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UmsatzsteuerUmsatzsteuer- und Kaffeesteuerkarussell: Unter diesen Voraussetzungen haftet ein Geschäftsführer

Abo-Inhalt06.01.20256 Min. LesedauerVon RA Prof. Dr. Carsten Wegner, Krause & Kollegen, Berlin

| Es bedarf für eine Haftung des gesetzlichen Vertreters eines Verschuldens. Dieses erfordert eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzung. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn jemand die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten im Stande ist, in ungewöhnlich hohem Maß verletzt. Der gesetzliche Vertreter muss sich das Verschulden seines Beraters nicht als eigenes zurechnen lassen. Dazu ein Fall des FG Düsseldorf. |

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheids für Umsatzsteuerschulden der G. GmbH. Durch notariellen Vertrag erwarb M die Gesellschaftsanteile und übernahm auch die Position des Geschäftsführers GF. Ausweislich eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsberichts gehörte die G. GmbH zu einem Geflecht aus Unternehmen, die ein Kaffee- und Umsatzsteuerkarussell betrieben. In diesen Karussellgeschäften kauften unterschiedliche und ständig wechselnde Unternehmen als sog. Missing Trader Waren aus den Niederlanden ein. Diese Ware wurde vom sog. Missing Trader an eine oder mehrere zwischengeschaltete Unternehmen, die sog. Buffer, weiterverkauft. Die dabei an sich fällige Umsatzsteuer (USt) führte der Missing Trader nicht ab. Die nachgeschalteten Buffer erfüllten ihre umsatzsteuerlichen Pflichten und zogen insbesondere auch die Vorsteuer aus den Rechnungen der vorgeschalteten Buffer sowie des Missing Traders. Auf der letzten Stufe stand der sog. Exporteur, der die Ware zurück in die Niederlanden veräußerte. Echte Warenbewegungen fanden nicht statt oder die Ware wurde „im Kreis“ herumgefahren. Soweit es Kaffee betraf, wurde dieser auf der letzten Stufe des Karussells durch den sog. Distributor im Inland verbilligt um die Kaffeesteuer von 2,19 EUR pro Kilogramm auf den Markt gebracht.

Die G. GmbH gab für die Monate Januar und Februar 2009 USt-Voranmeldungen ab. U. a. aufgrund der hohen erklärten Vorsteuerüberhänge zog G die Aufmerksamkeit der Finanzbehörden auf sich. Im Juni 2009 begann daraufhin eine Fahndungsprüfung.

Durch Vertrag erwarb der Kläger (K) die Gesellschaftsanteile an der G. GmbH von M zu einem Kaufpreis von 1 EUR. Er übernahm auch die Geschäftsführung der Gesellschaft zu einem monatlichen Gehalt von 657 EUR, während M als Prokurist für die G. GmbH weiterhin Geschäfte tätigen konnte. M beantragte im Mai 11 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der G. GmbH.

Das beklagte FA erließ wegen USt für den Zeitraum 10/09 bis 12/09 einen Haftungsbescheid gegenüber dem K. Die Haftung begründete es zum einen mit der Geschäftsführerstellung sowie wegen begangener Steuerhinterziehungen bzw. der Teilnahme an solchen. Das FG wies die gegen den Haftungsbescheid erhobene Klage ab.

Entscheidungsgründe

Der Haftungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt K nicht in seinen Rechten. Er hat die ihm als Geschäftsführer der G. GmbH auferlegten Pflichten verletzt, weil er es unterlassen hat, rechtzeitig für die Abgabe einer zutreffenden USt-Voranmeldung für das vierte Quartal 2009 zu sorgen und er umsatzsteuerliche Zahllasten nicht angezeigt hat. Durch die Pflichtverletzungen des K ist es zu einem Vermögensschaden beim beklagten FA gekommen. Eine Kürzung der Haftungssumme nach dem Grundsatz anteiliger Tilgung kommt nicht in Betracht (FG Düsseldorf 31.1.22, 11 K 2812/17 H, Abruf-Nr. 242552).

Merke | Gem. § 191 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner). Die Entscheidung über die Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners ist zweigliedrig (BFH 20.9.16, X R 36/15, BFH/NV 17, 593):
  • Das FA muss zunächst prüfen, ob die Personen, die es zur Haftung heranziehen will, kraft Gesetzes für eine Steuer haften (Haftungstatbestand). Dabei handelt es sich um eine gerichtlich voll überprüfbare Rechtsentscheidung.
  • Daran schließt sich die nach § 191 Abs. 1 S. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung des FA an, ob und ggf. wen es als Haftungsschuldner in Anspruch nehmen will. Diese auf der zweiten Stufe zu treffende Entscheidung ist gerichtlich nur im Rahmen von § 102 Abs. 1 FGO auf Ermessensfehler (Ermessensüberschreitung, Ermessensfehlgebrauch oder Ermessensnichtgebrauch) überprüfbar. Prüfungsmaßstab hierfür ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung als letzter Verwaltungsentscheidung. Etwaige, bei Erlass des Haftungsbescheids unterlaufene Ermessensfehler können im Einspruchsverfahren geheilt werden, im finanzgerichtlichen Verfahren kann das FA Ermessenserwägungen hingegen nur noch ergänzen, jedoch keine Ermessenserwägungen mehr nachschieben, § 121 Abs. 1, § 126 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO.

Relevanz für die Praxis

Eine Haftung für eine Steuer kraft Gesetzes i. S. v. § 191 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 AO ergibt sich aus § 69 S. 1 AO, wenn gesetzliche Vertreter juristischer Personen i. S. v. § 34 Abs. 1 S. 1 AO Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht erfüllen oder diese Ansprüche nicht oder verspätet festgesetzt werden oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Gem. § 34 Abs. 1 S. 1 AO müssen die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen deren steuerliche Pflichten erfüllen.

Zu den steuerlichen Pflichten i. S. v. § 69 i. V. m. § 34 AO zählt insbesondere die Pflicht, Steuererklärungen und Steueranmeldungen für juristische Personen abzugeben, vgl. § 18 Abs. 3 S. 1 UStG, § 31 Abs. 1 S. 1 KStG i. V. m. § 25 Abs. 3 S. 1 EStG. Diese Pflicht müssen die gesetzlichen Vertreter – wie sich mittelbar aus § 153 Abs. 1 AO entnehmen lässt – vollständig und richtig erfüllen.

Merke | Die Inanspruchnahme des Haftungsschuldners setzt voraus, dass die Verletzung der steuerlichen Pflichten für den eingetretenen Vermögensschaden ursächlich gewesen ist. Es muss also zwischen der Pflichtverletzung des Vertreters und dem Steuerausfall ein Kausalzusammenhang bestehen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Pflichtverletzung darauf beruht, dass die Steuerschuld nicht erfüllt oder eine Steuererklärung unterlassen oder unzutreffend abgegeben worden ist (BFH 25.4.94, VII R 99-100/94, BFH/NV 96,101).

Nur solche Pflichtverletzungen können als für den Schadenseintritt ursächlich angesehen werden, die allgemein oder erfahrungsgemäß geeignet sind, den Erfolg herbeizuführen (sog. Adäquanztheorie). Sofern die Verletzung der steuerlichen Pflichten in einem Unterlassen besteht, ist darauf abzustellen, ob der Schaden ohne das Unterlassen der gebotenen Handlung ausgeblieben wäre. Ein Schaden durch Nichterfüllung einer Steuerverbindlichkeit ist verursacht, wenn aufgrund der Pflichtverletzung die Steuerzahlung ausbleibt. Eine solche Verursachung liegt bereits vor, wenn durch die Pflichtverletzung erfolgversprechende Vollstreckungsmöglichkeiten der Finanzverwaltung entfallen (BFH 29.8.18, XI R 57/17, BFH/NV 19, 7).

Ist der Schaden eingetreten, kann die Kausalität der Pflichtverletzung nicht durch Annahme eines hypothetischen Kausalverlaufs beseitigt werden; die bloße Möglichkeit oder eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Nichteintritts des Erfolgs genügen jedoch nicht (BFH 11.11.08, VII R 19/08, BStBl. II 09, 342). Steht hingegen fest, dass auch bei Pflichterfüllung durch den Haftungsschuldner die Steuerzahlung ausgeblieben wäre, fehlt es in jedem Fall an einer Verursachung des Schadens. Da der Haftungsanspruch einem zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch ähnelt, ist es ebenso wie für den zivilrechtlichen Schadenersatz ausreichend, wenn der Haftungsschuldner durch sein Verhalten nur eine Mitverursachung des Steuerschadens bewirkt hat.

Der gesetzliche Vertreter muss sich das Verschulden seines Beraters nicht als eigenes zurechnen lassen. Nach der Rechtsprechung des BFH handelt der Geschäftsführer einer GmbH regelmäßig nicht grob fahrlässig, wenn er auf die Sachkunde eines ihm als zuverlässig bekannten und als Angehörigen eines rechtsberatenden oder steuerberatenden Berufs befugten Beraters vertraut und bei gewissenhafter Ausübung seiner Überwachungspflichten keinen Anlass findet, die steuerliche Korrektheit der Arbeit des steuerlichen Beraters infrage zu stellen (BFH 26.11.08, V B 210/07, BFH/NV 09, 362).

In der Rechtsprechung ist die Haftung des Vertreters jedoch insbesondere bejaht worden, wenn dieser konkreten Anlass gehabt hätte, eine Steuererklärung in einzelnen Punkten inhaltlich zu überprüfen, etwa weil die gemachten Angaben erheblich von den Vorjahren abwichen (BFH 28.8.08, VII B 240/07, BFH/NV 08, 1983).

Vorliegend moniert das FG, dass K sich – wenn überhaupt – nur unzureichend um die Belange der G. GmbH gekümmert hat. Er habe sich vielmehr „einlullen“ und den Zeugen M gewähren lassen. Auch sein monatliches Gehalt von 657 EUR habe K nicht sonderlich zu Ehrgeiz angespornt.

AUSGABE: PStR 2/2025, S. 36 · ID: 49993275

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