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Der Steuerberater fragt, der Strafverteidiger antwortetWelche Erklärungsfrist gilt für Steuerberater?
| Bevollmächtigen sich Steuerberater selbst für ihre eigenen Steuererklärungen, ist fraglich, ob die Erklärungsfrist des § 149 Abs. 2 oder Abs. 3 AO gilt. Dazu ein Fall aus der Praxis: |
FRAGE DES STEUERBERATERS: Ich bin selbstständiger Steuerberater und habe mich selbst bevollmächtigt für die Abgabe meiner eigenen Steuererklärungen. Anfang dieses Jahres kam es zu einem Bearbeiterwechsel in meiner Dienststelle. Später wurde gegen mich ein Strafverfahren wegen versuchter Steuerhinterziehung im Hinblick auf die Einkommensteuer 2023 eingeleitet. Dabei gilt für mich als Steuerberater doch die Abgabefrist bis zum 2.6.25, und auch in den Vorjahren habe ich immer im Rahmen der verlängerten Fristen für beratende Steuerpflichtige abgegeben, ohne dass z. B. ein Verspätungszuschlag festgesetzt wurde. Wie ist die Verfahrenseinleitung rechtlich zu beurteilen?
ANTWORT DES STRAFVERTEIDIGERS: Nach § 149 Abs. 2 AO sind Steuererklärungen spätestens sieben Monate nach Ablauf des Kalenderjahres abzugeben. Für Steuerpflichtige, die von Mitgliedern steuerberatender Berufe vertreten werden, gilt gem. § 149 Abs. 3 AO in den dort gesetzlich abschließend aufgezählten Fällen eine allgemeine Abgabefrist bis Ende Februar des zweiten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahres. Hinzu kommen derzeit noch Verlängerungen der Abgabefristen im Hinblick auf die Coronapandemie, sodass die Frist bei steuerlich beratenen Personen für den Veranlagungszeitraum 2023 tatsächlich bis zum 2.6.25 reicht.
Diese Frist ist für Sie aber nur anwendbar, wenn Sie ein steuerlich beratender Steuerpflichtiger sind. Nach dem Wortlaut des § 149 Abs. 3 AO muss der Angehörige der steuerberatenden Berufe mit der Erstellung der Steuererklärung „beauftragt“ worden sein, was auf Sie im Hinblick auf Ihre eigene Erklärung nicht zutrifft. Die von den Angehörigen der steuerberatenden Berufe im Rahmen ihrer Beratertätigkeit wahrzunehmenden Erklärungsfristen gelten nur, wenn Personen i. S. d. § 3 des StBerG die jeweilige Erklärung in Ausübung ihres Berufs für ihre Mandanten bearbeiten. Dies gilt im Übrigen auch, wenn ein Angehöriger der steuerberatenden Berufe als Steuerpflich- tiger die Einkommensteuererklärung für seinen mit ihm zusammenveranlagten Ehegatten abgibt (BFH 27.8.21, VIII B 36/21, juris).
Für Ihre eigene Steuererklärung gilt daher die „normale“ Frist des § 149 Abs. 2 AO, da Sie zwar „steuerlich wissend“ sind, aber nicht steuerlich beraten. Folglich haben Sie die Abgabefrist überschritten, sodass der objektive Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO erfüllt zu sein scheint.
Da die Abgabefrist für steuerlich beratene Steuerpflichtige derzeit noch nicht abgelaufen ist, ist fraglich, ob Sie nicht jetzt noch einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe damit beauftragen können, Ihre Erklärung zu erstellen, damit Sie in den Genuss der verlängerten Frist kommen. Der Wortlaut des § 149 Abs. 3 AO spricht eher dafür, dass die Beauftragung bereits zu einem Zeitpunkt erfolgt sein muss, zu dem ohne Beauftragung die Frist ablaufen würde. Teilweise wird jedoch vertreten, dass auch eine nachträgliche Bevollmächtigung dazu führt, dass sich die Frist verlängert und mithin keine Tatvollendung eintritt. Etwas weniger weitgehend wird ferner vertreten, dass mit Ablauf der regulären Abgabefrist bereits die Absicht bestanden haben muss, einen steuerlichen Berater zu beauftragen, und die Beauftragung auch vor Ablauf der Frist des § 149 Abs. 3 AO noch möglich sein muss.
Die letztgenannten Ansichten überzeugen nicht. Würde auf die reine Absicht abgestellt, gäbe es völlig beliebige Ergebnisse. Der Steuerpflichtige hat in dem Augenblick, in dem die ohne Beauftragung eines steuerlichen Beraters geltende Abgabefrist überschritten wird, durch die Nichtabgabe der Steuererklärung objektiv alles insoweit Erforderliche getan, um einen tatbestandlichen Erfolg – zumindest in der Form der nicht rechtzeitigen Festsetzung, § 370 Abs. 4 S. 1 AO – herbeizuführen. Das Erreichen des Versuchsstadiums lässt sich nicht wieder „zurückdrehen“. Wurde nicht rechtzeitig ein Angehöriger der steuerberatenden Berufe beauftragt, sind sowohl die einfache Möglichkeit als auch der konkrete Wille, zu beauftragen, unerheblich.
Dies gilt ebenso im Fall einer steuerverwaltungsrechtlichen Fristverlängerung nach § 109 Abs. 1 AO. Diese ist zwar auch rückwirkend nach Fristablauf möglich und sie entzieht nachträglich den eingetretenen steuerlichen Folgen ihre rechtliche Grundlage, aber nachträglich ist sie strafrechtlich bedeutungslos.
Unklar ist, warum bisher keine Folgerungen – z. B. in Form eines Verspätungszuschlags – aus der jeweiligen Versäumung der Abgabefrist gezogen wurden. Sollte in der Vollmachtsdatenbank eine Vollmacht für Sie in Ihrem eigenen Fall gespeichert sein, kann es sein, dass der Merker „steuerlich beraten“ immer wieder automatisch gesetzt wurde, sodass die Programme des FA nicht erkannt haben, dass die Frist für nicht beratene Steuerpflichtige gem. § 149 Abs. 2 AO anwendbar war. Wahrscheinlich ist das bisherige unzutreffende Vorgehen im Rahmen des Bearbeiterwechsels aufgefallen.
Obwohl der objektive Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO erfüllt ist, ergibt sich – ausnahmsweise – folgender Verteidigungsansatz: Sie müssen es im Rahmen des subjektiven Tatbestands zumindest für möglich gehalten haben, dass sich durch die Nichtabgabe die Steuerfestsetzung verzögert. Dagegen spricht jedoch, dass das FA es in den Vorjahren nicht beanstandet hat, dass Sie die Abgabefrist für steuerlich beratene Steuerpflichtige angewendet haben, sodass Sie davon ausgegangen sind, dass Sie auch im Hinblick auf die Erklärung 2023 keine Frist überschreiten und es auch nicht zu einer Verzögerung der Steuerfestsetzung kommen würde. Wenn das Gericht diesem Ansatz nicht folgt, ist ein strafbarer Versuch gegeben.
Praxistipp | Steuerberater müssen die Frist des § 149 Abs. 2 AO einhalten oder einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe mandatieren. Dies ist auch innerhalb derselben Kanzlei möglich. |
AUSGABE: PStR 2/2025, S. 47 · ID: 50272631