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FahrverbotAktuelle Rechtsprechung zum Fahrverbot
| Auf einige neuere Fahrverbotsentscheidungen ist hinzuweisen. Diese enthalten aber keine neuen Aussagen, sondern bestätigen (nur) die ständige Rechtsprechung. |
1. OLG Brandenburg 15.7.24, 1 ORbs 134/24, Abruf-Nr. 243335
Das OLG Brandenburg hat noch einmal zum Absehen vom Fahrverbot nach längerem Zeitablauf Stellung genommen. Es bestätigt die obergerichtliche Rechtsprechung, wonach der Sinn des Fahrverbots infrage zu stellen ist, wenn die zu ahndende Tat mehr als zwei Jahre zurückliegt (vgl. OLG Hamm DAR 12, 340; OLG Celle VRS 108, 118; OLG Karlsruhe DAR 05, 168; OLG Bamberg DAR 08, 651 m. w. N.; auch OLG Brandenburg 5.2.21, 1 OLG 53 Ss-OWi 6/21). Hinsichtlich dieser Zweijahresfrist kommt es auf den Zeitraum zwischen Tatbegehung und letzter tatrichterliche Verhandlung an, da der Tatrichter den sich anschließenden Zeitraum zwischen seiner Entscheidung und deren Rechtskraft nicht berücksichtigen kann (vgl. OLG Hamm 24.3.11, 3 RBs 70/10; OLG Oldenburg 3.8.11, 2 BsSs 172/11).
Allerdings führt selbst ein Zeitablauf von zwei Jahren zwischen Tatbegehung und tatrichterlichem Urteil nicht automatisch zu einem Absehen von einem Fahrverbot. Er beinhaltet nach der Rechtsprechung lediglich einen Anhaltspunkt dafür, dass eine tatrichterliche Prüfung dazu, ob das Fahrverbot seinen erzieherischen Zweck noch erfüllen kann, geboten ist. Bei einem Zeitablauf von mehr als zwei Jahren zwischen Tat und Urteil müssen aber besondere Umstände für die Annahme vorliegen, dass ein Fahrverbot noch unbedingt notwendig ist.
Da im entschiedenen Fall erst 22 Monate verstrichen waren, hat das OLG ein Absehen vom Fahrverbot abgelehnt. Das ist grundsätzlich zutreffend.
Praxistipp | Allerdings muss man als Verteidiger in diesen Fällen immer auch im Auge haben, ob ggf. nicht weitere entlastende Umstände vorliegen, die im Zusammenspiel mit der langen Verfahrensdauer zum Absehen führen. |
2. OLG Brandenburg 15.7.24, 2 ORbs 107/24, Abruf-Nr. 243337
In diesem Fall ging es um die Anforderungen an die Urteilsgründe, wenn von einem Fahrverbot abgesehen wird. Der Amtsrichter hatte mit der Begründung abgesehen, dass der Verkehrsverstoß „nur“ fahrlässig begangen worden sei. Er hatte sich im Übrigen auf die Einlassung des Betroffenen beschränkt und eine „besondere Härte“ angenommen. Das hat dem OLG nicht gereicht. Eine „besondere Härte“ liege nicht schon vor, wenn der Betroffene bei seiner beruflichen Tätigkeit und im privaten Bereich „in einem exorbitanten Maß auf seine Fahrerlaubnis angewiesen“ ist. Dazu müssten ausreichende Feststellungen getroffen werden, die eine derartige besondere Härte für den Betroffenen, seine Familienangehörigen oder seinen Arbeitgeber begründen könnten.
Die Urteilsgründe müssen etwas sagen zu den finanziellen Verhältnissen des Betroffenen und den Möglichkeiten, die Zeit des Fahrverbots jedenfalls teilweise durch Urlaub zu überbrücken, ggf. auch noch zur Berufstätigkeit der Ehefrau und dem genauen Schulweg der Kinder, wenn darauf abgestellt wird.
3. AG Dortmund 7.3.24, 729 OWi-254 Js 2152/23 -148/23, Abruf-Nr. 243333
Schließlich ist auf eine Entscheidung des AG Dortmund hinzuweisen. Danach kann aus erzieherischen Gründen bei Geschwindigkeitsverstößen mit privaten Pkw das anzuordnende Regelfahrverbot auf sämtliche Fahrzeugarten, mit Ausnahme der Fahrzeuge, die unter Führerscheinklasse C fallen, beschränkt werden. Hier hatte es sich um einen Müllwagenfahrer gehandelt. Nach Auffassung des AG ist eine Führerscheinklasse eine Fahrzeugart i. S. d. § 25 StVG.
Schließlich meint das AG, dass das Ausnehmen einer Fahrzeugart im Rahmen des Fahrverbots kein teilweises Absehen vom Regelfahrverbot ist. Daher sei § 4 Abs. 4 BKatV in Gestalt einer Erhöhung der Geldbuße nicht anzuwenden. Insoweit habe ich Bedenken. Denn: Grundsätzlich erfasst ein Fahrverbot alle Fahrzeugarten. Davon kann nur ausnahmsweise durch eine Beschränkung abgesehen werden, um unangemessene Folgen zu verhindern. Es handelt sich damit auch hier um einen Fall des § 4 Abs. 4 BKatV, der die Möglichkeit der entsprechenden Erhöhung der Geldbuße nach sich zieht.
- Eingehend zum Fahrverbot Deutscher in: Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 7. Aufl., 2024, Rn. 1376 ff. m. w. N.
AUSGABE: VA 11/2024, S. 195 · ID: 50133736