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ReparaturkostenIn Zukunft mit oder ohne Abtretungen? ZDK-Rundschreiben bringt (unnötige?) Unruhe
| Einige Aufregung besteht bei den Werkstätten, nachdem der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) sein aktuelles Rundschreiben von Ende Januar über die Landesverbände an die Mitgliedsbetriebe gesandt hat. Das führt zu vermehrten Rückfragen bei den Anwälten. Der Kern des Rundschreibens lautet: „Nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH vom 16.1.24 zum Unfallschadenrecht hat der ZDK die bisherige RKÜB erneuert. Sie enthält keine Abtretung mehr, sondern ausschließlich eine Zahlungsanweisung.“ |
Das wird damit begründet, dass bei Geltendmachung abgetretener Forderungen das Werkstattrisiko keine Anwendung findet (u. a. BGH 16.1.24, VI ZR 38/22, Abruf-Nr. 239196). Das allerdings war schon seit der (weitergedachten) Entscheidung des BGH vom 26.4.22, VI ZR 147/21, Abruf-Nr. 230188, klar.
Sollte den Autohäusern und Werkstätten nun tatsächlich geraten werden, auf die Abtretung zu verzichten? Die Antwort auf diese Frage sollte rechtliche, aber auch pragmatische Überlegungen zur Grundlage haben.
1. Die rechtliche Überlegung ist zutreffend
Richtig ist: Bei einer offengelegten (!) Abtretung kann der Versicherer einwenden, die Segnungen des subjektbezogenen Schadenbegriffs in der Ausprägungsform des Werkstattrisikos seien damit für den Geschädigten bzw. die Werkstatt nicht mehr nutzbar. Die Grundüberlegung des ZDK ist damit rechtlich zutreffend.
Doch der völlige Verzicht auf die Abtretung bedeutet nach verbreiteter pragmatisch begründeter Auffassung, die von VA derzeit vorbehaltlich weiterer Entwicklungen geteilt wird, sprichwörtlich, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Dabei sind zwei Varianten zu beleuchten.
a) Ohne anwaltliche Unterstützung
Der Geschädigte möchte keinen Anwalt, die Werkstatt agiert selbst.
Wir kennen keinen einzigen Versicherer, der vorgerichtlich und ohne anwaltliche Unterstützung des Geschädigten den subjektbezogenen Schadenbegriff und damit das Werkstattrisiko anwendet. Ob nun mit oder ohne Abtretung, das Ergebnis wird dasselbe sein: Es kommt ein Prüfbericht, und auf dessen Grundlage wird der Schaden erstattet. Schlechter wird es also durch die Abtretung nicht.
Die Abtretung sichert dabei aber jedenfalls bestmöglich den – wenn auch gekürzten – Zahlungsfluss an die Werkstatt. Denn die ist eine durch die Werkstatt und den Geschädigten gestaltete Verschiebung der Anspruchsinhaberschaft. Der Versicherer muss diese beachten, auch wenn er sie nicht bestätigt oder ihr nicht zustimmt.
Und wenn alle Stricke reißen und wenn beim Geschädigten „nichts zu holen ist“, kann die Werkstatt notfalls auch aus eigener Kraft, wenn auch ohne die Segnungen des subjektbezogenen Schadenbegriffs, gegen den Versicherer vorgehen.
b) Mit anwaltlicher Unterstützung
Variante: Der Geschädigte lässt sich von Anfang an anwaltlich vertreten.
Lässt sich der Geschädigte von Anfang an anwaltlich vertreten, hat nach bisheriger Arbeitsweise die Werkstatt dennoch eine Abtretung vom Kunden eingeholt. Die blieb allerdings in der Anwaltsakte und wurde dem Versicherer nicht vorgelegt. Wenn die Werkstatt das so mit dem Kunden besprochen hat („Unterzeichnen Sie bitte die Abtretung, die bleibt dann in der Anwaltsakte“), ist das eine „Stille Abtretung“, deren Existenz den Versicherer zu Recht nichts angeht (OLG Bremen 18.8.23, 1 U 18/23, Abruf-Nr. 237278). Damit ist einem „ungetreuen Werkstattkunden“, der sich am Ende das Geld selbst auszahlen lassen möchte, vorgebeugt. Der ist sicher selten, hat den BGH aber auch bewegt (BGH 16.1.24, VI ZR 266/22).
Es hängt nun von der Arbeitsweise der Kanzlei ab, ob vorgerichtlich Zahlung an die jeweiligen Rechnungssteller verlangt wird oder an den Geschädigten auf das Konto der Kanzlei zur jeweiligen Weiterleitung. Manche Kanzlei bevorzugt zur Verringerung des Buchhaltungsaufwandes den ersten Weg, manche zur Optimierung der Kontrolle über die Zahlung den zweiten.
Auf dem ersten Weg ist der Rechtsprechung des BGH bereits Genüge getan. Auf dem zweiten Weg – da liegt der ZDK mit seiner Einschätzung richtig – nicht. Doch schlägt hier wieder der Pragmatismus zu: Auf keinem der beiden Wege werden die üblichen Verdächtigen unter den Versicherern – jedenfalls Stand heute – korrekt unter Anwendung des Werkstattrisikos und unter Verzicht auf Prüfberichte regulieren, auch wenn die Abtretung der eventuellen Rückforderungsansprüche des Geschädigten gegenüber der Werkstatt angeboten wird.
2. Wenn es dann zur Klage kommt
Kommt es dann zur Klage, kann ohne Weiteres der Klageantrag gestellt werden, wie er nun als Reaktion auf die aktuelle Sicht des BGH auf die Nutzbarmachung des Werkstattrisikos durch den Geschädigten notwendig ist (siehe VA 24, 23). Dabei geht die stille Abtretung den Versicherer immer noch nichts an. Vorsichtshalber kann jedoch auch mit einer Rückabtretung gearbeitet werden. Dann allerdings werden voraussichtlich Schlachten geschlagen werden, ob mit dem Hin und Her das Werkstattrisiko untergegangen ist.
Fazit | Man kann das so sehen, wie der ZDK, muss es aber nicht. Man kann auch abwarten, ob Versicherer ihre vorgerichtliche Strategie ändern. |
AUSGABE: VA 3/2024, S. 40 · ID: 49900143