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StrohmannStrohleute: Es liegt kein Beihilfevorsatz durch Gewerbeanmeldung und Kontoeröffnung vor

Abo-Inhalt30.12.20248 Min. LesedauerVon RA Prof. Dr. Carsten Wegner, Krause & Kollegen, Berlin

| Allein daraus, dass ein Strohmann ein Gewerbe anmeldet und ein Konto eröffnet für einen als faktischen Leiter des Gewerbes agierenden sowie Steuern und Sozialversicherungsbeiträge verkürzenden Hintermann, kann nicht auf dessen Beihilfevorsatz geschlossen werden. |

Sachverhalt

A soll – so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft – Personen gegen Entgelt beschäftigt, deren Löhne ganz oder z. T. bar ausgezahlt und diese nicht oder nicht in zutreffender Weise zur Sozialversicherung und zur Lohnsteuer angemeldet haben. Um die Barmittel für die Lohnzahlung zu verschleiern, soll er vorgebliche Eingangsrechnungen von Subunternehmen in der Buchhaltung der vier von ihm betriebenen Einzelunternehmen eingebucht haben. Diesen Rechnungen sollen keine tatsächlich erbrachten Leistungen der jeweiligen Rechnungssteller zugrunde gelegen haben. Sie sollten lediglich dazu gedient haben, die Ausgaben der Unternehmen für Schwarzlohnzahlungen „abzudecken“. Nach dem Verständnis des LG ist A i. S. e. hinreichenden Tatverdachts als Arbeitgeber anzusehen, weil er faktisch die Leitung des Unternehmens übernommen und rechtsgeschäftliche Handlungen des Unternehmens in maßgeblicher Weise – und zwar auch für Außenstehende erkennbar – übernommen hätte, ohne formaler Betriebsinhaber zu sein.

Dem B bis E liegt zur Last, den A betreffend Abrechnungszeiträume Februar 2012 bis Dezember 2014/März 2014 bis April 2016/Januar 2016 bis November 2017/März 2017 bis November 2017 dadurch unterstützt zu haben, dass sie ein Gewerbe mit Betriebsbeginn 24.8.11 anmeldeten, mittels dessen der A in die Lage versetzt worden sein soll, Sozialversicherungsbeiträge vorzuenthalten bzw. Lohnsteuer zu verkürzen. B bis E seien am täglichen Geschäftsbetrieb und an der Leitung der jeweiligen Unternehmens nicht beteiligt gewesen. Das LG hat die Eröffnung des Hauptverfahrens betreffend B bis E abgelehnt.

Entscheidungsgründe

Hinsichtlich B bis E ist das Hauptverfahren aus tatsächlichen Gründen abzulehnen (LG Nürnberg-Fürth 25.4.24, 18 KLs 502 Js 2487/21, Abruf-Nr. 244157). Soweit es in der Anklage heißt: „Die Angeschuldigten wussten zumindest aufgrund der Gewerbeanmeldungen, dass sie formal ein Gewerbe betrieben, für das regelmäßig Arbeitnehmer notwendig sind. Weiterhin wussten sie, dass sie dem anderweitig Verfolgten A ihre Firma und ihre Geschäftskonten zur Verfügung stellten, womit dieser seine tatsächliche Verantwortlichkeit für die Unternehmen verschleierte. Zudem überließen sie dem anderweitig Verfolgten A völlig freie Hand und kümmerten sich insbesondere nicht um die Erfüllung sozialversicherungsrechtlicher und steuerlicher Pflichten. Aufgrund der Kenntnis dieser Umstände nahmen sie daher zumindest billigend in Kauf, dass der anderweitig Verfolgte A die sozialversicherungsrechtlichen und steuerlichen Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllte“, wird verkannt, dass allein aus den Umständen, dass sie vom Betrieb eines Gewerbes wussten, in dem Arbeitnehmer beschäftigt wurden, und dem A Zugang zu Geschäftskonten eröffneten und sich selbst nicht mit der Erfüllung sozialversicherungsrechtlicher und steuerlicher Pflichten befassten, nicht zu folgern ist, es liege ihrerseits ein auf die Haupttaten bezogener Vorsatz vor, der sowohl die Verwirklichung der hinreichend konkretisierten Taten des A als auch die Förderung dieser Taten durch einen eigenen Unterstützungsbeitrag umfasste.

Merke | Feststellungen zur subjektiven Tatseite sind auf eine belastbare Tatsachengrundlage zu stützen und dürfen nicht in Spekulationen über die innere Tatseite verharren, was auch für die Annahme eines insoweit bestehenden hinreichenden Tatverdachts gilt. Es ist nicht Sache des Tatgerichts, insoweit ohne eine sich aus den Akten ergebende Beweisgrundlage das Hauptverfahren zu eröffnen und den Nachweis der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung zu überlassen.

Das Gericht beschließt (nur), das Hauptverfahren zu eröffnen, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint, § 203 StPO. Grundlage dafür, ob hinreichender Tatverdacht besteht, sind die Ergebnisse des vorbereitenden Verfahrens, also die gesamten, in den mit der Anklage dem Gericht vorzulegenden Akten dokumentierten Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens.

Merke | Ein hinreichender Tatverdacht liegt vor, wenn nach vorläufiger Bewertung des sich aus dem gesamten Akteninhalt ergebenen Sachverhalts und der Beweisergebnisse eine Verurteilung des Angeschuldigten wahrscheinlicher als ein Freispruch ist, also eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Verurteilung besteht. Die Eröffnungsentscheidung soll nur erkennbar aussichtslose Fälle ausfiltern, der Hauptverhandlung sonst aber nicht vorgreifen (BGH 7.10.21, StB 31 + 32/21).

Relevanz für die Praxis

„Hinreichender Tatverdacht“ i. S. d. § 203 StPO ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der dem Tatgericht einen nicht unerheblichen Beurteilungsspielraum eröffnet (OLG Nürnberg 30.8.10, 1 Ws 464/10). Aufgabe des strafprozessualen Zwischenverfahrens ist es, im Wege der „antizipierten Beweiswürdigung“ eine Prognose zur Verurteilungswahrscheinlichkeit zu treffen und dabei auch die voraussichtliche Beweisbarkeit aller zur Verurteilung notwendigen –  äußeren wie inneren – Tatsachen mit den in der Hauptverhandlung zur Verfügung stehenden Beweismitteln in den Blick zu nehmen. Der hinreichende Tatverdacht ist mehr als ein Anfangsverdacht. Grundsätzlich genügt das schlichte Überwiegen der Verurteilungswahrscheinlichkeit für die Annahme eines hinreichenden Tatverdachts.

Zweifelhafte – sachverhaltsbezogene – Tatfragen hindern die Eröffnung nicht, wenn es bei ungefähr gleicher Wahrscheinlichkeit von Verurteilung und Nichtverurteilung notwendig erscheint, die besseren Erkenntnismöglichkeiten der Hauptverhandlung für die Sachaufklärung zu beanspruchen, und diese zu einer die Verurteilung tragenden tatsächlichen Grundlage führen können (OLG Brandenburg 27.2.23, 2 Ws 112/22).

Dies führt im Ergebnis dazu, dass eine erfolgreiche Verteidigung im Zwischenverfahren nur möglich ist, wenn selbst auf der Grundlage der sachverhaltsbezogenen Behauptungen der Staatsanwaltschaft in rechtlicher Hinsicht eine Strafbarkeit nicht in Betracht kommt. Dies wiederum führt dazu, dass engagierte Verteidigung üblicherweise nicht erst im Zwischenverfahren beginnen sollte, sondern bereits im Ermittlungsverfahren.

Strohmannstrukturen schaffen in der Praxis für alle involvierten Personen ein strafrechtliches Risikofeld, d. h. sowohl für den Vorder- als auch für den Hintermann. Dies ändert aber nichts daran, dass der hinreichende Tatverdacht auf eine belastbare Tatsachengrundlage zu stützen ist und nicht auf Spekulationen. Die ermittlungsbehördliche Annahme, wer sich als Strohmann betätige, werde „wohl schon wissen“, dass die Person, für die er sich in dieser Weise zur Verfügung stellt, nichts anderes als Straftaten vorhat, begründet gleichwohl nicht per se einen Beihilfevorsatz. Als Gehilfe wird (nur) bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat, § 27 Abs. 1 StGB.

Merke | Hilfe kann in objektiver Hinsicht als physische Beihilfe (auch Tathilfe) oder als psychische Beihilfe geleistet werden. Die konkreten Mittel der Beihilfe sind also unbegrenzt und können durchaus auch in Verhaltensweisen liegen, die als solche – in einem anderen Kontext – sozial unauffällig wären. Bei der Beihilfe muss eine für den Täter vorteilhafte Veränderung der (Tat-)Bedingungen geschaffen werden; auf das Gewicht des Beitrages kommt es nicht an.

Nach allgemeiner Ansicht reicht, dass der Gehilfe die Handlungen des Haupttäters fördert, der Gehilfenbeitrag muss für die Haupttat selbst aber nicht ursächlich sein. Beihilfe erfordert demnach eine tatsächliche Förderung der Haupttat, indem diese ermöglicht oder verstärkt oder ihre Durchführung erleichtert wird (vgl. Schönke/Schröder/Heine/Weißer, StGB, 30. Aufl., § 27 Rn. 4).

Hinsichtlich der subjektiven Tatseite muss sich der Vorsatz des Gehilfen auf die Haupttat beziehen. Er muss es umfassen, die hinreichend konkretisierte Tat des anderen zu verwirklichen als auch diese Tat durch einen eigenen Unterstützungsbeitrag zu fördern. Einzelheiten der Haupttat braucht der Teilnehmer nicht zu kennen; indes muss er jedenfalls den wesentlichen Unrechtsgehalt und die Angriffsrichtung der Haupttat erfassen (BGH 15.3.22, 2 StR 302/21) bzw. für möglich halten und billigen (BGH 20.1.11, 3 StR 420/10).

Merke | Ob der Gehilfe den Erfolg der Haupttat wünscht oder ihn lieber vermeiden würde, ist nicht entscheidend. Es reicht, dass die Hilfe an sich geeignet ist, die fremde Haupttat zu fördern oder zu erleichtern, und der Hilfeleistende dies weiß. Unter dieser Voraussetzung ist der Vorsatz auch zu bejahen, wenn der Gehilfe dem Täter ausdrücklich erklärt, er missbillige die Haupttat (BGH 1.8.00, 5 StR 624/99).

Der Vorsatz eines Teilnehmers – sei er Anstifter oder Gehilfe – muss sich auf die Ausführung einer zwar nicht in allen Einzelheiten, wohl aber in ihren wesentlichen Merkmalen oder Grundzügen konkretisierten Tat richten. Dem Bestimmtheitserfordernis des Teilnehmervorsatzes liegt nach dem LG Nürnberg-Fürth letztlich die Annahme zugrunde, dass nur derjenige Teilnehmer ernstlich mit der Begehung der Haupttat rechnet, der bereits wesentliche Einzelheiten des Tatplans kennt. Für den Vorsatz des Teilnehmers sind diejenigen Tatumstände wesentlich, deren Kenntnis die Begehung der Haupttat hinreichend wahrscheinlich werden lässt. Die unterschiedlichen Teilnahmestrukturen, die verschiedene Nähe zur Tat und die differenzierten Strafdrohungen gebieten es, an den Gehilfenvorsatz andere Maßstäbe anzulegen als an den Vorsatz des Anstifters. Beihilfe kann schon begehen, wer dem Täter ein entscheidendes Tatmittel willentlich an die Hand gibt und damit bewusst das Risiko erhöht, dass eine durch den Einsatz gerade dieses Mittels geförderte Haupttat verübt wird (BGH 7.2.17, 3 StR 430/16).

Merke | Eine Strafbarkeit wegen Beihilfe (§ 27 StGB) setzt auf subjektiver Seite einen doppelten Gehilfenvorsatz voraus. Dieser muss die Unterstützungshandlung umfassen und sich auf die Vollendung einer vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Haupttat richten, wobei es genügt, dass der Gehilfe erkennt und billigend in Kauf nimmt, dass sich sein Beitrag als unterstützender Bestandteil in einer Straftat manifestieren wird (BGH 22.9.16, 1 StR 245/16).

Allein das Wissen z. B. eines Steuerpflichtigen, dass er nur deshalb als formeller Inhaber einer Einzelfirma eingesetzt worden war, weil sein Familienangehöriger nicht (mehr) formeller Inhaber oder Geschäftsführer eines Unternehmens sein konnte, rechtfertigt nach Ansicht des LG Nürnberg-Fürth für sich allein nicht den Schluss, dass der Steuerpflichtige billigend in Kauf nahm, dass sein Familienangehöriger als von ihm mit Generalvollmacht versehener (faktischer) Geschäftsführer seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nachkommen würde. Bei familiären Verstrickungen ist überdies mit in die Betrachtung einzubeziehen, dass der Betroffene dem Grunde nach schon darauf vertrauen kann, sein Familienangehöriger werde Steuererklärungen einreichen und nicht etwa ihn für Straftaten missbrauchen. Relevant werden kann auch, ob ein Steuerberater eingebunden ist, der – so die Erwartung – fristgemäß inhaltlich richtige Steuererklärungen einreichen wird.

Merke | Bedingter Vorsatz und bewusste Fahrlässigkeit unterscheiden sich darin, dass der bewusst fahrlässig Handelnde mit der als möglich erkannten Folge gerade nicht einverstanden ist und deshalb auf ihren Nichteintritt vertraut, während der bedingt vorsätzlich Handelnde mit deren Eintreten in der Weise einverstanden ist, dass er sie billigend in Kauf nimmt oder sich wenigstens mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (vgl. BGH 11.2.20, 1 StR 119/19).

Auch diese Entscheidung liefert aber keinen Freifahrtschein: Der formelle Geschäftsführer, der einen faktischen neben sich gewähren lässt, wird wie ein Delegierender behandelt. Hinsichtlich des faktischen Geschäftsführers treffen ihn infolgedessen Überwachungspflichten, die er insbesondere verletzt, wenn er Anhaltspunkte für dessen Fehlverhalten hatte und nichts unternimmt, wobei sich diese Verdachtsmomente nicht unmittelbar auf die Verletzung sozialversicherungsrechtlicher Pflichten zu beziehen brauchen.

AUSGABE: PStR 2/2025, S. 32 · ID: 50222432

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