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StiftungsrechtsreformSo sieht die neue Eigenkapitalgliederung des IDW nach der Stiftungsrechtsreform aus
| Die Stiftungsrechtsreform hat die Struktur des Stiftungsvermögens erstmalig grundlegend geregelt und in diesem Zusammenhang neue Begrifflichkeiten eingeführt. Dies hat auch Auswirkungen auf die Eigenkapitalgliederung einer bilanzierenden Stiftung. Der folgende Beitrag stellt die vorgeschlagene Gliederung des Instituts der Wirtschaftsprüfer e. V. (IDW) dar und erläutert die einzelnen Posten anhand von praktischen Beispielen. |
Stiftungsrechtsreform wirkt sich auf Rechnungslegung aus
Die Reform des Stiftungsrechts im BGB und die nachfolgenden Anpassungen der Landesstiftungsgesetze haben zu keinen grundlegenden Neuerungen in der Rechnungslegung von Stiftungen geführt. So wird z. B. auch weiterhin keine bestimmte Rechnungslegungsmethode (z. B. Bilanzierung) vorgeschrieben, auch nicht ab einer gewissen Größenordnung. Das BGB verweist weiterhin auf die rudimentären Vorschriften des Auftragsrechts, die Landesstiftungsgesetze fordern eine nicht näher spezifizierte Jahresrechnung mit einer Vermögensübersicht (dazu auch mehr im Beitrag 5/2024, Seite 83 → Abruf-Nr. 49960505).
Einnahmen-/Ausgabenrechnung (nur) in bestimmten Fällen sinnvoll Praxistipp | Das IDW rät zur Einnahmen-/Ausgabenrechnung mit Vermögensübersicht aufgrund der eingeschränkten Aussagekraft nur bei überschaubaren Verhältnissen. Bei abnutzbarem Anlagevermögen (Immobilien), eigenem Personal oder unregelmäßigen Projektverläufen sollte bilanziert werden. Umgekehrt spricht nichts dagegen, wenn eine Stiftung mit einer überschaubaren Vermögensverwaltung und kurzfristigen Förderprojekten die Rechnungslegung einfach hält und nicht bilanziert. |
Inhaltliche Neuerungen mit Auswirkungen auf die Rechnungslegung finden sich insbesondere rund um das Stiftungsvermögen und dessen Erhaltung. Das IDW hat mit seiner Stellungnahme zur Rechnungslegung „IDW RS HFA 5: Rechnungslegung von Stiftungen“ schon vor vielen Jahren die rudimentären Vorschriften des Stiftungsrechts ausgelegt. Darin hat das IDW sowohl Hinweise für bilanzierende Stiftungen gegeben als auch für solche, die eine Einnahmen-/Ausgabenrechnung mit Vermögensübersicht (im Folgenden auch „Jahresrechnung“) erstellen.
Wichtig | Aufgrund der Stiftungsrechtsreform war eine Überarbeitung der Stellungnahme notwendig. Mit Datum vom 13.12.2023 liegt nunmehr der Entwurf einer überarbeiteten Stellungnahme (IDW ERS HFA 5 n. F., Abruf-Nr. 240853) vor. Dieser sieht auch eine Anpassung der Eigenkapitalgliederung für bilanzierende Stiftungen vor.
Grundstockvermögen und sonstiges Vermögen
Das neue Stiftungsrecht unterscheidet beim Stiftungsvermögen zwischen dem Grundstockvermögen und dem sonstigen Vermögen. Nur das Grundstockvermögen muss auf Dauer ungeschmälert erhalten werden. Beim sonstigen Vermögen handelt es sich um das gesamte weitere Vermögen der Stiftung neben dem Grundstockvermögen. Das Grundstockvermögen wiederum wird nach § 83b Abs. 2 BGB unterteilt in
- das gewidmete Vermögen,
- das der Stiftung zugewendete Vermögen, das vom Zuwendenden dazu bestimmt wurde, Teil des Grundstockvermögens zu werden (Zustiftung),
- das Vermögen, das von der Stiftung zu Grundstockvermögen bestimmt wurde.
Eine Verbrauchstiftung hat entsprechend nur sonstiges Vermögen. Allerdings kann auch eine Ewigkeitsstiftung mit einem zu verbrauchenden Vermögen ausgestattet werden. Sie wird dann als Hybridstiftung bezeichnet.
Beispiel |
... am Beispiel der Hybridstiftung erläutert Eine Stiftung wird errichtet mit einem Grundstockvermögen von einer Mio. Euro und weiterem Vermögen von ebenfalls einer Mio. Euro. Die Stifterin bestimmt, dass das weitere Vermögen innerhalb der nächsten zehn Jahre für die Stiftungszwecke zu verwenden ist. Das Grundstockvermögen ist dauerhaft zu erhalten. Bei der Stiftung handelt es sich um eine Hybridstiftung. |
Es ist davon auszugehen, dass die Anzahl der Hybridstiftungen in Zukunft steigen wird, insbesondere wenn das Zinsniveau wieder sinkt.
Vermögen versus Kapital bei der bilanzierenden Stiftung
Bei einer bilanzierenden Stiftung zeigt die Aktivseite das Vermögen der Stiftung, während die Passivseite dessen Finanzierung darstellt in Form von (Eigen- und Fremd-)Kapital. Entsprechend wird das Stiftungsvermögen auf der Aktivseite ausgewiesen. Das Stiftungsvermögen enthält zum einen das Grundstockvermögen (also z. B. eingebrachte Vermögensgegenstände wie Immobilien und Wertpapiere), zum anderen das sonstige Vermögen. Dieses enthält entsprechend sämtliche übrigen Vermögensgegenstände der Aktivseite.
Die Passivseite zeigt, wie das gesamte Stiftungsvermögen finanziert ist. Sie sollte die Finanzierung des Grundstockvermögens separat ausweisen. Dieser Posten ist dann Teil des Eigenkapitals. Entsprechend haben die Begrifflichkeiten des BGB (Grundstockvermögen, sonstiges Vermögen) auf der Passivseite der Bilanz nichts verloren, weil sich diese auf die Aktivseite beziehen.
So sieht die neue Eigenkapitalgliederung des IDW aus
Entsprechend der neuen Begrifflichkeiten zum Stiftungsvermögen im BGB schlägt das IDW in der überarbeiteten Stellungnahme nunmehr folgende angepasste Eigenkapitalgliederung vor:
A. Eigenkapital |
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Im Folgenden werden die einzelnen Posten der Eigenkapitalgliederung erläutert.
Aufgliederung des Grundstockkapitals
Das Grundstockkapital stellt den kapitalseitigen Gegenposten zum Grundstockvermögen dar. Konkret stellt es den Wert des Grundstockvermögens im Zeitpunkt der Einbringung dar.
Beispiel |
... Grundstockver-
mögen und was der Erhaltungsgrundsatz für ... In eine neu errichtete Stiftung werden eine Immobilie und ein Wertpapierdepot eingebracht. Beide Posten haben einen Wert von je 500.000 Euro im Zeitpunkt der Einbringung. Das Grundstockkapital beträgt entsprechend eine Mio. Euro. In den Folgejahren wird die Immobilie planmäßig abgeschrieben, das Wertpapierdepot ändert sich in seiner Zusammensetzung und ggf. auch über außerplanmäßige Abschreibungen im Wert. Das Grundstockkapital bleibt gleichwohl mit einer Mio. Euro unverändert. |
Hinter diesem Ausweis steht die Sichtweise, dass im Regelfall nicht die Vermögensgegenstände des Grundstockvermögens selbst zu erhalten sind, sondern der mit diesen eingebrachte Wert. Entsprechend ist im Beispiel ein Grundstockwert von einer Mio. Euro zu erhalten, nicht aber die Immobilie und die eingebrachten Wertpapiere gegenständlich.
Die weitere Aufgliederung greift die Untergliederung des Grundstockvermögens nach § 83b Abs. 2 BGB (siehe oben) auf. Neben dem gewidmeten Vermögen (Grundstockvermögen laut Stiftungsgeschäft), dessen Wert im Eigenkapital als Errichtungskapital gezeigt wird, werden
- spätere Zustiftungen über das Zustiftungskapital gezeigt und
- Zuführungen aus dem Ergebnis als Zuführungskapital.
Wichtig | Das neue Stiftungsrecht weist nunmehr explizit darauf hin, dass Teile des erwirtschafteten Ergebnisses dem Grundstockvermögen zugeführt werden dürfen. Diese sind dann allerdings dauerhaft zu erhalten.
Praxistipp | Dem Grundstockkapital können als Zuführungskapital insbesondere freie Rücklagen und Umschichtungsergebnisse zugeführt werden. Die Re- |
gelung sollte allerdings behutsam in Anspruch genommen werden. Der Verbleib als „Rücklagen“ oder „Umschichtungsergebnisse“ bedeutet eine deutlich höhere Flexibilität. Eine Zuführung zum Grundstockkapital sollte nur gewählt werden, wenn die genannten Posten im Zeitablauf sehr hoch geworden sind, oder andere Gründe dafür sprechen, die Mittel dauerhaft zu erhalten. |
Verbrauchskapital
Der Posten Verbrauchskapital ist neu in der Gliederung. Bei einer Verbrauchsstiftung wird darunter der gesamte Wert des eingebrachten Vermögens abgebildet. Sonst sollte dieser Posten nur bei Hybridstiftungen vorkommen. Das Verbrauchskapital zeichnet sich dadurch aus, dass es zum planmäßigen Verbrauch bestimmt ist, der sich aus satzungsmäßigen Bestimmungen, vertraglichen Regelungen oder Auflagen des Zuwendenden ergeben kann. Das Verbrauchskapital eignet sich auch durchaus als Fundraisinginstrument, um Spender zu suchen, die genau eine solche Förderung präferieren.
Kapitalrücklage
In die Kapitalrücklage werden demgegenüber weitere Zuwendungen von außen eingestellt, die weder Grundstockkapital (Zustiftungen) oder Verbrauchskapital darstellen, noch als zeitnah zu verwendende Spende eingebracht wurden.
Beispiele für die Kapitalrücklage |
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Ergebnisrücklagen
Anders als die Kapitalrücklage werden Ergebnisrücklagen aus dem Ergebnis heraus gebildet. Die Ergebnisrücklagen können weiter untergliedert werden, z. B. in frei verfügbare Rücklagen und gebundene Rücklagen. Häufig wird hier auch eine Kapitalerhaltungsrücklage ausgewiesen.
Viele Stiftungen bilden unter diesem Posten die gemeinnützigkeitsrechtlichen (steuerrechtlichen) Rücklagen des § 62 AO ab. Dies ist zunächst kritisch, weil die steuerrechtlichen Rücklagen einen anderen Charakter als die handelsrechtlichen Rücklagen haben:
Beispiel |
Steuer- und Handelsbilanz laufen ggf. auseinander Eine Stiftung weist ein Ergebnis inklusive Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr von 50.000 Euro aus. Die berechnete höchstmögliche freie Rücklage nach § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO beträgt 40.000 Euro. Ein Projekt im Sinne des § 62 Abs. 1 Nr. 1 (Projektrücklage) wurde intern in Höhe von 30.000 Euro beschlossen. Lösung: In einer Nebenrechnung könnten 70.000 Euro den Rücklagen zugeführt werden. In der Handelsbilanz können nur 50.000 Euro gebildet werden, da kein höheres zu verwendendes Ergebnis vorhanden ist. |
- Rücklagen nach HGB stellen eine Ergebnisverwendung dar.
- Rücklagen nach der Abgabenordnung stellen demgegenüber eine Mittelreservierung dar.
Wird diese Einschränkung beachtet, können auch die gemeinnützigkeitsrechtlichen Rücklagen des § 62 AO unter den Ergebnisrücklagen ausgewiesen werden. Im Einzelnen sind dies
- Projektrücklagen,
- Betriebsmittelrücklagen,
- Wiederbeschaffungsrücklagen und
- freie Rücklagen.
Alternativ sind diese Rücklagen in einer Nebenrechnung abzubilden.
Das macht freie Rücklagen auch für Stiftungen so attraktiv Praxistipp | Insbesondere die freie Rücklage sollten gemeinnützige Stiftungen regelmäßig bilden.
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Umschichtungsergebnis
Das Umschichtungsergebnis findet man in der Praxis auch als Umschichtungsrücklage unter den Ergebnisrücklagen. Der Posten „Umschichtungsergebnis“ hat eine steuerrechtliche und eine stiftungsrechtliche Dimension:
- Steuerrecht: Ergebnisse aus Umschichtungen müssen gemeinnützigkeitsrechtlich nicht zeitnah verwendet werden. Im Ergebnis besteht eine ähnliche Flexibilität wie bei der freien Rücklage.
- Stiftungsrecht: Mit dem neuen Recht ist nunmehr geklärt, dass Umschichtungsergebnisse auch verwendet werden dürfen (§ 83c Abs. 1 BGB). Bisher wurden diese teilweise als Grundstockvermögen betrachtet.
Damit besteht nun ein Gleichklang zwischen Stiftungs- und Steuerrecht, und das Umschichtungsergebnis weist eine hohe Flexibilität aus. Die Mittel dürfen
- als Umschichtungsergebnis stehen gelassen werden,
- zeitnah verwendet werden oder
- dem Grundstockkapital zugeführt werden.
Unter dem Umschichtungsergebnis sind auszuweisen:
- Gewinne aus der Umschichtung des Grundstockvermögens
- Verluste aus der Umschichtung des Grundstockvermögens
- Abschreibungen auf das Grundstockvermögen
- Zuschreibungen zum Grundstockvermögen
Insofern kann das Umschichtungsergebnis auch negativ werden und stellt dann einen Korrekturposten zum Grundstockkapital dar.
Beispiel |
... ist Korrekturposten zum Grundstockkapital Das Grundstockkapital einer Stiftung beträgt eine Mio. Euro. Die Stiftung verfügt daneben über 200.000 Euro freie Rücklagen und ein negatives Umschichtungsergebnis von 350.000 Euro. Ergebnis: Damit ist das Grundstockkapital nominal nicht erhalten (eine Mio. Euro + 200.000 Euro ./. 350.000 Euro = 850.000 Euro). |
Ergebnisvortrag
Am Ende verbleibt der Ergebnisvortrag. Dieser stellt nicht das Jahresergebnis der Stiftung dar, sondern das Ergebnis unter Berücksichtigung einer (teilweisen) Ergebnisverwendung, also z. B. nach Rücklagenbildung oder Dotierung des Umschichtungsergebnisses.
Entsprechend sollte auch die Gewinn- und Verlustrechnung einer Stiftung nicht mit dem Jahresergebnis enden, sondern auf den Ergebnisvortrag übergeleitet werden:
... auf den Ergebnisvortrag überleiten Jahresergebnis | |
+/- | Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr |
-/+ | Einstellungen in die/Entnahmen aus den Ergebnisrücklagen |
-/+ | Einstellung in den/Entnahmen aus dem Posten Umschichtungsergebnisse |
= | Ergebnisvortrag |
Der Ergebnisvortrag stellt eine Annäherung an die zeitnah zu verwendenden Mittel dar, wenngleich ein solcher Wert korrekt nur im Rahmen einer steuerlichen Mittelverwendungsrechnung ermittelt werden kann. In vielen Fällen akzeptiert die Finanzverwaltung diese Annäherung allerdings und besteht nicht auf einer separaten Mittelverwendungsrechnung.
Begrifflichkeiten anpassen + Verbrauchskapital für Fundraising nutzen Fazit | Das neue Stiftungsrecht führt zu neuen Begrifflichkeiten, die wiederum Auswirkungen auf die Eigenkapitalgliederung der Stiftung haben. Eine Anpassung sollte in jedem Fall erfolgen; denn die alten Begrifflichkeiten führen zu Unklarheiten in Bezug auf das zu erhaltende Vermögen, das nunmehr als Grundstockvermögen bezeichnet wird. Mit dem Verbrauchskapital ist zudem ein Instrument eingeführt worden, das für das Fundraising der Stiftung interessante Möglichkeiten bietet. |
AUSGABE: SB 5/2024, S. 88 · ID: 49982612