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Vermehrte BedürfnisseQuerschnittlähmung: Umfang der Ersatzpflicht bei der Wiederherstellung der Mobilität

Abo-Inhalt09.08.2024812 Min. Lesedauer

| Der Geschädigte erlitt bei einem Verkehrsunfall eine Querschnittlähmung. Die hierdurch entstehenden vermehrten Bedürfnisse muss der Schädiger ersetzen. Aber wie weit geht die Ersatzpflicht bei der Mobilität des Geschädigten? Hierüber hatte das OLG Brandenburg zu entscheiden. |

1. Sowieso-Kosten bei Anschaffung eines behindertengerechten Pkw

Das OLG Brandenburg (27.4.23, 12 U 65/21, Abruf-Nr. 242930) hat die Anschaffungskosten für einen Pkw der Mercedes V-Klasse von 82.000 EUR akzeptiert, weil der Kläger ein entsprechend großes Fahrzeug zum Mitführen seines Rollstuhls benötigt. Streit bestand über die Höhe des Abzugs von Sowieso-Kosten. Der Kläger wollte für die Neuanschaffung eines Kfz ohne den Unfall lediglich 13.400 EUR aufgewendet sehen. Das OLG zog indes 20.000 EUR ab. Es prognostizierte, dass sich der Kläger als technikbegeisterter Fahrzeugfan bei gestiegenen Einkommensverhältnissen und fortschreitender Berufsqualifikation nicht mit einem Jahreswagen der unteren Klasse begnügt hätte. Indiziell abgesichert wurde dies mit Blick in den Fuhrpark der Familie, in dem nicht nur Kleinwagen in unterer Preisordnung, sondern auch ein Ford Mondeo aufzufinden war.

2. Reparaturkosten eines Elektrorollstuhls auf Segway-Basis

Neben dem behindertengerecht umgebauten Kfz verfügte der Kläger über einen gängigen Rollstuhl. Darüber hinaus hatte ihm die Beklagte die Anschaffungskosten für einen elektronischen Rollstuhl auf Segway-Basis erstattet. Dieser ist nach länger Nutzung nun reparaturbedürftig. Die beim Kläger dafür anfallenden Reparaturkosten von 6.171,99 EUR wies das OLG ab. Mit dem Kfz und dem Rollstuhl war nämlich nach Meinung des Gerichts dem Mobilitätsinteresse des Klägers hinreichend Rechnung getragen. Diese beiden Fahrzeuge würden ihn in die Lage versetzen, die üblichen Ziele örtlich zu erreichen. Sein Einwand, der Segway-Rollstuhl versetze ihn darüber hinaus in die Lage, sich auch auf unwegsamem Gelände zu bewegen, ordnete das OLG allein dem Freizeitbereich und dem Ausgleich der dem Kläger insoweit entgehenden Lebensfreude zu. Dies betreffe mithin nicht mehr seine vermehrten Bedürfnisse, sondern das Schmerzensgeld.

Im Rahmen der vermehrten Bedürfnisse soll so weit wie möglich ein der früheren Situation möglichst gleichwertiger Zustand hergestellt werden. Hierzu genügt nach dem OLG und der überwiegenden Rechtsprechung (BGH NZV 04, 195) grundsätzlich die Wiederherstellung der Mobilität. Das ist zumindest im Einzelfall fragwürdig. Hier bietet jedenfalls der Segway-Rollstuhl dem querschnittgelähmten Kläger einen von ihm nachvollziehbar verdeutlichten Mobilitätsvorteil und damit eine Ausgleichsqualität für seine verlorene Beweglichkeit.

AUSGABE: VA 9/2024, S. 153 · ID: 50101060

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