auf die überlassene Wohnung entfallen. Bei einer Mietpreisspanne kann der unterste Wert der Spanne herangezogen werden (BFH, Urteil vom 11.05.2011, Az. VI R 65/09, Abruf-Nr. 113271). Fehlt ein Mietspiegel, können drei Vergleichsangebote vergleichbarer Wohnungen oder ein Sachverständigengutachten eingeholt werden.
Wichtig | Der so ermittelte Mietpreis ist Teil der Mitarbeitervergütung. Er muss also in das Gehalt, das gemeinnützigkeitsrechtlich als angemessen gilt, eingerechnet werden.
Überlassung der Wohnung zu vergünstigten Konditionen
Die unentgeltliche Überlassung oder verbilligte Vermietung von Wohnungen führt grundsätzlich zu einem lohnsteuer- und sozialversicherungspflichtigen geldwerten Vorteil.
So wird der geldwerte Vorteil ermittelt
Seit dem 01.01.2020 gilt ein gesetzlicher Bewertungsabschlag bei Mitarbeiterwohnungen (§ 8 Abs. 2 S. 12 EStG). Er wird bei der Ermittlung des zu versteuernden geldwerten Vorteils vom maßgebenden örtlichen Mietwert abgezogen. Er wirkt dabei wie ein Freibetrag. Voraussetzung ist, dass die Nettokaltmiete für die Wohnung nicht höher ist als 25 Euro pro m².
Die „Zwei Drittel des ortsüblichen Mietwerts“-Grenze
Der geldwerte Vorteil wird nach dieser Regelung nicht angesetzt, wenn die tatsächlich erhobene Miete plus tatsächlich abgerechnete Nebenkosten mindestens zwei Drittel des ortsüblichen Mietwerts beträgt.
Zahlt der Arbeitnehmer weniger, wirkt der Abschlag von einem Drittel wie ein Freibetrag. Lohnsteuerpflichtig ist nur die Differenz zwischen dem vom Arbeitnehmer tatsächlich gezahlten Mietentgelt und der Vergleichsmiete, die sich nach Abzug des Bewertungsabschlags ergibt.
Für Kaltmieten von mehr als 25 Euro pro m² ist diese Bemessungsgrundlage nicht anwendbar. Damit will der Gesetzgeber eine steuerlich begünstigte Vermietung von Luxuswohnungen ausschließen. Die gesetzlich festgelegte Mietobergrenze bezieht sich auf die ortsübliche Miete ohne Betriebskosten.
Beispiel |
Der Arbeitnehmer bewohnt eine von seinem Arbeitgeber für 700 Euro überlassene Drei-Zimmer-Wohnung. Die Nebenkosten für die 60 m² Wohnung betragen 240 Euro. Nach dem örtlichen Mietspiegel beträgt der niedrigste Wert der Mietpreisspanne für eine vergleichbare Wohnung 14 Euro je m². Lösung: Der ortsübliche Mietwert beträgt 1.080 Euro (14 Euro x 60 m² + 240 Euro Nebenkosten). Der Abschlag beträgt 360 Euro (ein Drittel von 1.080 Euro). Die maßgebende Vergleichsmiete liegt also bei 720 Euro (1.080 Euro ./. Bewertungsabschlag). Der Arbeitnehmer bezahlt insgesamt 700 Euro. Es ergibt sich damit ein lohnsteuerpflichtiger geldwerter Vorteil von monatlich 20 Euro aus der vom Arbeitgeber überlassenen Wohnung. Dieser liegt innerhalb der monatlichen 50-Euro-Freigrenze für Sachbezüge. Es entsteht kein geldwerter (Miet-)Vorteil (R 8.1. Abs. 6a S. 3. LStR). |
Wichtig | Für die Kürzung des ortsüblichen Mietwerts um den Bewertungsabschlag spielt es keine Rolle, ob die Wohnung im Eigentum des Arbeitgebers steht oder angemietet ist. Begünstigt ist nur die Überlassung einer Wohnung zu eigenen Wohnzwecken des Arbeitnehmers. Der steuerliche Bewertungsabschlag ist auch in der Sozialversicherung beitragsfrei.
Diese Folgen gelten für die vermietende Einrichtung
Aus Sicht der gemeinnützigen Einrichtung müssen noch zwei Fragen beleuchtet werden: Hat die Vermietung steuerliche Folgen? Und was ist mit dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung?
Steuerfolgen aus der Vermietung?
Vermietet eine gemeinnützige Einrichtung eigens dafür angemieteten Wohnraum an Mitarbeiter weiter, hat das steuerlich keine Folgen, wenn dabei keine Überschüsse erzielt werden. Die Kosten der Anmietung werden – da es sich um Lohnbestandteile handelt – steuerlich dem gleichen Bereich zugeordnet wie die Lohnkosten.
Handelt es sich um Wohnungen im Eigentum der gemeinnützigen Einrichtung, fällt die langfristige Vermietung grundsätzlich in die steuerfreie Vermögensverwaltung. Das gilt auch, wenn die Wohnungen an Mitarbeiter vermietet werden. Als langfristige Vermietung betrachtet die Finanzverwaltung dabei alle Mietverträge, die auf mehr als sechs Monate angelegt sind.
Mittelverwendung bei Wohnraumüberlassung
Ertragsteuerliche Folgen hat die Vermietung also keine. Es stellt sich aber die Frage, ob die Verwendung des Wohneigentums nicht mit dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung in Konflikt gerät. Hier gilt:
Beispiel |
... Beschäftigte dem ideellen Bereich oder Zweckbetrieb zugeordnet sein Eine gemeinnützige Pflegeeinrichtung verfügt über Räume, die bisher als Wohnungen für Klienten eines betreuten Wohnens genutzt wurden. Ein Teil der Wohnungen soll künftig zu Mitarbeiterwohnungen werden. Lösung: Dagegen kann es gemeinnützigkeitsrechtlich keine Einwände geben, weil es sich dabei faktisch um Personalkosten (Sachbezüge) handelt, da die Wohnungen ja für Mitarbeiter genutzt werden. Das gilt auch, wenn die Wohnungen dem Zweckbereich zugeordnet sind. |
- Ist das Wohneigentum der Vermögensverwaltung zugeordnet und fällt damit nicht unter die zeitnahe Mittelverwendung, ist die Wohnraumüberlassung gemeinnützigkeitsrechtlich unproblematisch. Voraussetzung ist dabei, dass die entsprechende Immobilie aus Mitteln angeschafft wurde, die nicht zeitnah zu verwenden sind. Diese Voraussetzungen erfüllen Mittel aus freien Rücklagen und Vermögenszuführungen.... entschärft das Thema „zeitnahe Mittelverwendung“
- Fällt das Wohneigentum unter die zeitnah zu verwendenden Mittel, muss es im steuerbegünstigten Bereich verwendet werden. Das ist der Fall, wenn die Beschäftigten, die dort untergebracht sind, dem ideellen Bereich oder Zweckbetrieb zugeordnet sind.Bei „zeitnaher Mittelverwendungspflicht“ müssen dort wohnende ...
Wichtig | Das muss auch buchhalterisch berücksichtigt werden. Werden die Wohnungen vergünstigt an Mitarbeiter vermietet, darf der Minderertrag in der Vermögensverwaltung mit dem steuerlichen Bereich verrechnet werden, dem die Beschäftigungsverhältnisse zugeordnet sind. Anders bei der Mittelverwendung. Hier dürfen die geringeren Mieteinnahmen nicht zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage für die freien Rücklagen führen.
Überlassung an andere gemeinnützige Einrichtungen
Auch die Überlassung von Wohnungen an andere gemeinnützige Einrichtungen ist bei entsprechenden Vertragslaufzeiten der steuerbegünstigen Vermögensverwaltung zuzuordnen. Auch hier stellt sich aber die Frage nach der zeitnahen Mittelverwendung: Immobilien, die aus zeitnah zu verwendenden Mittel angeschafft wurden, dürfen dauerhaft nicht in die (zweckfremde) Vermögensverwaltung überführt werden, weil das einen Verstoß gegen das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung darstellt.
Überlassung als „Mittelbeschaffungszweckbetrieb“ gestalten
Die Finanzverwaltung hat aber über das Konstrukt des „Mittelbeschaffungszweckbetriebs“ eine Möglichkeit geschaffen, auch solche Wohnungen gemeinnützigkeitsunschädlich zu überlassen. Nach § 58 Nr. 5 AO kann eine gemeinnützige Einrichtung ohne Schaden für die Steuerbegünstigung Räume an andere gemeinnützige und öffentlich-rechtliche Körperschaften weitergeben. Erfolgt die Überlassung entgeltlich, aber nur zu Eigenkosten, wird sie nach Auffassung der Finanzverwaltung bei der vermietenden Einrichtung dem Zweckbetrieb zugeordnet (AEAO, Ziffer 7 zu § 58).
Nicht mehr als die „Eigenkosten“ verlangen
Die Finanzverwaltung spricht in diesem Zusammenhang von „Kostenübernahme“ bzw. „entstandenen Kosten“. Wie diese ermittelt werden, definiert sie nicht näher. Man darf aber davon ausgehen, dass hier alle Kosten angesetzt werden dürfen, wie sie auch in die üblichen Gewinnermittlungsverfahren eingehen. Neben den laufenden Kosten dürfen also auch Abschreibungen auf die Gebäude berücksichtigt werden.
Praxistipp | Gemeinnützige Einrichtungen können so einen informellen Verbund schaffen, in dem sie sich gegenseitig nach Bedarf Wohnraum überlassen, ohne dass das ertragsteuerliche Folgen hat oder zu Problemen mit der zeitnahen Mittelverwendung führt. |
Auslagerung der Wohnraumbereitstellung
Wegen der hohen Kosten beim Bau oder Kauf entsprechenden Wohnraums bietet es sich an, eine feste Kooperation mehrerer gemeinnütziger Einrichtungen in Form einer Servicegesellschaft zu gründen, die Beschaffung und Bereitstellung des Wohnraums für die Kooperationspartner übernimmt.
Kooperieren und gemeinsame Servicegesellschaft gründen
Da eine solche Servicegesellschaft auf bloßer Kostendeckungsbasis arbeiten kann, wäre für sie aus ertragsteuerlicher Sicht – mangels Gewinnen – die Gemeinnützigkeit nicht erforderlich. Allerdings kann das Finanzamt die Überlassung von Wohnungen auf Selbstkostenbasis als verdeckte Gewinnausschüttung werden, weil die Mietzinsen keine fremdübliche Höhe hätten.
Ein praktischer Anwendungsfall des neuen § 57 Abs. 3 AO
Gemeinnützigkeitsrechtlich kann die Servicegesellschaft aber in Form einer Kooperation nach § 57 Abs. 3 AO gestaltet werden. Auf diese Weise kann ihre Tätigkeit steuerbegünstigt sein, obwohl sie es für sich genommen mangels entsprechender Zuordnung zu den steuerbegünstigten Zwecken der §§ 52 bis 54 nicht wäre. Voraussetzung ist lediglich, dass die erbrachten wirtschaftlichen Leistungen den Satzungszwecken der Kooperationspartner dienen. Es muss sich also um Leistungen handeln, die sie sonst selbst erbringen würden – wie hier eben die Bereitstellung von Wohnraum für Mitarbeiter.
Gründung einer gGmbH bietet sich an
Die Finanzverwaltung verlangt hier, dass unzweifelhaft feststeht, wer Kooperationspartner ist. Das muss sich aus der Satzung der Servicegesellschaft ergeben. In der Regel wird man die Rechtsform der (gemeinnützigen) GmbH wählen. Das hat folgende Vorteile:
- Zwar dürfen für die Erbringung des Stammkapitals keine zeitnah zu verwenden Mittel eingesetzt werden. Eine Finanzierung über Darlehen ist aber im Rahmen der Mittelweitergabe nach § 58 Nr. 1 AO möglich.
- Die Servicegesellschaft bleibt mit eventuell erzielten Gewinnen ertragssteuerfrei.
- Gewinne können an die beteiligten Kooperationspartner ausgeschüttet werden und fallen dort in die steuerfreie Vermögensverwaltung.
- Eine (teilweise) Vermietung an Dritte fällt bei der gemeinnützigen Servicegesellschaft ebenfalls in die steuerfreie Vermögensverwaltung. Sie muss lediglich gegenüber dem eigentlichen Satzungszweck nachrangig bleiben. Die Wohnraumüberlassung muss also überwiegend an die gemeinnützigen Kooperationspartner erfolgen.
AUSGABE: VB 3/2024, S. 4 · ID: 49929263