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BerufsrechtBewährungsstrafen und berufsgerichtliche Maßnahmen sind gegen Steuerberater möglich

Abo-Inhalt23.12.20246 Min. LesedauerVon RA Prof. Dr. Carsten Wegner, Krause & Kollegen, Berlin

| Für die Annahme eines disziplinären Überhangs ist bereits ausreichend, wenn eine berufsgerichtliche Maßnahme zusätzlich erforderlich ist, um das Ansehen des Berufs zu wahren. Im Fall von Steuerstraftaten durch einen Steuerberater wird – unabhängig von der Frage, ob diese den privaten oder unternehmerischen Bereich betreffen, und unter Würdigung im Einzelfall bestehender Besonderheiten – regelmäßig eine berufsgerichtliche Maßnahme zusätzlich erforderlich sein, um das Ansehen des Berufs zu wahren. Das hat das LG Nürnberg-Fürth entschieden. |

Sachverhalt

Der Betroffene B war einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer (GF) einer Steuerberatungsgesellschaft m. b. H. Er ist berufsrechtlich nicht vorgeahndet. Er wurde wegen Steuerhinterziehung in 7 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt, welche zur Bewährung ausgesetzt wurde. Im Rahmen des Bewährungsbeschlusses wurde die Bewährungszeit auf 3 Jahre festgesetzt, und dem Betroffenen wurde auferlegt, 30.000 EUR an die Staatskasse zu bezahlen. B war als GF der GmbH verpflichtet, für diese bis zum 31.5. des auf den jeweiligen Besteuerungszeitraum folgenden Jahres die USt-Jahreserklärungen abzugeben. Dieser Pflicht kam er für mehrere Jahre nicht nach. Infolgedessen wurde die Umsatzsteuer (USt) jeweils verkürzt. Insgesamt verkürzte B zugunsten der GmbH USt i. H. v. mehr als 1 Mio. EUR.

Entscheidungsgründe

Die für Steuerberatersachen zuständige Kammer sprach B der schuldhaften Verletzung allgemeiner Berufspflichten schuldig, § 57 Abs. 1 S. 1, § 89 Abs. 1 StBerG. Ihm wurde ein Verweis erteilt und eine Geldbuße i. H. v. 30.000 EUR auferlegt. Die Feststellungen zur Pflichtverletzung beruhen auf den strafgerichtlichen Feststellungen des LG, die gem. § 109 Abs. 3 S. 1 StBerG bindend sind (LG Nürnberg-Fürth 7.2.24, 18 StL 4/23, Abruf-Nr. 245375).

Merke | In dem berufsgerichtlichen Verfahren kann ein Gericht beschließen, solche Feststellungen erneut zu prüfen, deren Richtigkeit seine Mitglieder mit Stimmenmehrheit bezweifeln. Es muss dies in den Gründen der berufsgerichtlichen Entscheidung zum Ausdruck bringen, § 109 Abs. 3 S. 2 StBerG. Eine solche Bindungswirkung entfällt bei Strafurteilen, die in einem ausschlaggebenden Punkt unter offenkundiger Verletzung zentraler Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind. Dies kommt in Betracht, wenn das strafrechtliche Urteil auf einer Verständigung beruht, den hieran zu stellenden wesentlichen Anforderungen aber nicht gerecht wird, was auch der Fall sein kann, wenn die Verurteilung tatsächlich auf einem durch das Strafgericht nicht oder nicht zureichend überprüften „Formalgeständnis“ beruht hätte (BGH 11.12.15, StbSt (R) 1/15).

Relevanz für die Praxis

Die Steuerhinterziehungshandlung eines Steuerberaters stellt ein besonders schweres Berufsvergehen dar, weil gerade von einem Steuerberater erwartet wird und erwartet werden darf, dass er im Umgang mit Behörden wahrheitsgetreu und korrekt handelt. Gegen einen Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten, der seine Pflichten schuldhaft verletzt, wird gem. § 89 Abs. 1 StBerG eine berufsgerichtliche Maßnahme verhängt. Steuerberater und Steuerbevollmächtigte müssen ihren Beruf unabhängig, eigenverantwortlich, gewissenhaft, verschwiegen und unter Verzicht auf berufswidrige Werbung ausüben, § 57 Abs. 1 S. 1 StBerG. Die Verkürzung (auch) eigener unternehmensbezogener oder privater Steuern unterfällt den § 57 Abs. 1 S. 1, § 89 Abs. 1 StBerG und stellt kein außerhalb des Berufs liegendes Verhalten gem. den § 89 Abs. 2, § 57 Abs. 2 S. 2 StBerG dar. Wenn ein Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter außerhalb seines Berufs rechtswidrig handelt oder eine Ordnungswidrigkeit begeht, kann dies als Pflichtverletzung gelten, wenn es das Ansehen des Berufs oder das Vertrauen in ihn stark beschädigt.

Merke | Alles, was auch nur mittelbar im Zusammenhang mit der Berufsausübung steht, ist berufsbezogenes Verhalten, insbesondere wenn der Steuerberater eigene berufsbezogene Steuerpflichten nicht erfüllt. Die Abgabe von Steuererklärungen gehört zum Kernbereich der Tätigkeiten eines Steuerberaters (OLG München 19.6.08, 2 StO 2/2008). Dies gilt auch für dessen nicht ordnungsgemäße Erfüllung der persönlichen Steuerpflichten, die jedenfalls mittelbar im Zusammenhang mit seiner Berufsausübung steht (LG Frankfurt 11.12.09, 5/35 StL 7/09).

§ 90 Abs. 1 StBerG sieht als mögliche Ahndung die Warnung, den Verweis, die Geldbuße bis zu 50.000 EUR, das Berufsverbot für die Dauer von 1 bis zu 5 Jahren oder die Ausschließung aus dem Beruf vor. Die berufsgerichtlichen Maßnahmen des Verweises und der Geldbuße können nebeneinander verhängt werden, § 90 Abs. 3 StBerG.

Merke | Den Steuerberater vom Beruf auszuschließen als schwerste Maßnahme kommt nur in Betracht, wenn sie bei schweren Pflichtverletzungen zum Schutz eines überragend wichtigen Gemeinschaftsguts, des Interesses der Allgemeinheit an einer funktionstüchtigen Rechtspflege und der Wahrung des Vertrauens der Rechtssuchenden in die Integrität des Berufsstands, geeignet und erforderlich ist. Die Gesamtabwägung muss zur Prognose führen, dass der Steuerberater nicht mehr tragbar ist, weil er die Rechtspflege gefährdet.
Die Schwere der Pflichtverletzung allein ist nicht entscheidend. Ebenso wenig ist nur danach zu fragen, ob die Gefahr künftiger, vergleichbar schwerer Pflichtverletzungen durch den Steuerberater besteht. Über das individuelle Verhalten des Berufsangehörigen und seine Erklärungen hinaus ist auch darauf abzustellen, ob eine Gefahr für die Rechtspflege – wenn auch nur für einige Zeit – darin liegt, dass aufgrund der schweren Pflichtverletzung das für jede Rechtsberatung unabdingbare Vertrauen zwischen dem Berater und seinem Mandanten sowie die für eine sachgerechte Rechtsberatung notwendige innere Unabhängigkeit des Beraters beeinträchtigt sind.

Das befristete Berufsverbot darf als berufsgerichtliche Maßnahme nur angewendet werden, um schwere Berufspflichtverletzungen zu ahnden, wenn Verweis und Geldbuße nicht mehr ausreichen, es aber noch nicht erforderlich ist, den Steuerberater aus dem Beruf auszuschließen (LG Nürnberg-Fürth 2.12.16, 1 StL 14/16; Güntge in: Kuhls, StBerG, 4. Aufl., § 90 Rn. 36). Ein befristetes Berufsverbot ist insbesondere in folgendem Fall zu erwägen: In dem Verhalten des Steuerberaters kann eine innere Einstellung zur (Steuer-) Rechtsordnung und zu seinem Beruf erkannt werden, die als Gleichgültigkeit gegenüber den (berufs-)rechtlichen Anforderungen zu werten ist. Im Interesse des rechtssuchenden Publikums dient ein (zeitweises) Berufsverbot dazu, auf den Steuerberater einzuwirken (LG Frankfurt 4.5.18, 5/35 StL 13/17).

Eine berufsgerichtliche Maßnahme kann auch neben der bereits verhängten Strafe zusätzlich ausgesprochen werden, wenn diese erforderlich ist, um das Ansehen des Berufs zu wahren, § 92 S. 2 2. Alt. StBerG.

§ 92 S. 1 StBerG (Fassung bis 31.7.22)

Ist durch ein Gericht oder eine Behörde eine Strafe, eine Disziplinarmaßnahme, eine ehrengerichtliche Maßnahme, eine anderweitige berufsgerichtliche Maßnahme oder eine Ordnungsmaßnahme verhängt worden, so ist von einer berufsgerichtlichen Ahndung wegen desselben Verhaltens abzusehen, wenn nicht eine berufsgerichtliche Maßnahme zusätzlich erforderlich ist, um den Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten und das Ansehen des Berufs zu wahren.

§ 92 S. 1 StBerG aktuelle Fassung

Von einer berufsgerichtlichen Ahndung ist abzusehen, wenn durch ein Gericht oder eine Behörde wegen desselben Verhaltens bereits eine Strafe, eine Geldbuße nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten oder eine berufsaufsichtliche Maßnahme verhängt worden ist (Nr. 1) oder das Verhalten nach § 153a Abs. 1 S. 5, auch i. V. m. Abs. 2 S. 2, der StPO nicht mehr als Vergehen verfolgt werden kann (Nr. 2). S. 1 gilt nicht, wenn eine berufsgerichtliche Maßnahme zusätzlich erforderlich ist, um den Steuerberater, Steuerbevollmächtigten oder die Berufsausübungsgesellschaft zur Erfüllung seiner oder ihrer Pflichten anzuhalten oder um das Ansehen des Berufs zu wahren. Die Erforderlichkeit einer Maßnahme nach § 90 Abs. 1 Nr. 4 oder 5 oder Abs. 2 Nr. 4 und 5 bleibt durch eine anderweitige Ahndung unberührt.

Grundsätzlich sperrt also ein Strafurteil berufsrechtliche Maßnahmen. Es gibt aber Ausnahmen, wenn ein sog. disziplinarrechtlicher Überhang besteht, d. h., ergänzende erzieherische Wirkung auf den Berufsangehörigen erforderlich erscheint. § 92 S. 2 StBerG n. F. besagt, dass nun nicht mehr die kumulative Notwendigkeit erforderlich ist, eine erzieherische Wirkung auf den Berufsangehörigen auszuüben und zusätzlich das durch sein Verhalten beeinträchtigte Ansehen des Berufs zu wahren. Es reicht, wenn eine berufsgerichtliche Maßnahme zusätzlich erforderlich ist, um das Ansehen des Berufs zu wahren.

AUSGABE: PStR 2/2025, S. 29 · ID: 49973320

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