Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Juli 2024 abgeschlossen.
Sozialversicherungsrechtliche FallstrickeLohnsteuerprüfbericht: Prüfer tauschen sich nicht automatisch untereinander aus
| Die Sozialversicherungspflicht folgt grundsätzlich der Steuerpflicht. Nicht immer werden jedoch Lohnsteuer-Außenprüfung und die Sozialversicherungsprüfung durch die DRV gleichzeitig und für dieselben Prüfungszeiträume durchgeführt. Dabei darf sich die Geschäftsführung nicht auf eine Art „automatischen Informationsaustausch“ zwischen den prüfenden Behörden verlassen, sondern muss selbst aktiv werden. |
FRAGE DES STEUERBERATERS: Im Betrieb meiner Mandanten M wurde vor vier Jahren eine Betriebsprüfung (BP) gem. § 28p SGB IV durchgeführt. Im Bescheid wurde u. a. eine Nachforderung für die private Firmenfahrzeugnutzung des angestellten Geschäftsführers festgesetzt. In den Erläuterungen zum Bescheid wies die DRV darauf hin, dass im Zeitpunkt ihrer Prüfung der Bericht über die letzte Lohnsteueraußenprüfung noch nicht vorlag. Man bat darum, die Prüfberichte/Bescheide der Lohnsteuerprüfung unmittelbar nach dem Eingang dem Prüfdienst der Deutschen Rentenversicherung zu übersenden bzw. selbst auszuwerten. Dies hatte M leider nicht gemacht, was im Rahmen der nächsten Sozialversicherungsprüfung aufgefallen ist. Die DRV hat nun Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung sowie Umlagen einschließlich Säumniszuschlägen, ohne die vierjährige Verjährungsfrist zu beachten, nachgefordert. Ist das Vorgehen in Ordnung? Drohen auch strafrechtliche Konsequenzen?
ANTWORT DES STRAFVERTEIDIGERS: Die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Arbeitsentgelt richtet sich nach dem Steuerrecht, §§ 14, 17 SGB IV i. V. m. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Sozialversicherungsentgelt-VO (SvEV). Steuerpflichten, die auf Grundlage einer Lohnsteuerprüfung festgesetzt werden, lösen meist auch Beitragspflichten in der Sozialversicherung aus. Bei der Lohnsteuer-Außen- und der Sozialversicherungsprüfung geht es zwar oft um dieselben Sachverhalte, aber die Prüfungen laufen nicht immer parallel und werden auch von verschiedenen Behörden durchgeführt. Es obliegt den Steuerpflichtigen, für einen Gleichlauf der Sachverhalte zu sorgen.
Erfahrungsgemäß werden jedoch die Prüfungsfeststellungen und Bescheide nicht weiter durchgesehen; vor allem die Erläuterungen zu den Bescheiden werden oftmals einfach ignoriert. Geschäftsführer müssen daher unbedingt sicherstellen, dass sämtliche Prüfberichte und Bescheide hinsichtlich der geprüften Zeiträume und der getroffenen Feststellungen abgeglichen und ausgewertet werden. Es darf keinesfalls davon ausgegangen werden, dass sich die Behörden untereinander über die getroffenen Feststellungen austauschen. Für die Finanzverwaltung verbietet dies bereits § 30 AO. Beachtet der Geschäftsführer die Erläuterungen in den Bescheiden nicht und heftet den Bescheid einfach ab, kann das teuer werden.
Zuletzt hat das LSG Baden-Württemberg (24.5.23, L 7 BA 2862/20) entschieden, dass zumindest von einem bedingten Vorsatz auszugehen ist, der die 30-jährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV eröffnet. Das Gericht hat hier u. a. darauf hingewiesen, dass es sich gerade bei der Versteuerung des geldwerten Vorteils für einen Firmenwagen um einen verbreiteten Sachverhalt handle, dessen lohnsteuerliche und sozialversicherungsrechtliche Auswirkungen einem Geschäftsführer bekannt sein müssen. Soweit ein Geschäftsführer nach entsprechenden Feststellungen durch die Lohnsteuer-Außenprüfung nichts unternimmt, um diese Feststellungen auch der DRV bekannt zu geben, und damit hinnimmt, dass beitragsrechtliche Forderungen unerfüllt bleiben, ist der bedingte Vorsatz aus Sicht des LSG gegeben.
Das LSG wies auch darauf hin, dass Unternehmensverantwortliche sicherstellen müssen, dass erkennbar erhebliche Informationen an die jeweiligen Entscheidungsträger weitergeleitet werden (LSG Baden-Württemberg, a. a. O.). Dies kann einen Informationsfluss von unten nach oben, aber auch horizontal erforderlich machen. Anderenfalls kann Organisationsverschulden angenommen werden. Vor allem in Fällen, in denen es sich – wie hier – mit der Privatnutzung des Firmenfahrzeugs, um einen steuerlich und beitragsrechtlich einfachen Sachverhalt handelt und zudem noch in den Erläuterungen des Berichts der DRV darauf hingewiesen wurde, dass die Feststellungen der Lohnsteuerprüfung noch nicht vorlagen, ist nach Ansicht des LSG der Nachweis des bedingt vorsätzlichen Verhaltens nur schwer zu widerlegen.
Praxistipp | In der Abwehrberatung für die Mandanten kommt es hier darauf an, die Umstände des Einzelfalls herauszuarbeiten. Keine 30-jährige Verjährungsfrist bei Fahrlässigkeit Sollte – auch bewusste oder grobe – Fahrlässigkeit vorliegen, wäre die 30-jährige Verjährungsfrist nicht eröffnet. Denkbar ist dies z. B. bei weniger verbreiteten Entgeltbestandteilen, bei denen Steuer- und Beitragspflicht nicht gleichlaufend geregelt sind. Für den bedingten Vorsatz muss das Bestehen eines entsprechenden Beitragsrückstands für möglich gehalten und die Nichtabführung der Beiträge billigend in Kauf genommen worden sein. |
Natürlich kann das Verhalten des Geschäftsführers auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Es kann ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt nach § 266a StGB eingeleitet werden. Der objektive Tatbestand wird im vorliegenden Fall zweifellos gegeben sein, da der Straftatbestand streng sozialrechts-akzessorisch ausgestaltet ist. Und so wird es auch hier maßgeblich auf die Feststellungen zum Vorsatz ankommen. Ein wichtiger Punkt ist auch die strafrechtliche Verjährung. Die Taten sind mit Verstreichen des jeweiligen Fälligkeitszeitpunkts ohne erfolgte Beitragsabführung sowohl vollendet als auch beendet, die Verjährungsfrist, regulär fünf Jahre, beginnt. Daher können oftmals Beiträge zur Sozialversicherung nacherhoben werden, und gleichzeitig ist eine strafrechtliche Verfolgung nicht mehr möglich.
AUSGABE: PStR 7/2024, S. 167 · ID: 50001467