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ProzessrechtTerminsverlegung nach Terminierung ohne Terminsabsprache
| Hat der Versuch einer Terminsabsprache nicht stattgefunden, muss sich der Richter bei einem substanziierten Verlegungsantrag des Verteidigers ernsthaft bemühen, dessen nachvollziehbarem Begehren im Rahmen der zeitlichen Möglichkeiten des Spruchkörpers Rechnung zu tragen. |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
So hat jetzt das LG Wuppertal in einem Bußgeldverfahren entschieden. Der Betroffene hatte einen Terminsverlegungsantrag gestellt, den das AG abgelehnt hat. Dagegen richtete sich die Beschwerde des Verteidigers, die Erfolg hatte (24.11.23, 23 Qs 130/23, Abruf-Nr. 238708).
Zur Begründung verweist das LG auf das generelle Recht des Betroffenen, sich auch im Bußgeldverfahren von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen. Zwar folge daraus nicht, dass bei jeder Verhinderung des gewählten Verteidigers keine Hauptverhandlung gegen den Betroffenen durchgeführt werden könnte. Der Vorsitzende müsse auch nicht jeden Termin vor dessen Anberaumung mit sämtlichen Verfahrensbeteiligten abstimmen. Habe aber keine Terminsabsprache stattgefunden, müsse sich der Vorsitzende jedoch bei substanziierten Verlegungsanträgen eines Verteidigers, der das Vertrauen des Betroffenen genieße, jedenfalls ernsthaft bemühen, dessen nachvollziehbarem Begehren im Rahmen der zeitlichen Möglichkeiten des Spruchkörpers Rechnung zu tragen.
Das war hier nicht geschehen. Das AG habe sich letztlich nur daran orientiert, dass der Termin bereits zuvor einmal wegen einer Verhinderung des Verteidigers durch einen anderen Gerichtstermin verlegt worden sei. Der zugleich vorgetragenen Bitte des Verteidigers, einen Ausweichtermin abzustimmen, sei der Amtsrichter nicht nachgekommen, sondern habe den Termin „nur“ verlegt. Da der Versuch einer Terminsabsprache nicht stattgefunden habe, hätte sich der Amtsrichter indes bei einem – wie hier – substanziierten (zweiten) Verlegungsantrag jedenfalls ernsthaft bemühen müssen, dessen nachvollziehbarem Begehren im Rahmen der zeitlichen Möglichkeiten des Spruchkörpers Rechnung zu tragen (vgl. BGH NStZ-RR 10, 312).
Relevanz für die Praxis
Die Entscheidung ist m. E. zutreffend. Sie ist ein Weckruf an die AG und die dort häufig anzutreffende amtsrichterliche Praxis, auf die terminlichen Belange des Verteidigers nicht oder nicht ausreichend Rücksicht zu nehmen. Denn nach der Entscheidung ist ein ohne Terminsabsprache anberaumter Hauptverhandlungstermin (immer) zu verlegen, will man den Betroffenen/Angeklagten nicht seines Rechts auf Verteidigung durch den Anwalt des Vertrauens berauben. Das gilt im Übrigen wohl auch für das Strafverfahren. (Zu den Terminierungsfragen Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 9. Aufl., 2022, Rn. 4401 ff. und Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 10. Aufl., 2022, Rn. 3070 ff.
AUSGABE: VA 3/2024, S. 51 · ID: 49849820