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UmsatzsteuerÜber Persönliches Budget finanzierte Betreuungs- oder Pflegeleistung kann umsatzsteuerfrei sein

Abo-Inhalt08.07.20257289 Min. LesedauerVon Rechtsanwältin und Steuerberaterin Heide Bley, Fachberaterin für internationales Steuerrecht, Schomerus & Partner mbB Hamburg

| Betreuungs- oder Pflegeleistungen, die über das Persönliche Budget gemäß § 17 SGB IX a. F. finanziert werden, können unter bestimmten Voraussetzungen nach § 4 Nr. 16 S. 1 Buchst. l UStG in der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung (nun Buchst. n) umsatzsteuerfrei sein. Das hat der BFH klargestellt. SB erläutert, warum dieses Urteil weitreichende Bedeutung für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Leistungen hat, die im Rahmen des Persönlichen Budgets erbracht werden. |

Der umsatzsteuerliche Hintergrund

Die Entscheidung betrifft die Auslegung des § 4 Nr. 16 S. 1 Buchst. l UStG in der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung, die inzwischen durch Buchst. n ersetzt wurde. Nach dieser Vorschrift sind Leistungen steuerfrei, wenn sie von Einrichtungen erbracht werden, die Betreuungs- oder Pflegekosten in mindestens 25 Prozent der Fälle von gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder der Sozialhilfe vergütet bekommen haben. Die Vorschrift basiert unionsrechtlich auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der MwStSystRL, wonach Dienstleistungen im Bereich der Sozialfürsorge und sozialen Sicherheit unter bestimmten Voraussetzungen von der Umsatzsteuer zu befreien sind.

Um diesen Kostentragungsfall ging es vor dem BFH

Eine Kommanditgesellschaft (KG) bot in den Jahren 2013 bis 2016 in zwei Wohngebäuden eine Komplettbetreuung für psychisch erkrankte, suchtkranke oder geistig behinderte Bewohner an, die in ihrer Alltagsbewältigung erheblich eingeschränkt waren. Die Leistungen bestanden in ambulanten pädagogischen Fach- und Assistenzleistungen, die auf Grundlage individueller Verträge mit den jeweiligen Bewohnern erfolgten. Diese Bewohner beantragten Leistungen zur Teilhabe in Form eines Persönlichen Budgets nach § 17 Abs. 2 SGB IX a. F. Der zuständige Landeswohlfahrtsverband (LWV) bewilligte diese Budgets in Form von Zielvereinbarungen, die den Unterstützungsbedarf und die Budgethöhe individuell festlegten.

  • Die KG stellte ihre Leistungen den Bewohnern auf Grundlage der Bewilligungen in Rechnung; und zwar unabhängig davon, ob die vereinbarten Ziele tatsächlich erreicht wurden. In ihren Umsatzsteuererklärungen erklärte sie ausschließlich steuerfreie Umsätze.
  • Das Finanzamt behandelte die Umsätze als steuerpflichtig und setzte entsprechende Umsatzsteuer fest. Es vertrat die Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 S. 1 Buchst. l UStG a. F. nicht erfüllt seien, insbesondere weil die gesetzlich geforderte Mindestvergütungsquote nicht erreicht werde und keine mittelbare Kostentragung durch den LWV vorliege.

Die gegen die Steuerfestsetzungen eingelegten Rechtsbehelfe der KG blieben erfolglos. Das FG Hessen wies die Klage mit der Begründung ab, dass die Leistungen zwar eng mit der Betreuung hilfsbedürftiger Personen verbunden seien, jedoch die gesetzlich geforderte Mindestquote von 25 Prozent (bis 30.06.2013: 40 Prozent) nicht erfüllt sei. Die vom LWV im Rahmen des Persönlichen Budgets bereitgestellten Mittel könnten insoweit nicht als mittelbare Kostentragung gewertet werden.

BFH: Steuerfreie Pflegeleistungen bei persönlichem Budget

Der BFH hob das Urteil des FG auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG Hessen zurück (BFH, Urteil vom 19.12.2024, Az. V R 1/22, Abruf-Nr. 248088).

Wann Steuerbefreiung bei mittelbarer Kostentragung vorliegen kann

Der BFH stellte klar, dass Betreuungs- oder Pflegeleistungen auch dann nach § 4 Nr. 16 S. 1 Buchst. l UStG in der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung steuerfrei sein können, wenn sie über das Persönliche Budget finanziert werden, sofern eine mittelbare Kostentragung durch den zuständigen Leistungsträger vorliegt. Dies ist für den BFH dann der Fall, wenn der Leistungsträger in Bezug auf die Person des Leistungserbringers eine explizite Entscheidung trifft, aus der eine Anerkennung zur Leistungserbringung hervorgeht.

Leistung aus Persönlichem Budget zählt bei Mindestvergütungsquote

Der BFH präzisiert, dass eine mittelbare Kostentragung aufgrund einer expliziten Entscheidung der in § 4 Nr. 16 S. 1 Buchst. l UStG genannten Träger

  • nicht nur dann vorliege, wenn ein von diesen Trägern unmittelbar beauftragter Leistungserbringer seinerseits einen Subunternehmer beauftrage,
  • sondern auch, wenn eine Beauftragung über die Leistungsempfängerseite durch die von dieser Vorschrift begünstigte Person vorliegt.

Wichtig | Daher sind für den BFH – entgegen dem Urteil des FG – auch aus dem Persönlichen Budget bestrittene Leistungen für die Bemessung der Mindestvergütungsquote des § 4 Nr. 16 S. 1 Buchst. l UStG zu berücksichtigen, wenn eine solche explizite Entscheidung der in dieser Vorschrift genannten Träger vorliegt. Hierfür müsse der Träger die Kosten kennen und den Leistungserbringer zumindest mittelbar auch anerkennen.

Für den BFH hat das FG dies unzureichend geprüft und sich stattdessen zu sehr auf die formale Trennung der Zahlungsebenen und die Nichterfüllung der Mindestquote fokussiert. Der BFH betonte, dass die Beurteilung der Kostentragung aus Sicht des Sozialleistungsrechts zu erfolgen habe und wies insbesondere auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL hin. Die unionsrechtlichen Vorgaben würden keine unmittelbare Zahlung durch den Träger erfordern, sondern ließen eine mittelbare Kostentragung zu, wenn eine inhaltlich tragende Verbindung zwischen Träger, Leistung und Leistungserbringer besteht.

Wichtig | Da das FG keine Feststellungen dazu getroffen hatte, ob der LWV im konkreten Fall eine solche inhaltliche Anerkennung der KG als Leistungserbringerin vorgenommen hatte, war eine abschließende Entscheidung durch den BFH nicht möglich. Es sei zu prüfen, ob die KG von den Bewohnern in deren Antrag auf Gewährung von Leistungen im Wege des Persönlichen Budgets ausdrücklich genannt wurde und ob die Behauptung der KG zutrifft, sie habe dem LWV die pädagogische Befähigung ihrer Mitarbeiter nachweisen müssen.

Weitreichende Bedeutung des Urteils für die Praxis

Die Entscheidung des BFH hat weitreichende Bedeutung für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Leistungen, die im Rahmen des Persönlichen Budgets erbracht werden.

BFH stärkt funktionale Betrachtung bei Kostentragung.

Insbesondere stellt der BFH klar, dass eine mittelbare Kostentragung durch den Sozialleistungsträger auch dann vorliegen kann, wenn die Leistungen formal vom Leistungsempfänger selbst finanziert werden, sofern der Träger die Person des Leistungserbringers explizit anerkannt hat. Damit wird die unionsrechtlich gebotene Auslegung zugunsten einer funktionalen Betrachtung gestärkt, bei der nicht der Zahlungsweg, sondern die Entscheidungskompetenz des Trägers über den Leistungserbringer im Mittelpunkt steht.

Dokumentation des Budgetprozesses ist wichtig

Für die Praxis ergibt sich daraus eine erhöhte Bedeutung der Dokumentation des Prozesses über die Bewilligung und Vergabe des Persönlichen Budgets. Es muss nachweisbar sein, dass der Sozialleistungsträger davon ausging, dass diese Leistung nicht von einem beliebigen Unternehmer, sondern von einem bestimmten Leistungserbringer erbracht werden sollte.

Praxistipps |

  • In der Praxis muss der Leistungserbringer also nachweisen, dass der Sozialleistungsträger ihn explizit als Unternehmer anerkannt hat.
    • Dies kann sich z. B. daraus ergeben, dass im Antrag des Leistungsempfängers der Leistungserbringer bereits namentlich genannt ist.
    • Es kann sich aber auch aus dem Umstand ergeben, dass der Leistungserbringer dem Sozialleistungsträger jeden Monat einen Nachweis der Kosten und der Stunden übersendet, sodass dem Sozialleistungsträger aus dieser Vorgehensweise (konkludent) bekannt sein muss, wer der Leistungserbringer ist. Wünschenswert wäre aber auch hier eine Art „Verständnisquittung“, dass der Sozialleistungsträger den Leistungserbringer explizit anerkennt.
    • Der Leistungserbringer könnte dem Sozialleistungsträger auch „proaktiv“ den Dienstleistungsvertrag zwischen ihm und dem Leistungsempfänger vorlegen. Auch dadurch wird für den Sozialleistungsträger deutlich, wer der konkrete Leistungserbringer ist.

AUSGABE: SB 8/2025, S. 152 · ID: 50470044

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